Wettervorhersagen:Bauernregeln der Moderne

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Sommer in Deutschland sind wärmer und sonniger geworden. Manche Bauernregel ist nur noch eine schöne Legende. Meteorologen stellen daher neue Merksätze für das Wetter auf.

Axel Bojanowski

Am 1. Juni hat der meteorologische Sommer begonnen, doch so richtig warm ist es bisher nicht geworden. Auch in den kommenden Tagen werde Kaltluft über Deutschland ziehen, sagt der Deutsche Wetterdienst DWD voraus. Die Kühle mag nicht willkommen sein, doch sie ist typisch für einen Junianfang.

Da lohnt das Aufstellen der Strandkörbe: Die Sommer in Deutschland sind wämrer und sonniger geworden. (Foto: Foto: dpa)

Generell sind die Aussichten aber gut: Die Sommer in Deutschland seien über die vergangenen 130 Jahre wärmer und sonniger geworden, berichten Meteorologen. Andere Luftströmungen als früher bestimmten das Wetter in Deutschland, sagt Wolfgang Fricke vom DWD.

Es gebe mehr Hochdruck, dafür aber weniger Westwind-Witterung im Sommer. Der Meteorologe hat ausgewertet, wie sich das Wetter in den vergangenen 130 Jahren an der DWD-Station auf dem Hohen Peißenberg in Oberbayern verändert hat.

Die Wetterküche Mitteleuropas liegt Anfang Juni in Asien. Der Kontinent fungiert wie eine Herdplatte. Die Maisonne hat das Festland dort so weit erwärmt, dass großräumig Luft aufsteigt. Der Luftdruck am Boden fällt, es entsteht ein Sog. Über Mitteleuropa hinweg strömen Westwinde Richtung Asien.

Bevor sie Deutschland erreichen, haben sich die Luftmassen über dem Atlantik mit reichlich Feuchtigkeit vollgesogen. Vorstöße solch frischer Meeresbrisen prägen das Sommerwetter; der Juni gehört deshalb zu den regenreichsten Monaten.

Vom 2. bis 5. Juni kommt kühles Regenwetter in Deutschland besonders häufig vor, berichtet Gerhard Müller-Westermeier vom DWD. Die kalte Witterung Anfang oder Mitte Juni nennt der Volksmund Schafskälte - die frisch geschorenen Schafe hatten unter der Kälte stets besonders zu leiden. In den vergangenen Jahren kamen Westwinde im Sommer jedoch seltener vor als in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Früher bestimmte Westwind an rund 20 von 90 Sommertagen in den Monaten Juni, Juli und August das Wetter. In den vergangenen Jahrzehnten herrschte nur noch durchschnittlich an 15 Tagen regnerische Witterung mit Westwind, berichtet Wolfgang Fricke. Dafür wehte häufiger eine Südwest-Brise, die oft schönes Wetter mit milder Luft bringt.

Auch Nordwind kann den Sommer vermiesen. Bauern und Winzer profitieren von dieser Wetterlage, denn Nordwind bringt ebenfalls meist Regen: "Im Juni tut der Nordwind gut, dem Korn und auch dem Rebenblut", lautet eine Bauernregel. In letzter Zeit wartete man aber oft vergeblich auf Regen aus dem Norden. "Nordwind-Wetterlagen treten deutlich seltener auf als früher", sagt Wolfgang Fricke.

Auch die Siebenschläfer-Formel muss modifiziert werden: "Wenn die Siebenschläfer Regen kochen, so regnet's vier ganze Wochen", lautet eine alte Bauernregel. "Eine schöne Legende", sagt hingegen Müller-Westermeier: Regen am Siebenschläfertag, dem 27. Juni, folge nur manchmal ein verregneter Juli. In leicht variierter Form jedoch treffe die Regel in zwei von drei Jahren zu: Je mehr es in den letzten fünf Junitagen regne, desto nasser werde der Juli.

Anstatt regnerischen Nord- oder Westwind brachten die Sommer zuletzt häufiger sonniges Hochdruckwetter, berichtet Wolfgang Fricke. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts herrschte an elf bis sechzehn Sommertagen Hochdruck. Seit den achtziger Jahren lag meist eine Woche länger ein "H" über der Wetterkarte Deutschlands.

Insbesondere der Juli beginnt normalerweise mit schönem Wetter. Hochdruckzellen lösen sich vom Azorenhoch über dem Atlantik und schwenken nach Mitteleuropa. Doch schon vom 5. Juli an strömt dann oft wieder regnerische Kaltluft nach Deutschland.

Den Wetterdaten zufolge lasse sich eine moderne Bauernregel für Deutschland aufstellen, sagt Müller-Westermeier: "Ist es um den 8. Juli herum regnerisch, so herrscht auch im Hochsommer von Mitte Juli bis Mitte August meist Regenwetter." Liege jedoch vom 6. bis 11. Juli Hochdruck über Deutschland, folge oft ein regenarmer Hochsommer.

Meist überwiegen aber die Wolken. Der Himmel über Deutschland sei im Juli "im Durchschnitt zu 62 Prozent" bewölkt, sagt Müller-Westermeier. In den Bergen bleibe es häufiger wolkig als im Flachland. Der natürliche Sonnenschirm kommt durchaus gelegen, denn unter praller Sonne wird es heiß - der Juli ist der wärmste Monat.

Die größte Hitze herrscht in der Regel vom 15. bis 24. Juli während der sogenannten Hundstage. Vor allem in den Städten kann es unangenehm warm werden. Die heißesten Großstädte sind dann üblicherweise Ludwigshafen, Freiburg, Mannheim und Mainz.

In der Hitze bilden sich viele Gewitter. Warme Luft kann große Mengen Feuchtigkeit aufnehmen; es bilden sich gewaltige Wolkentürme. An sechs bis sieben Tagen gewittert es normalerweise im Juli. Platzregen macht den Monat zu einem der niederschlagsreichsten des Jahres.

In den vergangenen Jahrzehnten habe sich vermehrt eine besonders regenträchtige Witterung nach Mitteleuropa geschoben, berichtet Wolfgang Fricke: die sogenannte Vb-Wetterlage. Dabei rücken Luftmassen, die sich über dem warmen Mittelmeer mit Feuchtigkeit vollgesogen haben, von Süden her vor. Wo sie abregnen, quellen die Flüsse über. Die Hochwasser an der Oder 1997, in Bayern 1999, an der Elbe 2002 und in den Alpen 2005 wurden von Vb-Wetterlagen verursacht.

Üblicherweise beruhigt sich das Wetter im August. Der Temperaturunterschied zwischen dem Festland, das sich schneller aufheizt, und dem Meer hat sich verringert - entsprechend mäßigen sich die Luftströmungen. Mitte August bestimmt gleichwohl oftmals regnerisches Westwind-Wetter das Geschehen. Ende des Monats jedoch schwenken üblicherweise wieder Hochdruckgebiete über Mitteleuropa, sie leiten spätsommerliches Schönwetter ein.

Die Veränderung der Sommer-Wetterlagen habe wärmere und sonnigere Witterung nach Deutschland gebracht, resümiert Fricke. Die Ursache des Wandels sei aber unklar. Der weltweite Klimawandel habe zwar die bodennahe Lufttemperatur im globalen Durchschnitt erhöht. Wie die sommerliche Witterung in Deutschland davon beeinflusst wurde, müsse aber noch erforscht werden.

Die Verschiebung regionaler Wettermuster verstärke oder schwäche den Erwärmungstrend. "Hätten wir zehn Prozent mehr Bewölkung über Deutschland, wäre die Erwärmung der vergangenen 30 Jahre hierzulande ausgeglichen", sagt Fricke.

Besonders rätselhaft erscheint den Meteorologen, dass die Wetterlagen in Deutschland ihre Temperaturen teils drastisch verändert haben: Warmes Wetter sei deutlich wärmer als früher, kühle Witterung weitaus kühler, berichtet Fricke. Dafür fehle noch eine Erklärung.

Über die weitere Entwicklung geben die Daten ebenfalls keine Auskunft. Seine Beobachtungen ließen keine Prognosen zu, sagt der Meteorologe. "Wie sich die Wetterlagen in Deutschland entwickeln werden, wissen wir nicht", sagt Fricke. Immerhin für diesen Sommer lässt sich anhand der Datenreihen eine Prognose aufstellen.

Großer Hitze in der ersten Junihälfte, sagt Müller-Westermeier, folge meist ein nasser Hochsommer. Die Maxime könnte Trost spenden angesichts der Kühle dieser Tage: Bleibt das Wetter noch eine Weile so frisch, dürfte wenigstens der Hochsommer nicht verregnen.

© SZ vom 04.06.2009/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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