Weltweite Lebensmittelkrise:"Familienplanung ist dringend nötig"

Die Geschäftsführerin der Entwicklungshilfeorganisation DSW, Renate Bähr, über die Hungerkrise und die Gefahren der wachsenden Weltbevölkerung.

Judith Raupp

Renate Bähr ist Geschäftsführerin der Entwicklungshilfeorganisation Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW). Sie warnt, dass sich die Hungerkrise deutlich verschärfen werde, wenn die Weltbevölkerung weiter so schnell wächst wie bisher. Die Vereinten Nationen schätzen, dass bis 2050 neun Milliarden Menschen auf der Erde leben. Derzeit sind es 6,7 Milliarden.

Weltweite Lebensmittelkrise: Renate Bähr, Deutsche Stiftung Weltbevölkerung, fordert Familienplanung zur Bekämpfung der Hungerkrise

Renate Bähr, Deutsche Stiftung Weltbevölkerung, fordert Familienplanung zur Bekämpfung der Hungerkrise

(Foto: Foto: oh)

SZ: Frau Bähr, gibt es zu wenig zu essen für die Menschheit oder ist die Nahrung nur falsch verteilt?

Bähr: Die weltweite Nahrungsmittelproduktion würde im Moment sicherlich ausreichen, um die Bevölkerung zu ernähren. Das Problem ist aber, dass gerade die Menschen in den armen Ländern keinen Zugang zu Nahrung und zu lebenswichtigen Ressourcen haben. Besonders betroffen ist Afrika. Dort wird sich die Situation verschlimmern, wenn wir nicht gegensteuern. Die Bevölkerung wird dort von jetzt 950 Millionen Menschen auf 1,9 Milliarden bis zur Mitte des Jahrhunderts wachsen. Das bedeutet, dass die Familien immer größer werden und mit dem Ertrag der Felder immer mehr Menschen ernährt werden müssen. Wenn wir es schaffen würden, das Bevölkerungswachstum zu verlangsamen, wäre das ein entscheidender Beitrag zur Ernährungssicherheit.

SZ: Aber man kann die Menschen nicht zwingen, weniger Kinder zu bekommen. Außerdem kann die Produktivität in der Landwirtschaft noch gesteigert werden.

Bähr: Das ist richtig. Aber der Produktivitätsanstieg hat Grenzen. Familienplanung ist trotzdem nötig. Die DSW ist aber gegen Zwang. Weltweit können 200 Millionen Frauen nicht verhüten, die eigentlich verhüten wollen. Das liegt daran, dass es in ihren Ländern zu wenige Verhütungsmittel gibt oder die Informationen über Familienplanung nicht ausreichen. Wenn alle Frauen, die freiwillig die Zahl ihrer Kinder beschränken wollen, die Chance dazu hätten, würde sich das Bevölkerungswachstum um ein Fünftel verringern.

SZ: Weshalb geschieht nichts?

Bähr: Das liegt an einer Mischung aus Gleichgültigkeit und Verschiebung der Prioritäten. 1995 wurden noch 55 Prozent der Entwicklungshilfe für Gesundheits- und Bevölkerungsprogramme in die Familienplanung gesteckt. Jetzt sind es nur noch neun Prozent. Ein großer Teil der Hilfe wurde umgeschichtet, um Aids zu bekämpfen. Wenn man die Zahl der Armen und Hungernden bis 2015 halbieren, also die UN-Millenniumsziele erreichen will, muss man dringend in Familienplanung investieren. Es reicht aber nicht, nur das Bevölkerungswachstum zu verringern. Die Menschen müssen lernen, Ressourcen zu schonen. Wenn alle so leben würden wie wir in Deutschland, wäre die Welt schon am Ende.

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