Weltraumschrott ohne Haftung:Gesetze für den Orbit

Eine halbe Million Trümmerteile kreisen um die Erde. Bisher konnten sich die Raumfahrtnationen um die Verantwortung drücken - Weltraumrechtler wollen das nun ändern.

Alexander Stirn

So richtig leer ist es selbst im Weltall nicht mehr: Etwa eine halbe Million Trümmerteile umkreisen mittlerweile die Erde.

Weltraumschrott, Nasa

Dieser an die 70 Kilogramm schwere Titan-Motor landete 2001 in Saudi Arabien, etwa 240 Kilometer von Riad entfernt. Er gehörte zu einer Delta-II-Rakete, die GPS-Satelliten ins All transportierte.

(Foto: Foto: Nasa)

Sie stammen von ausgebrannten Raketenstufen, nutzlosen Satelliten, vor allem aber von Kollisionen zwischen den unterschiedlichen Objekten. Technisch und wissenschaftlich ist das Problem seit langem erkannt:

Die größten Trümmer werden überwacht, an Ideen, den Schrott wieder loszuwerden, wird intensiv geforscht. Juristisch ist der Müll aber noch immer unbehelligt: Niemand haftet für ihn, niemand muss sich um seine Vermeidung kümmern. Weltraumrechtler wollen das nun ändern.

"Als die völkerrechtlichen Verträge rund ums Weltall geschlossen wurden, hat man an Weltraumschrott einfach nicht gedacht", sagt Stephan Hobe, Direktor des Instituts für Luft- und Weltraumrecht an der Universität Köln. "Da muss man ganz neu anfangen."

Mehr als zwei Dutzend Techniker, Ingenieure, Astrophysiker und Juristen haben sich deshalb vergangene Woche in Köln getroffen, um das Thema zu diskutieren. Und um einen dringenden Appell an die Staatengemeinschaft zu richten.

Die zeigte bislang wenig Interesse an einer Regelung. Ohne rechtliche Grundlage, so die kühle Kalkulation der Weltraumnationen, können sie auch nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Schrott ist kein "Weltraumobjekt"

Zwar ist ein Staat nach dem Weltraumhaftungsübereinkommen aus dem Jahr 1972 für Unfälle verantwortlich, die seine Weltraumobjekte im All, in der Luft oder auf der Erde anrichten. Nach gängiger juristischer Meinung fällt Schrott allerdings nicht unter diese Definition.

Ihm fehlt die Funktion, die ein "Weltraumobjekt" laut Vertrag erfüllen muss. Zudem ist es oftmals nicht möglich, ein kleines Trümmerteil, das mit 28.000 Kilometern pro Stunde um die Erde rast und einen Satelliten beschädigt, eindeutig einem Staat zuzuordnen.

"Viel sinnvoller könnte es daher sein, für die Kompensation solcher Unfälle einen Fonds einzurichten", sagt Hobe. In diesen Topf müssten alle Staaten einzahlen, die Raumfahrzeuge starten und so das Risiko im Orbit erhöhen.

Während sich die großen Raumfahrtnationen einerseits um die Verantwortung drücken wollen, leiden sie gleichzeitig am meisten unter der Kollisionsgefahr. In Köln setzten einige Wissenschaftler daher auf den Sieg der Vernunft:

Angesichts des immer größer werdenden Problems würden sich die Staaten irgendwann freiwillig einer wirksamen Regulierung unterwerfen. "Ich bin da skeptischer", sagt Stephan Hobe.

Der Weltraumrechtler denkt eher an finanzielle Anreize für Staaten, die sich einer juristischen Regulierung des orbitalen Mülls unterwerfen - ähnlich wie beim Klimaschutz, wo Verschmutzungszertifikate und Emissionshandel auch das Schlimmste verhindern sollen "Das Umweltrecht hat uns gelehrt, dass nur etwas passiert, wenn es mit ökonomischen Interessen verknüpft ist", sagt Hobe.

Wie so etwas verbindlich umgesetzt werden könnte, ist allerdings noch offen: Die Juristen, die sich nach einer Konferenz in Montreal im vergangenen Jahr nun zum zweiten Mal mit dem Thema auseinandergesetzt haben, stehen vor einem grundlegenden Problem.

Anders als zu Beginn der Raumfahrt wollen sich die Weltraumnationen heute nicht mehr völkerrechtlich binden. Sie akzeptieren allenfalls weiche Vereinbarungen, die nicht über die Wirkung einer UN-Resolution hinausgehen.

"Das wichtige Problem des Weltraumschrotts wieder zu etwas rechtlich Unverbindlichem zu machen, hielte ich aber für fatal", sagt Hobe. "Vielmehr ist die Zeit reif, jetzt endlich an ein wirksames Rechtsinstrument zu denken."

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