Warschauer Gipfel:Immerhin kein Zurück beim Klimaschutz

Delegates attend closing session of COP19 in Warsaw

Die Verhandlungen beim Klimagipfel in Warschau zogen sich quälend in die Länge

(Foto: REUTERS)

Die Verhandlungen waren quälend lang, am Ende steht eine vage Einigung: Die UN-Klimakonferenz in Warschau hat kaum nennenwerte Ergebnisse gebracht. Der größte Erfolg besteht darin, dass sich Rückschritte abwenden ließen.

Von Michael Bauchmüller

Als alles vorbei ist, sitzt Marcin Korolec erschöpft da. Er hat versagt. "Ich sollte am Freitagabend um sechs fertig sein", sagt der Präsident der Klimakonferenz in Warschau. "Jetzt ist es Samstagabend um halb neun. Tut mir leid."

Soll ein kleiner Witz sein, vom sonst so trockenen Umweltminister Polens. Jener Umweltminister, der von dieser Woche an kein Umweltminister mehr sein wird, weil er mitten in der Konferenz geschasst wurde. "Wir sind alle müde, aber wir sind auch alle froh", sagt Korolec - nach 40 Stunden Verhandlungen ohne Pause.

So viele alte Gräben waren aufgerissen in diesen 40 Stunden, etwa beim Fahrplan für ein neues Klimaabkommen. Tagelang schon war darüber verhandelt worden, er sollte erste Pflöcke für ein neues Abkommen einrammen, zu verabschieden bei der Klimakonferenz 2015 in Paris. Nicht noch einmal soll alles so enden wie einst in Kopenhagen, wo am Ende so viele offene Fragen blieben, dass niemand mehr sie überblicken konnte.

Wo aber Pflöcke eingeschlagen werden, sind die Interessenkonflikte nicht fern. Zwar hatten sich die Staaten schon bei der Konferenz in Durban vor zwei Jahren darauf geeinigt, dass alle, aber auch alle Staaten etwas zum Kampf gegen die Erderwärmung beitragen müssen - doch in Warschau war genau dieser Punkt plötzlich wieder offen. Indien und China pochten auf Regelungen, die vor allem die Industrieländer in die Pflicht nehmen, nicht aber die Schwellenländer. Dabei schien dieser Kampf schon überwunden.

Nicht anders bei der Finanzierung von Klimaschutz. Schon in Kopenhagen hatten die Staaten verabredet, dafür einen eigenen Fonds einzurichten, gefüllt mit jährlich 100 Milliarden Dollar ab 2020 - dann, wenn das neue Abkommen in Kraft treten soll. Vor allem die Industriestaaten sollen ihn füllen, teils öffentliches, teils privates Geld soll dazu fließen. Wie das aber gelingen soll, vor allem: wie viel Verlass auf die Zusage ist, das sollte die Konferenz in Warschau klären. Doch die Industriestaaten drückten sich, wollten noch keine Zahlen auf den Tisch legen. Beides, der Fahrplan und die Finanzen, hätten die Konferenz scheitern lassen können.

"Wir haben die Schlacht verloren", ruft irgendwann am Samstagvormittag der Delegierte von Bangladesch ins Plenum. "Wir sind dabei, die Klimakonvention zu begraben." Und vermutlich hätte auch nicht viel gefehlt. Am Ende sind es, wie so oft auf Klimakonferenzen, die kleinen Nenner, die das Scheitern verhindern: Einen Fahrplan legen die Staaten zwar fest, der aber bleibt relativ grob. Danach sollen die Staaten bis zum Frühjahr 2015 ihre "Beiträge" zum Klimaschutz bekannt geben. Beiträge wohlgemerkt, nicht mehr Zusagen, wie es in früheren Entwürfen hieß.

China und Indien hatten auf die Abschwächung gedrängt. Dafür aber gilt er nun für alle. "Ich hätte mir mehr gewünscht, aber das ist ein Fortschritt", sagte EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard nach Ende der Konferenz. "In der neuen Welt, die wir nach 2020 bauen, müssen alle einen fairen Anteil tragen." Der Erfolg liegt in Warschau schon darin, dass sich Rückschritte abwenden ließen.

Denkbar vage Beschlüsse

Auch beim anderen Streitpunkt, den Finanzen, bleiben die Beschlüsse denkbar vage. Wie konkret sich die 100 Milliarden Dollar nun ansammeln sollen, steht nicht in den Beschlüssen der Konferenz. Immerhin aber ist die Rede von einem kontinuierlichen Aufwuchs der Mittel - auf so wenig Festlegung konnten sich dann auch die Industriestaaten festlegen. "Wir haben hier das Minimum erreicht", sagte Wael Hmaidan, Chef des Klima-Netzwerks Can International. "Aber wir haben, was wir brauchen, um im nächsten Jahr weiter zu verhandeln." Dann nicht mehr im Kohleland Polen, sondern in Lima.

Dabei hätte es um ein Haar doch noch ordentlich Ärger gegeben, und das wegen eines einzigen Wortes. Denn neben Fahrplan und Finanzen sollte Warschau auch ein Signal an diejenigen geben, die schon erste Folgen des Klimawandels zu spüren bekommen, es ist der letzte große Streitpunkt. Er könne ja, sagt der Delegierte von den Fidschi-Inseln, wirklich jedes einzelne Wort der Abmachung akzeptieren. "Bis auf ein Wort: unter." Als hätte die Konferenz noch ein letztes Beispiel für ihre Zähigkeit gebraucht, geht es eine Stunde lang nur um die Frage, ob dieser sogenannte "Warschau-Mechanismus" nun "unter" ein Regime fallen soll, das eigentlich der Anpassung an den Klimawandel gedacht ist.

Bis dahin war allerdings der eigentliche Inhalt des Mechanismus schon wegverhandelt. Im Kern geht es um den sogenannten "loss and damage", also Verlust und Schaden in den Entwicklungsländern - etwa durch verwüstete Ernten oder verloren gegangenes Land. Irgendwie sollen solche Schäden reguliert werden, das hatten die Staaten schon bei der letzten Klimakonferenz ausgemacht - und sich dann um genau ein Jahr vertagt. Nächtelang verhandelten arme und reiche Länder darüber in Warschau. Die armen Länder hofften auf Ausgleich für Schäden, die reichen fürchteten einen Automatismus, der unkalkulierbare Kosten nach sich ziehen könnte.

Weshalb nun zwar der Mechanismus beschlossen ist - nicht aber, wie er funktionieren soll. Und auch für das Wörtchen "unter" fand sich schließlich ein Kompromiss, mit dem selbst Fidschi leben kann. Zumindest sei nun ein erster Einstieg in den neuen Mechanismus geschafft, loben Klimadiplomaten. "Das ist die erste unmittelbare Reaktion auf das, was die Menschen auf den Philippinen erlitten haben", sagte Christiana Figueres, Chefin des UN-Klimasekretariats. Entwicklungsorganisationen sind da anderer Meinung. "Das kann uns angesichts dieser Katastrophe so nicht zufriedenstellen", sagte Thomas Hirsch von Brot für die Welt. Die Konferenz ihrerseits sei ein einziger "Verlust und Schaden".

Zumindest im Waldschutz aber finden sich echte Fortschritte. Schon lange gab es Pläne, Staaten dafür zu belohnen, dass sie Wälder schützen - also auf die Abholzung verzichten. Nun gibt es endlich einen Mechanismus, der diese Kompensation regelt. Auch fanden die Staaten eine Methode, die nationale Klimaschutz-Pläne vergleichbarer macht. Details zwar nur, aber nicht unerheblich, wenn es 2015 tatsächlich darum geht, Zahlen und Ziele auf den Tisch zu legen.

Ein Gipfel im kommenden September könnte dafür schon erste Weichen stellen. Dann trommelt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon Staats- und Regierungschefs zu einem Sondertreffen zum Klima zusammen. Rechtzeitig vor dem Klimagipfel in Paris sollen sie dort erste Zusagen für ein neues Klimaabkommen abgeben. "Wir haben große Hoffnung, dass sie dort schon ihre Angebote für 2015 vorlegen", sagt Liz Gallagher vom Londoner Umwelt-Thinktank E3G. Zugleich habe sich in Warschau aber auch gezeigt, dass Staaten wie Australien, Indien, Brasilien und China in den Verhandlungen auf Zeit spielen. "Je näher 2015 rückt", sagt Gallagher, "desto mehr spüren sie, dass es hier um ihre handfeste Interessen geht."

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