Süddeutsche Zeitung

Aprilwetter:Der verflixte vierte Monat

Das sprichwörtliche Aprilwetter lässt in diesem Jahr nichts aus, Schnee und Sonne wechseln sich ab. Eigentlich nichts Ungewöhnliches - und doch ist dieser April überraschend.

Von Marlene Weiß

Der Blick aus dem Fenster hält dieser Tage gerade im Süden des Landes und in etwas höheren Lagen so manche Überraschung bereit. Mal ist laues Frühlingswetter, mal gibt es eine geschlossene Schneedecke, gerne auch beides an einem Tag, dazwischen Hagel- oder Graupelschauer, Sturmböen und plötzliche Sommerwärme. Klar, Aprilwetter. Aber ist das noch normal?

Auf diese Frage gibt es eine kurze und eine längere Antwort. Die kurze: ja. "Wir haben in diesem Jahr einen ganz normalen April, auch wenn das vielen überraschend erscheint", sagt Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Ungewöhnlich sei vielmehr so mancher April in den vergangenen Jahren gewesen: viel zu heiß, viel zu trocken. Von den zehn wärmsten je in Deutschland gemessenen Aprilmonaten verteilen sich laut DWD-Statistik allein fünf auf die Jahre seit 2007. In diese Zeit fällt zudem nur ein einziger April mit ungewöhnlich viel Niederschlag, alle anderen waren im langjährigen Vergleich entweder zu trocken oder viel zu trocken.

Womit man schon bei der längeren Antwort wäre. Im Vergleich zur internationalen Referenzperiode von 1961 bis 1990 ist der April 2021 zwar bislang nur geringfügig zu kühl, was sich bis zum Monatsende durchaus auch noch ausgleichen kann. Aber im Vergleich zu den Frühlingsmonaten der stark vom Klimawandel geprägten vergangenen Jahre ist das eben tatsächlich schon überraschend - was nur zeigt, wie sehr Wärme und Trockenheit bereits zum neuen Normalzustand geworden sind.

Aber auch wenn zuletzt so mancher April eher stabiles Maiwetter brachte, an sich ist und bleibt der April im Jahresverlauf ein Monat mit besten Chancen auf wechselhafte Verhältnisse. Das liegt vor allem daran, dass die globalen Temperaturkontraste um diese Zeit extrem sind. Während es von den Tropen bis zum Mittelmeerraum bereits recht warm bis heiß ist, ist in der Arktis eben erst die Polarnacht zu Ende gegangen, die Region ist um diese Zeit noch entsprechend kalt. Das Meereis rund um den Nordpol, auch wenn es durch die Aufheizung der Erde stark geschrumpft ist, erreicht erst Mitte März seine maximale Ausdehnung und geht normalerweise erst im Verlauf des Aprils zurück.

Tiefs im Westen bringen warme Luft aus Süden, Tiefs im Osten kalte aus der Arktis

Die große Temperaturdifferenz zwischen Norden und Süden treibt typischerweise ein wildes Wettergeschehen an. Zwischen den Klimazonen entstehen starke Tiefdruckgebiete, die vom Atlantik über Europa schnell Richtung Norden ziehen. Je nachdem, ob man sich östlich oder westlich von diesen Gebieten befindet, fällt das Wetter unterschiedlich aus. Da sich Tiefs auf der Nordhalbkugel gegen den Uhrzeigersinn drehen, kurbelt ein westlich vom Beobachter gelegenes Tief warme Luft aus dem Süden heran - das war vor Ostern der Fall, als in Deutschland warmes, sommerliches Wetter vorherrschte. Nach Ostern dagegen brachte das nordöstlich gelegene Skandinavientief Ulli kalte Polarluft und Schneeschauer nach Deutschland.

Hinzu kommt ein weiterer Temperaturgegensatz: Während die Sonne schon recht hoch klettert und die Luft am Boden zum Nachmittag hin bereits stark aufheizen kann, kann es in großer Höhe im April noch sehr kalt sein. Man spricht von einer "labilen Schichtung": Eine Blase aus warmer Luft, die sich am Boden erwärmt hat und deshalb aufsteigt, kühlt dabei zwar etwas ab, aber ist immer noch wärmer als ihre Umgebung, so dass sie weiter Auftrieb erhält. Feuchtigkeit kondensiert und heftige, kurze Niederschläge können die Folge sein. Wenige Zeit später kann der Himmel dann schon wieder blau sein - Aprilwetter eben.

Vorerst dürfte es beim eher kühlen, unbeständigen Wetter mit immer wieder Regen-, Schnee- und Graupelschauern bleiben. Sonniges Wetter wird nur vorübergehend erwartet.

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