Süddeutsche Zeitung

Walfang:So steht es um die Riesen der Ozeane

  • Das Walfangmoratorium von 1986 verbietet die kommerzielle Jagd auf 13 Großwalarten wie Blauwale, Buckelwale, Finnwale und Zwergwale.
  • Einige der Populationen haben sich seitdem merklich erholt.
  • Staaten wie Japan, Island und Norwegen wollen daher die Jagd auf Wale wieder ausweiten - sie sind aber mit einem entsprechenden Vorhaben auf der diesjährigen Tagung der Internationalen Walfang-Kommission gescheitert.
  • Noch immer liegen die Walbestände weit unter dem Niveau vor der Bejagung.

Von Sandra Sperling

Worum wurde auf der IWC-Konferenz gestritten?

Dieses Jahr ist Japan mit seinem Vorhaben, den kommerziellen Walfang auszuweiten, gescheitert. Walschützer und Walfänger lieferten sich bei der Tagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) in Brasilien ein tagelanges Tauziehen. Es ging um die Zukunft des IWC. Darum, ob er sich in Zukunft mehr dem Schutz oder lieber der Jagd der Wale widmet. Japan führte die Gruppe der Walfangnationen an, während Brasilien die Walschützer hinter sich scharrte.

Als Kern der IWC gilt das Walfangmoratorium von 1986. Es verbietet die kommerzielle Jagd auf 13 Großwalarten. Zu diesen Arten zählen unter anderem Blauwale, Buckelwale, Finnwale und Zwergwale. Delfine und Kleinwale fallen nicht unter den Schutz des Moratoriums. Auch ist der Walfang zu Forschungszwecken nicht durch das Moratorium geschützt.

Seit es das Walfangmoratorium gibt, versuchen Japan, Island und Norwegen es zu kippen - und scheitern regelmäßig damit. Gleichzeitig lassen sie sich durch das Verbot nicht vom Walfang abhalten. Japan aber jagt als einzige Nation neben dem Nordpazifik auch in den Randmeeren der Antarktis und nennt die Jagden "Forschungseinsätze". Auch Russland und Dänemark unterstützen den kommerziellen Walfang . Auf der diesjährigen IWC-Tagung bestanden tatsächlich Chancen, das Moratorium zu kippen. Japan hatte den Vorsitz der Konferenz inne und versuchte mit allen Mitteln, die Regeln zum Walfang zu lockern.

Der Clou sollte ein Deal sein, den Japan Brasilien im Vorfeld der Tagung angeboten hatte. Wenn Auflagen in Zukunft mit einer einfachen Mehrheit statt mit der bisher erforderlichen Dreiviertelmehrheit entschieden werden könnten, würde Japan einer Schutzzone im Südatlantik zustimmen. Weil sich die Walschützernationen aber nicht auf den Deal einlassen wollten, erhielten sie auf der Tagung auch nicht die benötigte Zweidrittel-Mehrheit. Damit war das Schutzgebiet vom Tisch.

Kein Schutzgebiet im Südatlantik - was heißt das für die Wale dort?

Brasilien arbeitet seit 22 Jahren daran, ein Schutzgebiet im Südatlantik durchzusetzen. Unterstützt wird es von Staaten aus Lateinamerika. Sie alle profitieren vom Waltourismus. Aber nicht nur deshalb wollen sie eine Schutzzone. Es soll auch als Rückversicherung für die Zukunft dienen, falls das Walfangverbot doch irgendwann kippt.

Artenschützer und andere Experten aber glauben nicht, dass eine Schutzzone im Südpazifik etwas für Wale verändern würde. Dort werden Wale ohnehin nicht gejagt. Es sei eher ein Politikum als eine Maßnahme, die tatsächlich mehr Schutz bedeutet, sagt Phillip Clapham. Er ist Biologe am Alaska Fisheries Science Centre der US-Ozeanbehörde NOAA.

Stimmt es, dass gewisse Walpopulationen stabil genug sind, um gejagt zu werden?

Von einer stabilen Population kann bei keiner Walart die Rede sein. Einige Populationen sind bedrohter als andere. Aber keine Art hat ihren Bestand aus der Zeit vor dem industriellen Walfang erreicht. Wale vermehren sich sehr langsam. Alle paar Jahre bekommen sie ein einzelnes Junges. Außerdem ist nicht nur der Bestand selbst ein Faktor, sondern auch die Bedeutung von Einzeltieren für Rudel. Bei der gemeinschaftlichen Jagd etwa nehmen einzelne Tiere Schlüsselstellungen ein. Das treffe beispielsweise auf Schwertwale zu, sagt Meeresbiologe Boris Culik. "Aber auch über die Überlebensstrategien verschiedener Bartenwale wissen wir oft viel zu wenig, als dass klar wäre, wer da 'entnommen' werden kann, ohne der Gruppe, Population oder Art kurz- und langfristig zu schaden." Außerdem werden viele Walarten nicht nur durch den Walfang bedroht. Auch Lärm, Umweltverschmutzungen und mangelnde Futterquellen setzen den Walen weltweit zu.

Japan verteidigt vor allem seine Jagd auf Zwergwale mit dem Argument, dass sich ihr Bestand erholt habe. Doch "erholt" bedeutet lediglich, dass die Bestände wieder wachsen. Vor dem kommerziellen Walfang wurde die Population von Zwergwalen, auch Minkwal genannt, im Nordatlantik auf 240 000 Tiere geschätzt. Heute gibt es dort 182 000 Tiere und im Nordwestpazifik 22 000. Das klingt verhältnismäßig undramatisch. Jedoch gibt es eine Unterpopulation, die äußerst gefährdet ist. Bei der Jagd im Wasser lassen sich die Populationen nicht unterscheiden, sondern nur in ihrer Genetik. So landen jedes Jahr bis zu 200 bedrohte Tiere auf dem Deck der Walfänger.

Der Bestand einiger Walarten wurde durch den industriellen Walfang enorm gefährdet. Die frühere Population vom Blauwal auf der Südhalbkugel schätzen Experten auf 239 000 Tiere. Heute leben nur noch etwa 2 000 der bedrohten Tiere. Ihr Bestand nimmt zu, aber ihre Population ist dennoch weit von ihrem Ursprung entfernt. Von einst 240 000 Buckelwalen gibt es noch etwa 60 000 Tiere. Auch die Population des nördlichen Glattwals zeigt, wie dramatisch es noch immer um ihn steht. Früher soll es bis zu 21 000 Tiere gegeben haben. Heute werden nur noch 458 Exemplare gezählt. Davon sind 260 im geschlechtsreifen Alter.

Norwegen tötet mit Abstand die meisten Wale, aber ausschließlich Zwergwale. Die Ureinwohner Russlands haben eine Walfangquote für Grauwale. Island macht Jagd auf bedrohte Finnwale. Von den ursprünglich 360 000 Tieren, leben nur noch etwa 53 000 im Nordatlantik. Japan gibt an, vor allem Zwergwale zu jagen. Doch Japan jagt auch Seiwale, die auf der Roten Liste der internationalen Naturschutz-Union IUCN als "bedroht" geführt werden.

Kann es nachhaltigen Walfang geben?

"Aus Artenschutzsicht halte ich im Moment überhaupt keine der Walbestände für so riesig, dass man eine Bejagung als nachhaltig einstufen kann", sagt Sandra Altherr von Pro Wildlife. Seit 20 Jahren fährt die Artenschützerin als Beobachterin zu den Tagungen des IWC. Auch die Meeresschutz-Organisation Ocen Care meint, dass es keinen nachhaltigen Walfang geben kann. Ein Grund dafür sei auch mangelnde Transparenz, meint Phillip Clapham. "Walfangnationen weigern sich nach wie vor, ihre Walfang-Operationen vollkommen offen zu legen, mit wasserdichten Inspektionen für jeden Schritt von Fang bis Marktangebot."

Für akzeptabel erachtet die IWC aber den Walfang durch Ureinwohner. Gemeinsam stellten Russland, Alaska, Grönland und St. Vincent und die Grenadinen auf der diesjährigen IWC-Tagung einen Antrag, die Quoten für den Ureinwohner-Walfang zu verlängern. Diesem Antrag wurde stattgegeben. Jedoch wurde verhindert, dass sich die Quoten automatisch verlängern. So versucht der IWC zu verhindern, dass der Konsum von Walfleisch noch intransparenter wird und womöglich Walfleisch auf den Tellern von Touristen landet.

Aus welchen Gründen werden Wale überhaupt noch gejagt?

Das Hauptargument ist die Tradition. Länder wie Island, Grönland, Japan, die Färöer Inseln oder Norwegen berufen sich auf das Anrecht ihrer Ureinwohner auf Walfang. Norwegen, Island und Russland haben sich durch das Moratorium deshalb nie aufhalten lassen.

Der Fall Japan ist komplizierter. Der heutige Anführer der Walfangnationen sieht sich nicht als Verursacher der niedrigen Walpopulationen. Vor Ende des 19. Jahrhunderts landeten Wale meist nur durch Zufall auf den Tellern japanischer Einwohner. Und zwar dann, wenn sich Wale in Buchten verirrten. Die Tonnen an Walfleisch, die es bei solchen Gelegenheiten zu verarbeiten galt, mussten schnell verbraucht werden. Es fehlte an Mitteln zur Kühlung, um Wale industriell zu jagen. Erst in den 1930er Jahren fingen Walfänger vermehrt an aufs Meer hinaus zu fahren und Wale abzuschießen. Derweil rotteten andere Nationen wie Norwegen, die USA, Holland, England oder Russland Wale längst beinahe aus. Um die Ausrottung von Walpopulationen abzuwenden, gründeten mehrere Staaten 1946 die IWC.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4128112
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/cvei
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.