Süddeutsche Zeitung

Werbepsychologie:Von wegen Sex sells

Nackte Haut gehört zur Standardausstattung in der Werbung. Sex sells, heißt es schließlich. Aber stimmt das überhaupt?

Von Sebastian Herrmann

Wenn Werbern Ideen fehlen, so wirkt es oft, dann stellen sie eine sehr schöne, mindestens halb nackte Frau oder einen sehr schönen, mindestens halb nackten Mann neben das Produkt - und fertig ist die Anzeige. Sex sells, heißt es schließlich. Offenbar wirkt diese Art der Werbung jedoch nicht besonders gut oder ist sogar kontraproduktiv, wie Wissenschaftler um John Wirtz von der University of Illinois in Urbana-Champaign in der Fachzeitschrift International Journal of Advertising berichten.

Für ihre Meta-Analyse werteten die Forscher insgesamt 78 Studien mit beinahe 18 000 Teilnehmern neu aus. Nackte Haut oder eindeutige sexuelle Anspielungen in einer Werbung erzeugen zumindest Aufmerksamkeit, so die Autoren. Solche Anzeigen werden nämlich leichter wiedererkannt oder sogar aktiv erinnert, ergab die Auswertung der Daten. Auf die werbende Marke zeigten sexualisierten Werbekampagnen hingegen keinen Effekt - die Wiederkennung eines Labels verbesserte sich dadurch nicht. Die Leute merken sich also eine Anzeige oder einen Spot, aber nicht das Produkt beziehungsweise die Firma dahinter. Nackte Haut in Anzeigen wirkte sich zudem kaum darauf aus, wie das Publikum diese Werbung bewertete. Die Forscher fanden in diesem Zusammenhang lediglich einen Effekt: Männer finden Anzeigen mit aufreizenden Modells besser als Frauen. Sexualisierte Werbekampagnen beschädigen dennoch das Image der Firmen - wenn auch nur minimal. Wirtz und seine Kollegen identifizierten einen kleinen negativen Effekt solcher Anzeigen auf die Bewertung der beworbenen Marken. Auf die Kaufabsicht hatten Kampagnen mit nackter Haut keine Auswirkungen. Also, sex sells? Eher nicht.

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Quelle:
SZ vom 27.06.2017
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