Archäologie:300 Kilometer Plackerei

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  • Ein Großteil des Baumaterials der Kultstätte stammt aus etwa 300 Kilometer entfernten Steinbrüchen.
  • Bislang glaubten Wissenschaftler, dass die Steine per Seefracht zur Baustelle gelangten.
  • Neue Funde deuten nun eher auf den Landweg hin. Wahrscheinlich hatte bereits der Transport rituelle Bedeutung.

Von Tobias Kühn

Kaum ein Bauwerk stellt Archäologen und Laien vor solche großen Rätsel wie der Steinkreis von Stonehenge. Warum, beispielsweise, stammt ein Großteil des Baumaterials dieser Kultstätte aus etwa 300 Kilometer entfernten Steinbrüchen? In einem Beitrag im Fachmagazin Antiquity erklären Archäologen um Mike Parker Pearson vom University College London nun, wie die Steine vor 5000 Jahren abgebaut und vor allem transportiert wurden. Sie spekulieren, dass sie nicht, wie oft vermutet, auf Schiffen, sondern über den Landweg befördert wurden.

In einer früheren Studie hatte ein ebenfalls von Parker Pearson geleitetes Team bereits zwei ehemalige Steinbrüche in den Preseli-Bergen in Westwales als Ursprung eines Teils des Baumaterials von Stonehenge ausgemacht, Carn Geodog und Craig Rhos-y-Felin. Diese Stellen wurden nun genauer untersucht. Dort erleichterte die natürliche Form der Felsen ihre Nutzung als Baumaterial. Durch Risse im Gestein war die spätere Form der Megalithen in der Kultstätte schon vorgegeben. In sie wurden Keile aus weicherem Gestein geschlagen und so der später verbaute Stein aus dem Fels gelöst, ohne ihn zu beschädigen. Anschließend wurde er mit Seilen herausgezogen und heruntergelassen.

Doch kein Transport über den Seeweg?

Wie es dann weiterging, deutet eine weitere Entdeckung der britischen Forscher an: Sie fanden am Fuß beider Steinbrüche eine Plattform, die wohl als eine Art Laderampe für das prähistorische Baumaterial gedient hat. Von dort wurde es auf hölzerne Schlitten geladen und abtransportiert. Zumindest in Craig Rhos-y-Felin fanden sich auch Hinweise auf einen Hohlweg, über den die Schlitten weggezogen wurden. Dieser deutet auf einen Umweg hin, denn die Route führte nach Norden und somit von Stonehenge weg. Da beide untersuchten Steinbrüche im Norden des walisischen Gebirges liegen, vermuten die Forscher, dass das prähistorische Baumaterial über Land transportiert worden sein könnte. Bisher glaubten manche Forscher, dass die Stonehenge-Steine in den Süden gebracht und dort verschifft wurden.

Auf dem Weg nach Stonehenge könnten die Steine eine längere Pause gemacht haben. Möglicherweise wurden sie sogar zwischendurch zu einem Steinkreis aufgestellt - einen möglichen Ort für diese Wanderkultstätte haben Archäologen auch schon ausgemacht.

Wahrscheinlich hat aber auch schon der Transport an sich eine rituelle Bedeutung gehabt, vermutet Johannes Müller, Professor für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Kiel. Er schließt das aus Kieler Untersuchungen über südasiatische Völker, die heute noch Megalith-Monumente bauen. Sie zelebrieren nicht nur deren Fertigstellung, sondern auch den Transport der Einzelteile. Vermutlich sei schon in der Urgeschichte der technische Aspekt weniger bedeutend gewesen. Die Frage sei weniger: Konnten sie das? "Natürlich konnten sie das. Der Aufwand bestand wahrscheinlich schon damals mehr darin, das rituelle Fest für die beteiligten Clangruppen zu organisieren", sagt Müller.

© SZ vom 20.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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