Energiewende:Experten raten von Wasserstoff im Pkw-Verkehr ab

Wasserstofftankstelle in Sachsen-Anhalt

Mit Hilfe von Wasserstoff will sich die Industrie dekarbonisieren. Doch auch hier ist ein Mangel zu spüren: Das Element kommt zwar natürlich vor, aber nicht in einer ausreichenden Masse.

(Foto: Peter Gercke/picture alliance/dpa)

Grüner Wasserstoff soll eine Schlüsselrolle für den Klimaschutz spielen. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) warnt nun aber davor, den Energieträger zu überschätzen.

Von Christoph von Eichhorn

Die EU-Kommission hält ihn für "essenziell", damit Europa bis 2050 CO₂-neutral wird: Wasserstoff ist für eine klimafreundliche Welt wohl unabdingbar. In einem umfassenden Bericht zeichnet der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), der die Bundesregierung berät, nun aber ein differenziertes Bild des Energieträgers. Dieser könne zwar ein wichtiger Baustein für das Ziel der Treibhausgasneutralität sein - allerdings nur, "wo es keine effizienteren Optionen für Klimaschutz gibt". In Autos oder Gebäudeheizungen sei der Einsatz dagegen unsinnig.

Warum ist Wasserstoff so wichtig?

Wasserstoff (H₂) ist das leichteste Element des Universums und ein ziemlich universeller Energieträger: In einer Brennstoffzelle reagiert er mit Sauerstoff und erzeugt Strom, um beispielsweise einen Elektromotor anzutreiben. Als Abfallprodukte entstehen dabei keine Treibhausgase, sondern nur Wasser und Abwärme. Er kann auch direkt verbrannt werden, etwa in industriellen Hochöfen, ohne dass dabei CO₂ frei wird. Damit stellt er eine potenziell klimafreundliche Alternative zu fossilen Brennstoffen wie Erdöl oder Erdgas dar. Er ist aber auch ein wichtiger Grundstoff in der chemischen Industrie, etwa um Ammoniak herzustellen. Wenn Wasserstoff mithilfe von erneuerbaren Energien erzeugt wird, fallen keine oder nur geringe Treibhausgase an.

Wie lässt sich der Energieträger erzeugen?

Schwarz, blau, türkis, grau, grün, pink: Mittlerweile braucht es eine ganze Farbpalette, um die einzelnen Verfahren zur Wasserstoffproduktion zu unterscheiden. Wasserstoffland ist Deutschland schon jetzt, die Bundesrepublik verbraucht jährlich rund 1,65 Millionen Tonnen pro Jahr, zumeist in der chemischen Industrie oder als Kühlmittel. Allerdings werden rund 99 Prozent davon aus Erdgas gewonnen, man spricht dann von grauem Wasserstoff. Klimaneutral ist nur grüner Wasserstoff, der mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien wie Windkraft oder Photovoltaik erzeugt wird, hebt der SRU hervor. Wasser wird dabei mithilfe dieses Stroms elektrolytisch in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Eine Absage wollen die Experten hingegen der blauen Variante erteilen, Wasserstoff aus fossilen Quellen, wobei die CO₂-Emissionen abgeschieden und unterirdisch gespeichert werden ("Carbon Capture and Storage", CCS). Dies verursache jedoch ebenfalls "signifikante Treibhausgasemissionen", etwa bei der Erdgasförderung oder beim Transport. Zudem müssten für blauen Wasserstoff eigene Infrastrukturen aufgebaut werden, die mit grünem Wasserstoff konkurrieren und diesen weniger attraktiv machen könnten, befürchten die Autoren. Hier drohten "Pfadabhängigkeiten und Fehlinvestitionen". Wasserstoff aus fossilen Quellen zu erzeugen, berge außerdem die Gefahr, den Abschied von Erdgas und Erdöl unnötig hinauszuzögern.

Weitere Erzeugungsarten dürften dagegen eher eine Nischenrolle spielen oder sind noch in einem sehr frühen Stadium: Bei der Herstellung von türkisem Wasserstoff entsteht als Nebenprodukt fester Kohlenstoff statt CO₂, pinker Wasserstoff wird aus Atomstrom erzeugt, für schwarzen Wasserstoff ist Kohle der Ausgangsstoff.

Wie umweltfreundlich ist grüner Wasserstoff?

Die Experten des SRU wollen der Farbpalette nun eine weitere hinzufügen: dunkelgrüner Wasserstoff soll nicht nur aus erneuerbaren Energien stammen, sondern auch umwelt- und sozialverträglich sein. Denn um den steigenden Bedarf an grünem Wasserstoff zu decken, ist es nach Einschätzung der Autoren unerlässlich, dass der Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland "massiv beschleunigt" wird. Dies würde sich jedoch "insbesondere über den Bedarf an Flächen und Rohstoffen auf die Umwelt auswirken", warnt der SRU. Um etwa den Verlust von Lebensräumen zu begrenzen, empfehlen die Experten daher, früh Nachhaltigkeitskriterien zu verankern. Elektrolyseure zur Wasserstoffherstellung dürften beispielsweise nicht in Schutzgebieten errichtet werden oder die Trinkwasserversorgung gefährden.

Kann der Bedarf aus heimischen Quellen gedeckt werden?

Der benötigte grüne Wasserstoff kann vermutlich nur zu einem kleinen Teil in Deutschland erzeugt werden. Die Bundesregierung kalkuliert damit, dass heimische Windräder und Solaranlagen bis 2030 maximal 16 Prozent des Bedarfs decken können. Der Rest muss aus Regionen importiert werden, die mehr Sonne und Wind abbekommen als Deutschland oder größere Flächen zur Verfügung haben, etwa Australien und Chile oder nordafrikanische Staaten wie Marokko. In diesen Ländern müsse aber sichergestellt sein, dass die Wasserstofferzeugung nicht neue Umweltprobleme erzeuge oder beispielsweise die Wasserressourcen über Gebühr belaste, so der SRU - die Lösung könnte zertifizierter "dunkelgrüner" Wasserstoff sein.

Wie lässt sich Wasserstoff transportieren?

Für kürzere und mittlere Distanzen bieten sich Pipelines an, die aber häufig erst neu errichtet werden müssten. Auch eine Umwidmung des bestehenden Erdgasnetzes ist denkbar, wenn auch technisch anspruchsvoll. Außerdem lässt sich Wasserstoff komprimieren oder kühlen und verflüssigen, um ihn mit dem Schiff nach Europa zu bringen.

Für welche Einsatzgebiete ist Wasserstoff sinnvoll?

Bei Weitem nicht überall. Erforderlich ist Wasserstoff laut SRU vor allem in der chemischen Industrie und bei der Stahlerzeugung, die immerhin rund sechs Prozent der deutschen Gesamtemissionen ausmacht. Außerdem im internationalen Schiffs- und Flugverkehr, da dieser sich praktisch unmöglich batterieelektrisch antreiben lässt. "Insbesondere bei dezentralen Gebäudeheizungen und im Pkw-Verkehr ist die Nutzung von Wasserstoff jedoch ineffizient und deutlich teurer als eine Elektrifizierung mittels Wärmepumpen", heißt es im SRU-Bericht. Der Grund ist, dass bei der Umwandlung von Strom zu Wasserstoff rund ein Drittel der Energie verloren geht - diesen Nachteil haben E-Autos nicht, außerdem sind die Kosten für Batterien zuletzt stark gefallen. "Die politischen Anstrengungen sollten sich daher auf batterieelektrische Pkw fokussieren und für diese langfristige Planungssicherheit schaffen." Eine Einschätzung, die nicht alle Wasserstoff-Forscher teilen. Zur Erreichung der CO₂-Ziele in der Mobilität würden alle technologischen Lösungen gebraucht, sagt Christopher Hebling, Bereichsleiter Wasserstofftechnologien am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Zumindest für den Schwerlastverkehr und im Schienenverkehr schließen aber auch die SRU-Experten den Einsatz von Brennstoffzellen nicht aus.

Wo steht Deutschland?

Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie hat die Bundesregierung vor rund einem Jahr den politischen Rahmen abgesteckt, rund neun Milliarden Euro Fördergeld soll in den kommenden Jahren in die Technologie fließen, davon allein zwei Milliarden für internationale Partnerschaften. Bis 2030 soll nun der "Markthochlauf" erfolgen: Die heimische Produktion von grünem Wasserstoff soll sich vervielfachen, die Industrie arbeitet an der Serienfertigung von Elektrolyseuren, die bislang meist händisch zusammengeschraubt werden. Vom Export von Anlagen zur Wasserstofferzeugung erhofft sich die Regierung nicht zuletzt auch industriepolitische Impulse und neue Arbeitsplätze.

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