Schon wieder ein Rekord. Der Dezember 2015 wird der wärmste seit Messbeginn, so viel ist bereits sicher. Um aktuell 6,2 Grad weicht der erste Wintermonat in Deutschland bisher vom Durchschnitt ab, teilt Uwe Kirsche vom Deutschen Wetterdienst mit. Ist das viel? "Das ist der Hammer", sagt er. Überhaupt: Kann man noch von einem Wintermonat sprechen? In Hamburg und Hannover wird der Dezember sogar wärmer als der April abschneiden. Und überall diese Pollen, Krokusse und - kein Witz - Sonnenbrände von ausgiebigen Weihnachtsspaziergängen.
Beim Wetterdienst in Offenbach schreiben sie gerade den Jahresrückblick zusammen. Hier der wärmste Dezember, dort der trockenste November. Dazu dieser Hitzesommer. "Mir fallen schon gar keine Superlative mehr ein", sagt Uwe Kirsche. Man jage von Rekord zu Rekord. Lediglich das Gesamtjahr wird mit einer Abweichung von plus 1,8 Grad am Ende nur auf Platz zwei landen. Hinter 2014 mit 2,1 Grad. Weltweit gesehen wird es für einen klaren ersten Platz reichen. Die Temperatur liegt jetzt schon um ein Grad höher als zu Beginn der Industrialisierung.
Sein Schweizer Kollege Stephan Bader berichtet Ähnliches. Dort hat man das Wetterjahr bereits zusammengefasst. Es war das wärmste seit Messbeginn 1864. "Ich weiß schon gar nicht mehr, wie ich das alles überschreiben soll", sagt er. Es sei, als laufe man in die Wärme hinein, sagt Bader.
"Etwas für die Geschichtsbücher"
Der Hamburger Meteorologe Frank Böttcher vom privaten Institut für Wetter und Klimakommunikation hat sich die Dezemberwerte genauer angeschaut - und sogar eine historische Dimension festgestellt. Noch nie seit Beginn der Messungen in Deutschland fiel ein Monat so viel wärmer aus als normal. Böttcher rechnet mit einer Anomalie von plus 5,7 Grad bis Neujahr. "Das ist etwas für die Geschichtsbücher", sagt er. Bisherige Rekordhalter waren Februar 1990 und Januar 2007 mit einem Ausschlag von 5,3 Grad.
Rekordverdächtig sind auch die Sonnenstunden dieses Dezembers. Bundesweit schien sie im Schnitt 65 Stunden und damit um 75 Prozent länger als sonst. Richtig freundlich ist es im Süden. In Neubulach im Nordschwarzwald haben die Meteorologen bisher sogar 125 Sonnenstunden gemessen - ein absoluter Spitzenwert. Und Schwäbisch Gmünd, wo in einem durchschnittlichem Dezember 17 Stunden die Sonne zu sehen ist, bringt es bereits auf mehr als 100 Stunden. Das ist sechsmal so viel wie üblich.
Grund für den Frühling im Dezember ist ein seit November sesshaftes Hochdruckgebiet über dem Mittelmeer, dem jetzt allerdings langsam die Puste ausgeht. Es zwang den Jetstream (Höhenwinde) und damit die Tiefdruckgebiete auf eine nördliche Bahn und hielt die Kälte auf Distanz. Schneeluft machte dadurch einen großen Bogen um Europa. Stattdessen standen weite Teile Europas im Einfluss subtropischer Winde. Da solche Hochs vor allem in der Höhe Wärme nach Europa pumpen, und es am Boden meist sogar etwas kühler ist, bleibt die Atmosphäre sehr stabil geschichtet. Die Folge: kein Schnee. Und fast kein Wind.
Das wiederum hat große Auswirkungen auf die Luftqualität. In den Großstädten ist es stickig geworden. Verhältnisse wie in Peking, wo man die Luft fast schneiden kann, gibt es zwar noch nicht, aber selbst in Mailand und Rom herrschte über Weihnachten Smogalarm. Auch in München stieg die Stickoxidkonzentration am Sonntag auf über 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und damit deutlich über den Grenzwert von 40 Mikrogramm.
Richtig dicke Luft wird zudem für die Silvesternacht erwartet. Das Umweltbundesamt warnt ironiefrei vor starker Belastung mit Feinstaub. Der nämlich steigt nach Abbrennen des Feuerwerks "explosionsartig an", schreibt die Behörde auf ihrer Homepage. An Neujahr sei die Konzentration vielerorts so hoch wie sonst im ganzen Jahr nicht. Bis zu 4000 Tonnen Feinstaub wird in einer durchschnittlichen Böllernacht in Deutschland freigesetzt. Das sind fast ein Sechstel der Menge, die in einem ganzen Jahr im Straßenverkehr produziert wird. Ohne Wind und Frischluft setzt sich dieser rauchige Dunst über Stunden in Bodennähe fest.
Häuserhohe Wellen im Nordatlantik
Viel Wind wird die Silvesternacht in Deutschland leider nicht bringen. Allerdings stellt sich die Wetterlage zum neuen Jahr grundlegend um. Über dem Atlantik hat sich aktuell ein gewaltiger Orkan gebildet, der das Wetter gehörig durcheinander wirbeln wird. Island, Irland und Großbritannien müssen sich an diesem Mittwoch auf gefährlichen Sturm, Starkregen und Hochwasser einstellen. Der gesamte Nordatlantik verwandelt sich in ein wildes Schlechtwettergebiet mit häuserhohen Wellen. Für große Teile Englands, das noch gegen die Überschwemmungen von Weihnachten kämpft, sind das weitere schlechte Nachrichten.
Bis Deutschland kommt der Orkan allerdings nicht voran. Dafür schaufelt er auf seiner Vorderseite Subtropenluft in einer riesigen Schleife zum Nordpol, während er auf seiner Rückseite die Kälte vom Pol nach Ostkanada vertreibt. Grund für diese gewaltige Umverteilung ist der Höhenwind, der über der Nordhalbkugel derzeit große Schleifen zieht. Dadurch prallen extreme Luftmassen aufeinander mit krassen Temperaturunterschieden, die unter anderem in den USA die jüngste Tornadoserie ausgelöst haben.
Ähnlich groß sind die Unterschiede jetzt auch in Europa: Über Osteuropa lauert frostige Luft, die wohl zum Wochenende hin in den Nordosten Deutschlands einsickert. Im Südwesten bleibt es hingegen warm. Das Thema Wetter dürfte auch 2016 spannend bleiben.