Den eigentlich hemmenden Effekt nennen Psychologen "kognitive Restriktion". In die Sprache des Alltags übersetzt bedeutet das: Wenn gerade jemand spricht, müssen sich die anderen Teilnehmer des Brainstormings darauf konzentrieren, ihre eigene Idee nicht zu vergessen. Und während sie sitzen und auf die Gesprächspause warten, in der sie endlich etwas sagen dürfen, nehmen sie wenig von dem auf, was die anderen beitragen. Forscher wie Stroebe empfehlen deshalb eine modifizierte Version des Brainstormings, zum Beispiel ein "Brainwriting". Hierbei schreibt jeder seine Ideen zum Beispiel in vernetzten Computern auf und macht sie den übrigen Teilnehmern zugänglich. So entstehen keine Pausen, und die Ideen befeuern sich dennoch gegenseitig.
Die Illusion vom fruchtbaren Brainstorming nach dem Rezept Alex Osborns wird sich wohl dennoch halten. Zum einen herrscht in der Regel eine positive Erwartungshaltung gegenüber Gruppenarbeit, die sich in der Wahrnehmung vieler selbst erfüllt. "Und viele Menschen überschätzen einfach den Anteil ihrer eigenen Ideen an dem Resultat einer Gruppe", sagt der Psychologe Stefan Schulz-Hardt von der Universität Göttingen, der Gruppenprozesse erforscht. Das liege daran, dass jeder ein positives Selbstbild aufrechterhalten möchte. Zum anderen dauere ein Brainstorming in der Regel eine Weile und dabei verwische einiges in der Erinnerung. "Während der Diskussion denkt man sich bei Ideen anderer öfter, dass man da auch selber hätte draufkommen können", sagt Schulz-Hardt, "und rückblickend ist man dann der Meinung, man habe tatsächlich selbst diese Einfälle gehabt."
Wohlfühlfaktor Gruppe
Menschen fühlen sich in Gruppen wohl - und dieses Gefühl übertragen sie auf die Arbeit einer Gemeinschaft: "Weil ich mich in der Gruppe gut gefühlt habe, fühlt sich auch das Ergebnis gut an", sagt Schulz-Hardt, "man kann die soziale Ebene und die Leistungsebene nicht mehr auseinanderhalten." Auch Stroebe hat festgestellt, dass ein Brainstorming dem sozialen Klima einer Gruppe guttut - außer in der Gruppe entsteht ein Konflikt über Ideen, was Unzufriedenheit unter den Brainstormern schürt.
Schließlich gilt doch das Osborn-Dogma: "Keine Kritik!" In der reinen Ideenfindungsphase sei das wahrscheinlich förderlich, sagt Schulz-Hardt. "Aber irgendwann müssen die Ideen ausgesiebt und bewertet werden - das geht nicht ohne Kritik." Eine Meinungsverschiedenheit habe also sogar positive Effekte für die Lösungsfindung.
Irgendwie ist das eine komische Sache mit diesem Brainstorming: Die Technik funktioniert nicht besonders gut, trotzdem lieben die Menschen sie. Und vor dem, was tatsächlich wirken würde - individuelle Arbeit sowie Kritik - scheuen sie zurück.