Weltbienentag:So viel mehr als Honig

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Bis zu 500 Milliarden Euro sind die Lebensmittel wert, die es ohne Bienen nicht gäbe. Ihr Rückgang ist damit wirtschaftlich fatal - und eine Umweltkatastrophe. Ein Überblick zum Weltbienentag.

Die gute Nachricht lautet: Der Honigbiene geht es fantastisch. Laut den Angaben der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen hat sich die Zahl der Bienenstöcke weltweit seit den Sechzigerjahren nahezu verdoppelt. Selbst in Deutschland, wo der Bestand im selben Zeitraum deutlich zurückging, gibt es einen leicht positiven Trend. Leider ist der ziemlich egal, wenn es um das weltweite Bienensterben geht - und die fatalen Auswirkungen, die es haben wird

Denn die schlechte Nachricht lautet: Honigbienen sind Nutztiere, werden also von Menschen gezüchtet, gehalten und gepflegt - solange der Mensch ein wirtschaftliches oder (siehe Hobby-Imker) privates Interesse daran hat. Und zumindest aktuell hat er das eben, sorgt sich also auch um den Bestand. Bei der Frage des Bienensterbens und seiner Folge sind deshalb auch und vor allem Wildbienen entscheidend.

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Und bei denen sieht es derart finster aus, dass die Vereinten Nationen im Dezember 2017 den 20. Mai 2018 zum ersten Weltbienentag ausgerufen haben. 115 Mitgliedstaaten, darunter alle Länder der EU, die USA, Kanada, China, Russland, Indien, Brasilien und Australien stimmten zu. Fakten zu Bedeutung und Bedrohung einer extrem wichtigen Tierart:

Wie dramatisch ist das Bienensterben?

Naturschützer warnen, dass bereits jede dritte Wildbienenart in Deutschland gefährdet oder vom Aussterben bedroht ist. In Europa ist laut Internationaler Naturschutzunion IUCN ungefähr jede zehnte Wildbienenart beinah ausgerottet. Bei mehr als der Hälfte der Arten gibt es keine verlässlichen Daten zu den Beständen.

Noch dramatischer ist der Rückgang der Population bei anderen Insekten, die zu größeren Teilen ebenfalls Pflanzen bestäuben - neben Bienen vor allem Hummeln und Schmetterlinge sowie einige Mücken, Thripse, Fliegen und Käfer. Nach Schätzungen sind 40 Prozent von ihnen und immerhin noch 17 Prozent der bestäubenden Wirbeltiere vom Aussterben bedroht. Eine langjährige Untersuchung, deren Ergebnisse 2017 vorgestellte wurde, zeigte: In Deutschland ist die Masse alle Insekten seit 1989 dramatisch geschrumpft. An 63 Orten im Bundesgebiet verzeichneten Forscher einen Rückgang um durchschnittlich 76 Prozent. Besorgniserregendes Detail: Gemessen war nur in Naturschutzgebieten worden.

Warum sollte mich das interessieren?

Weil die Tiere für die Produktion vieler pflanzlicher Lebensmittel unverzichtbar sind. Und damit auch eine immense wirtschaftliche Bedeutung haben. Etwa 90 Prozent der Wild- und 75 Prozent der Kulturpflanzen sind auf die bestäubenden Insekten angewiesen. Der Biodiversitätsrat IPBES schätzt, dass die Lebensmittel, die es ohne Bienen, Schmetterlinge oder Mücken nicht gäbe, weltweit 213 bis 523 Milliarden Euro pro Jahr wert sind.

Ein Discounter in Hannover-Langenhagen hat jüngst gezeigt, wie es in den Regalen ohne die Arbeit der Insekten aussähe: Ungefähr 60 Prozent des Sortiments fehlten - etwa 1600 von 2500 Produkten. Ohne Insekten also keine Äpfel, keine Zitronen, Zucchini, Auberginen, Zwiebeln, Karotten, Mangos, Lauch. Aber auch: kein Kaffee, Kakao, keine Schokolade, Fertiggerichte, Tiefkühlkost und Säfte. Selbst viele Pflegeprodukte und sogar Weingummi fielen weg. Wobei die Auswirkungen zumindest in der Produktion von Land zu Land stark variieren. In Deutschland hängen weniger als 2,5 Prozent der Erträge von Bestäubern ab, in anderen Ländern sind es bis zu 25 Prozent.

Was sind die Gründe für das Bienen- und Insektensterben?

Über die Gründe herrscht weitgehend Uneinigkeit. Als Hauptverantwortliche gelten abwechselnd: große Felder und Monokulturen in der Landwirtschaft, Zerstörung der natürlichen Lebensräume durch die Ausbreitung von Städten, fehlende Nahrungsgrundlagen, der Klimawandel sowie die Ende der Siebzigerjahre aus Asien eingeschleppte Varroamilbe (bei Honigbienen). Umweltschützer machen auch Pestizide wie Glyphosat verantwortlich.

Experten empfehlen deshalb unter anderem, unbestellte Flächen zu erhalten und zu einem Netzwerk von Rückzugsräumen auszubauen, auf Bauernhöfen eine größere Vielfalt von Feldfrüchten zu pflanzen und ökologische Landwirtschaft zu betreiben.

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(Foto: Fauna Press/BIOSPHOTO)

Die Hosenbiene: Dass die Weibchen von Dasypoda hirtipes aussehen, als hätten sie Hosen an, liegt an ihren extrem langen Haaren an den Hinterbeinen. Mit diesen "Bürsten" können sie mehr als 40 Milligramm Pollen transportieren. Sie graben einen senkrechten Gang in den Boden, von dem aus auf mehreren Ebenen Brutzellen abgehen. Pro Tag bauen sie eine davon. Wenn sie damit nicht fertig werden, fangen sie am Tag darauf eine neue an.

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(Foto: Manfred Ruckszio/imago)

Die Blauschwarze Holzbiene (Xylocopa violacea) ist mit einer Länge von bis zu 25 Millimetern die größte Wildbiene Deutschlands. Die Männchen suchen schon im Februar oder März nach einem Weibchen, mit dem sie sich paaren. Kurz darauf legen die Bienen einen Nistplatz in morschen Bäumen oder Zaunpfählen an. In stundenlanger Arbeit nagen die Weibchen fingerdicke Gänge ins Holz, in die sie dann ihre Eier legen.

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(Foto: Manfred Ruckszio/imago)

Die Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris) ist eine der wenigen sozial lebenden Wildbienen. Sie wird auch kommerziell gezüchtet und spielt eine wichtige Rolle bei der Bestäubung von Tomaten in Gewächshäusern. Dabei werden jeweils vollständige Hummelnester ausgesetzt. In Südamerika gilt die Erdhummel, die 1998 zur Gewächshaus-Bestäubung nach Chile eingeführt wurde, als invasive Art, die heimische Hummeln verdrängt.

Die Wollbiene

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(Foto: Michael & Mandy Fritzsche)

Anthidium manicatum ist eine der aggressivsten Wildbienen. Die Männchen der Garten-Wollbiene besetzen ein Revier, in dem ihre bevorzugten Pflanzen wachsen, zum Beispiel Ziest. Während die Weibchen Pollen, Nektar und Pflanzenwolle für ihr Nest sammeln, schiebt das Männchen Wache. Nähern sich andere Insekten wie Hummeln, greift es sofort an und attackiert den Gegner mit seinen beiden Dornen am Hinterleib.

Die Schneckenhausbiene

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(Foto: Fauna Press/BIOSPHOTO)

Warum mühsam ein Nest bauen, wenn es Fertighäuser gibt? Die zweifarbige Schneckenhaus-Mauerbiene Osmia bicolor nutzt leere Schneckenhäuser zum Übernachten und als sicheren Ort für ihre Eier. Trotzdem hat sie noch viel Arbeit: Nachdem sie Vorräte im Schneckenhaus deponiert hat, beklebt sie es zur Tarnung mit einem Gemisch aus Blattstücken und Speichel und sperrt ab, indem sie den Eingang mit Steinchen verschließt. Dann dreht sie das Haus, bis es mit der Öffnung schräg nach unten liegt, damit kein Regen eindringt.

Die Sandbiene

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(Foto: Alamy/mauritius images)

Wie ihr Name schon vermuten lässt, braucht die Zaunrüben-Sandbiene (Andrena florea) zwei Dinge zum Überleben: Zaunrüben, krautige Kletterpflanzen, an denen sie den Proviant für ihren Nachwuchs sammelt und sandige Böden, in die sie ihre Nester gräbt. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, hat das stark spezialisierte Insekt keine Chance. Dafür graben an geeigneten Stellen oft gleich mehrere Bienenweibchen nebeneinander ihre Nester.

Die Maskenbiene

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(Foto: Michael & Mandy Fritzsche)

Warum Maskenbienen so heißen, ist bei Hylaeus signatus offensichtlich. Bei vielen Arten ist die Gesichtsmaske der Männchen deutlicher als die der Weibchen. Im Unterschied zu den meisten ihrer Verwandten können Maskenbienen die gesammelten Pollen nicht an ihrem Körper transportieren. Die Insekten verschlucken den Blütenstaub deshalb und transportieren ihn in ihrem Kropf. Im Nest angekommen würgen sie ihn dann gemeinsam mit dem Nektar wieder hervor.

Die Furchenbiene

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(Foto: Michael & Mandy Fritzsche)

Die Gelbbindige Furchenbiene Halictus scabiosae liebt es warm und kommt daher nur im Süden Deutschlands vor. Mit einer Größe von bis zu 14 Millimetern ist sie eine auffällige Erscheinung. Mehrere Weibchen überwintern gemeinsam in einem Nest. Doch nur eine von ihnen legt im Frühjahr Eier. Die anderen helfen ihr, die Larven zu versorgen. Bevor der Nachwuchs schlüpft, vertreibt die Mutter ihre Helferinnen. Sie gründen dann eigene Nester, um die sie sich aber ganz alleine kümmern müssen.

Die Mauerbiene

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(Foto: imago/imagebroker)

Die Rostrote Mauerbiene (Osmia bicornis) ist relativ häufig. Das liegt auch daran, dass ihr so gut wie jeder Hohlraum als Nistplatz recht ist. Nester dieser Biene wurden schon in Türschlössern, einer Patronenhülse, einer Flöte und in den Falten zusammengeklappter Sonnenschirme entdeckt. Wegen ihrer dichten langen Behaarung und der gedrungenen Körperform wird Osmia bicornis oft mit einer Hummel verwechselt.

Die Blutbiene

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(Foto: Michael & Mandy Fritzsche)

Blutbienen wie Sphecodes albilabris sind die Kuckucke in der Welt der Wildbienen. Sie bauen keine eigenen Nester, sondern nutzen einen unbeobachteten Moment, etwa wenn die Besitzerin auf Pollensuche ist, um ihre Eier in fremden Nestern zu platzieren. Liegt bereits ein Ei darin, frisst die Auen-Blutbiene es auf. Ihre Larven ernähren sich dann von den Vorräten, die die Besitzerin eigentlich für ihren eigenen Nachwuchs gesammelt hat.

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(Foto: Michael & Mandy Fritzsche)

Wer eine Biene mit einem gebogenen Blatt durch die Luft reiten und dann in einem Blumentopf verschwinden sieht, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Garten-Blattschneiderbiene (Megachile willughbiella) vor sich. Die Insekten sind auch als "Tapezierbienen" bekannt, weil sie kleine Stückchen aus Blättern ausschneiden und ihr Nest damit auskleiden. Dieses legen sie in morschem Holz oder eben in Wurzelballen an.

Die Löcherbiene

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(Foto: Manfred Ruckszio/ddp images)

Löcherbienen sind die Hausbesetzer unter den Wildbienen. Die nur sechs bis acht Millimeter kleinen Insekten ziehen gerne in die verlassenen Wohnungen anderer Tiere ein. Dabei sind sie wenig wählerisch und fühlen sich sowohl in totem Holz als auch in hohlen Pflanzenstengeln wohl - besonders in denen von Brombeeren. Auch vom Menschen aufgestellte Nisthilfen werden gern in Besitz genommen.

Als erwiesen gilt dagegen, dass drei Stoffe aus der Gruppe der sogenannten Neonikotinoide Bienen schädigen können. Die EU-Kommission hat deshalb vor wenigen Tagen den Freilandeinsatz von drei von ihnen beschlossen. 16 von 28 EU-Staaten stimmten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Nahrungsmittel und Futter in Brüssel für das Verbot. Vier Staaten waren dagegen, der Rest enthielt sich. Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Österreich unterstützten das Verbot.

Die von Bayer hergestellten Pestizide Imidacloprid und Clothianidin sowie Thiamethoxam (Syngenta) dürften nun europaweit nicht mehr im Freien eingesetzt werden. Die Regulierung soll noch in diesem Jahr in Kraft treten.

Und was bringt der Weltbienentag da?

Zunächst mal natürlich vor allem Aufmerksamkeit - und Politiker-Zitate. Die Grünen forderten etwa gerade 500 Millionen Euro für ein Bienenschutzprogramm. Es brauche mehr Lebensräume für Bienen in Form von Blühwiesen, Auen und Wildfruchthecken, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der Bild am Sonntag. Wildnisgebiete sollten auf zwei Prozent der Landesfläche ausgeweitet werden.

Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) will ein "Aktionsprogramm Insektenschutz", damit Lebensräume für Wildbienen und andere Insekten geschaffen würden, wie sie der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte. "Aufgeräumte Gärten ohne einheimische Pflanzenarten oder Äcker voller Insektizide sind da keine Hilfe."

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) betonte, ebenfalls gegenüber der NOZ, ihr Ressort investiere pro Jahr drei Millionen Euro in Forschung und Kampagnen zum Bienenschutz. Das Bundeslandwirtschaftsministerium arbeite zudem an einer umfangreichen Ackerbaustrategie für Deutschland, sagte die Ministerin: "Das bedeutet beispielsweise mehr Blühstreifen auf Ackerflächen, aber auch die Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln."

Kann jeder privat etwas tun, um Bienen zu schützen?

Natürlich. Zu den banaleren Schritten gehört: Bioprodukte kaufen, da bei deren Anbau auf Pestizide und Neonikotinoide verzichtet wird. Außerdem achten Biobauern beim Anbau auf die Fruchtfolge. Das heißt, sie säen zwischendrin Klee oder andere Zwischensaaten, um den Boden wieder mit Nährstoffen zu versorgen. Deren Blüten sind wiederum Futter für die Insekten. Weidehaltung ist ebenfalls besser für Insekten, also: Besser Fleisch aus Freilandhaltung essen. Und Apfelsaft von Streuobstwiesen trinken.

Wer Platz hat (also jeder, weil ein Fensterbrett schon reicht) kann Pflanzen anbauen, die besonders viel Nektar enthalten. Beispiele: Oregano, Salbei oder Thymian. Aber es gibt auch viele Blumen, die den Bienen nützen: ungefüllte Rosen, wilder Wein, Maiglöckchen, Malve, Sonnenblumen, Astern und Herbstanemonen funktionieren gut.

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