Wasserrucksack für Haiti:"Paul" macht Wasser trinkbar

Die Cholera kann sich auf Haiti nur deshalb so rasend schnell verbreiten, weil die Menschen verunreinigtes Wasser trinken. Abhilfe könnte "Paul" schaffen, eine Erfindung aus Kassel.

Haiti sollte eigentlich Pauls - das steht für Portable Aqua Unit for Lifesaving - erster Einsatz sein: Nach dem Erdbeben im Januar wollten Hilfswerke zwei der tragbaren Wasseraufbereitungsanlagen auf die Karibikinsel fliegen, mit denen ohne großen Aufwand Wasser trinkbar gemacht werden kann.

Wasserrucksack für Haiti: Die Cholera-Erreger werden in erster Linie durch verunreinigte Wasserwege verbreitet. Und sauberes Wasser ist rar auf Haiti.

Die Cholera-Erreger werden in erster Linie durch verunreinigte Wasserwege verbreitet. Und sauberes Wasser ist rar auf Haiti.

(Foto: AP)

Der Transport scheiterte, die zwei Geräte wurden stattdessen in Chile verwendet. Nun sollen in den nächsten Tagen 50 der Wasserrucksäcke nach Haiti gebracht werden, wo bereits mehr als 1000 Menschen an Cholera gestorben sind. Trinkwasserqualität produziere "Paul" nicht, sagt Franz-Bernd Frechen von der Universität Kassel, der das Gerät gemeinsam mit Studenten entwickelt hat. "Aber wir können schlechtes Wasser zu besserem machen."

Das Prinzip ist denkbar einfach: Oben wird verschmutztes Wasser eingefüllt, an einem Hahn weiter unten kann man ein paar Sekunden später sauberes Wasser entnehmen. Paul besteht im Großen und Ganzen aus einem Plastikgehäuse mit Rucksackträgern und einem Membranmodulfilter - "wie ein Kaffeefilter", sagt Frechen, der Professor am Institut für Siedlungswasserwirtschaft in Kassel ist. Die Membrane verfügen über mikroskopisch kleine Öffnungen: Herausgefiltert werden Teile, die größer sind als 40 Nanometer. Cholera-Bakterien beispielsweise haben eine Größe von 300 Nanometern. "Sie kommen da im Prinzip nicht durch", erklärt Frechen.

Weit über 99 Prozent der Krankheitserreger kann Paul auf diese Weise abfangen, "das können wir garantieren", sagt der Forscher, der zehn Jahre lang an dem Projekt gearbeitet hat. Aber Paul ist keine Kläranlage: Giftstoffe kann er nicht herausfiltern. Würden also nach einer Überschwemmung oder einem Erdbeben toxische Stoffe ins Wasser gelangen, versagt das Gerät. "Wir haben nie gesagt, dass Trinkwasserqualität rauskommt. Wir sprechen von trinkbarem Wasser", betont Frechen. "Wir wollen mit einem extrem einfach zu bedienenden Gerät das Bestmögliche tun."

Sauberes Wasser, überall

Pauls Vorteil: Er ist klein und mobil, wiegt nur 20 Kilogramm, kann notfalls zum Einsatzort getragen oder aus einem Hubschrauber abgeworfen werden. Und er ist einfach zu bedienen, auch Analphabeten können das Gerät benutzen: Vier einfache Bilder auf dem Deckel erklären, wie der Wasserrucksack funktioniert - Wasser schöpfen, oben einfüllen, unten entnehmen, trinken. Im Dauerbetrieb ist ein Wasserrucksack in der Lage, pro Tag 1200 Liter Wasser zu filtern. "Ein Gerät kann mehrere hundert Menschen mit sauberem Wasser versorgen", sagt Frechen.

Für große Flüchtlingslager sei es weniger geeignet als für das Hinterland, für Dörfer, die nach einer Naturkatastrophe womöglich von der Außenwelt abgeschottet sind. "Ich möchte nicht das ersetzen, was es ohnehin schon gibt", erklärt der Kasseler Professor hinsichtlich großen Wasseraufbereitungsanlagen, wie sie große Hilfsorganisationen einsetzen. Paul sei als eine Art Soforthilfe gedacht, auch wenn ihn viele Menschen vermutlich monatelang benutzen müssten.

Zurzeit sind knapp 80 Wasserrucksäcke im Einsatz, davon 53 im pakistanischen Hochwassergebiet und 14 in Vietnam. Einzelne Geräte werden in Chile, Bolivien, Taiwan, Kenia oder Indien verwendet. Finanziert werden die Anlagen, die pro Stück rund 1000 Euro kosten, überwiegend aus Spenden. Das Projekt Wasserrucksack wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), dem Bundeswirtschaftsministerium und der hessischen Landesregierung unterstützt.

Die DBU ermöglichte 2006 den Bau von drei Prototypen. Ein zweites DBU-Förderprojekt verhilft Paul jetzt zur Serienreife: Bislang wurde der Wasserrucksack in Räumen der Universität von Studenten zusammengebaut. Diese Arbeit übernehmen nun Menschen mit Behinderung aus der Kasseler Werkstatt. Die großen Hilfsorganisationen verhalten sich zurückhaltend. Das Technische Hilfswerk (THW) beispielsweise findet die Idee grundsätzlich gut, wie ein Sprecher sagt. Aber die Organisation setzt ihre eigenen großen Anlagen ein, die jeweils 6.000 Liter Trinkwasser pro Stunde aufbereiten können. Die Hilfsorganisation Care verwendet Wasserreinigungsmittel, um möglichst viele Menschen erreichen zu können. Frechen geht davon aus, dass bis Ende des Jahres 250 seiner Wasserrucksäcke im Einsatz sein werden. "Die Nachfrage steigt", sagt der Ingenieur.

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