Dieser Sommer scheint einen Sinn für Dramaturgie zu haben. Pünktlich zu seinem meteorologischen Ende setzt ein großes Hitzefinale ein. Die Wetterdienste erwarten zum Wochenende noch einmal Wüstenluft und Werte bis 37 Grad. Anschließend wird sich die Großwetterlage wahrscheinlich grundlegend umstellen. Temperaturen jenseits der 30 Grad dürften in diesem Jahr kaum mehr erreicht werden, die Sonne verliert ihre Kraft. Mit dem September hält der Herbst Einzug. Spätsommerwetter ist in diesem Jahr noch nicht in Sicht.
Manchen Menschen in Deutschland fällt der Abschied allerdings nicht schwer. Die Hitzebelastung war vor allem im Süden enorm. Der Sommer 2015 ist bisher der viertwärmste in Deutschland seit Messbeginn. Und er könnte - die anstehende Hitzewelle eingerechnet - sich noch auf Platz zwei schieben. Mit einer Durchschnittstemperatur von 18,5 Grad Celsius könnte er direkt hinter dem Jahrhundertsommer von 2003 landen (19,7 Grad), so die Kalkulation des Meteorologen Frank Böttcher vom Institut für Wetter und Klimakommunikation in Hamburg. Im Vergleich zum langjährigen Mittel der Jahre 1961 bis 1990 fiele die Jahreszeit damit um 2,3 Grad zu warm aus.
Richtig Sommer:Nur die Bauern sind nicht glücklich
Es soll noch mal warm werden in der letzten Augustwoche. Aber am 1. September beginnt meteorologisch der Herbst, längere Hitzewellen sind kaum noch zu erwarten. Zeit für eine Bilanz.
Besonders betroffen von der brütend heißen Saharaluft waren die großen Städte in Deutschland. Dort staute sich die Hitze tagelang, und die Nächte brachten keine Abkühlung. Dazu fiel kaum Regen. München beispielsweise wurde von drei Hitzewellen heimgesucht, bei der die Tagestemperaturen an mindestens drei aufeinander folgenden Tagen über 30 Grad kletterten. Die längste dauerte elf Tage. Die vierte und letzte deutet sich in dieser Woche an - das wäre Rekord. In einem durchschnittlichen Sommer erleben die Münchner höchstens eine solche Heißperiode.
Südlich von Grönland entscheidet sich, wie heiß es in Mitteleuropa wird
Die mediterranen Verhältnisse haben selbst Meteorologen überrascht: "Die Häufigkeit und Intensität der Hitzewellen war außergewöhnlich", sagt Böttcher - Anfang Juli und Anfang August waren besonders extrem. So wurde im fränkischen Kitzingen der Allzeitrekord von 40,3 Grad zweimal erreicht. In weiten Teilen Süd- und Mitteleuropas herrscht die schwerste Dürre seit dem Hitzesommer 2003, wie eine Forschergruppe der Europäischen Kommission kürzlich bilanzierte. Im Mittelmeer sind badewannentaugliche 31 Grad Wassertemperatur gemessen worden.
Trockenheit in Europa:Die große Dürre
Verdorrtes Getreide, Wassermangel und Hitzetote: Nach sechs Wochen Trockenheit und Höchsttemperaturen zeigen sich in Deutschland und Südeuropa die Folgen.
Schon im Juni deutete vieles auf eine heiße Phase hin. Aus Erfahrung wissen die Wetterkundigen, dass solche Sommer ein typisches Grundschema aufweisen. Sie blicken beispielsweise auf das Gebiet südlich von Grönland. Ist es dort besonders kühl und die Nordsee vergleichsweise warm, verschiebt sich der Nährboden für Tiefdruckgebiete hinaus auf den Atlantik. Diese Verlagerung wiederum bringt über dem Kontinent eine südwestliche Strömung in Gang, die Luft aus der Sahara direkt nach Deutschland schaufelt. Über Mitteleuropa entwickelt sich dann ein Hitzehoch. Ein trockenes Frühjahr über weiten Teilen des Landes verstärkt diesen Effekt.
Zeigt dieser Sommer 2015 die Zukunft an? Die Klimaprognosen jedenfalls deuten darauf hin, dass dieser Sommer kein Einzelfall bleiben wird, sondern eher die Regel. Wie sollte man darauf reagieren?
Mit dieser Frage beschäftigt sich der Klimaforscher und Landschaftsökologe Wilhelm Kuttler von der Universität Duisburg-Essen seit Jahrzehnten. Da in Deutschland fast drei Viertel der Bevölkerung in Städten lebt, fokussiert er sich vor allem darauf, wie sich urbane Gebiete für die wärmere Zukunft wappnen sollten. Die Antwort darauf klingt simpel. In unserem Klima seien zwei Maßnahmen wichtig: Der Schutz vor direkter Sonneneinstrahlung und eine gute Belüftung der Stadt. Demnach sollten die jeweiligen Stadtplaner darauf achten, dass ausreichend Schatten spendende Bäume gepflanzt werden und die Stadtbewohner genug Frischluft bekommen. "Doch in der Praxis mangelt es allerorten an der Durchsetzung", sagt er.
Stattdessen wird wegen der grassierenden Wohnungsnot in vielen Ballungsräumen nachverdichtet, wie es im Jargon der Stadtplaner heißt, obwohl das Gegenteil richtig wäre. Eigentlich müssten Schneisen in den Betondschungel geschlagen werden, damit die Stadt atmen kann. Doch hier gebe es natürlich Interessenkonflikte, sagt Kuttler. Zudem scheuen Kommunalpolitiker Grünflächen, Bäume und Springbrunnen allein schon deshalb, weil sie laufende Kosten im Etat verursachen.
Hinzu kommt, dass viele Städte ihr eigenes Klima bisher noch nicht richtig erforscht haben. Dabei ist genau das der erste Schritt, um sich auf heiße Zeiten vorzubereiten. Eine Grünfläche einzig auf den Verdacht hin anzulegen, dass sie Abkühlung bringen wird, reicht nicht aus. Dafür ist das Stadtklima zu komplex. Einfach ist eine Analyse des Stadtklimas allerdings auch nicht: Es setzt sich aus mehreren Mikroregionen zusammen, und es müssen Bebauungsart, Gebäudedichte, Topografie und Relief berücksichtigt werden. Stuttgart beispielsweise ist nicht nur hochverdichtet, die Stadt liegt zusätzlich in einer Kessellage und im Sommer damit häufig unter einer stickigen Glocke.
Schrumpfende Städte wie jene in Kuttlers Heimat, dem Ruhrgebiet, sind diesbezüglich im Vorteil. Ihnen eröffnet sich die Chance, nach Wegzug vieler Einwohner ganze Straßenzüge zu entsiegeln und in Grünflächen zu verwandeln, die wiederum für die restliche Bevölkerung an Attraktivität gewinnen. Probleme mit der Luftqualität hätten sich dann von selbst erledigt. "Allerdings krankt dieser Umbau immer noch daran, dass viele Flächen in Privateigentum sind und rechtliche Probleme eine Umnutzung häufig verhindern", sagt Wilhelm Kuttler.
Das allein zeigt: Trotz des aktuellen Sommers scheinen die meisten Kommunen das Problem immer noch nicht ernst zu nehmen. Damit geht viel Zeit verloren, sich an den Klimawandel anzupassen. Schließlich ist nach der Hitze immer auch vor der Hitze.