Waldbrände in Griechenland:Die menschliche Tragödie

Im Norden Athens wüten die Flammen. Solche Mega-Brände sind das Ergebnis gewissenlos und kurzsichtig handelnder Gesellschaften. In Griechenland und anderswo.

Birgit Lutz-Temsch

Hilflos steht der Mann vor den Flammen, schleudert ein paar Liter Wasser gegen die Feuerwand, die sich in sein Grundstück, seine Existenz, das Leben seiner Familie frisst. Es ist ein verzweifeltes Bild, Symbol für einen aussichtslosen Kampf. Bei dem es um weit mehr geht, als nur um dieses Feuer.

Waldbrände in Griechenland: David gegen Goliath: Verzweifelt versuchen die Menschen, ihren Besitz und ihr Leben zu retten.

David gegen Goliath: Verzweifelt versuchen die Menschen, ihren Besitz und ihr Leben zu retten.

(Foto: Foto: dpa)

Zwar sind die Mittelmeerländer Brände gewohnt. Jedes Jahr stehen in Spanien, Frankreich, Italien und Griechenland kleinere und größere Regionen in Flammen. Doch zwei wichtige Umstände haben sich verändert in den vergangenen Jahren - zwei Umstände, die nun immer mehr Menschenleben kosten.

Wie Wälder Wüsten werden

Der eine ist der Klimawandel: Es ist kein Zufall, dass sich die Brände immer weiter ausbreiten, sich immer weiter und weiter fressen. Mangelnde Niederschläge schaffen Regionen, in denen es meilenweit keinen Tropfen Flüssiges gibt, sondern nur verdörrtes Holz - das brennt wie Zunder.

Bei dem Feuersturm von 2007, als die Halbinsel Peloponnes sieben Tage lang in Flammen stand, wurden 270.000 Hektar Wald, Buschland und landwirtschaftliche Anbauflächen zu Asche. Das ist 20 Mal so viel wie der Durchschnitt der Vorjahre. Doch Forst- und Klimawissenschaftlern zufolge sind diese Extremsituationen künftig normal.

Weil es früher warm wird, der Boden stärker austrocknet, die Temperaturen schneller steigen, die Wälder ausgedörrt werden und häufigere Stürme die Flammen verbreiten. Das führt zu sogenannten Mega-Bränden.

Griechenland ist dabei nicht allein. 2007 war ein katastrophales Jahr, was Waldbrände angeht. Und die betroffenen Länder werden mehr: Auch in Südosteuropa brennen die Wälder mittlerweile, allen voran in Albanien.

Die langfristigen Folgen dieser Brände sind verheerend, denn dort, wo es häufig brennt, verliert die Vegetation ihren Halt, Erosion durch Wind führt zu Mondlandschaften, auf denen nichts mehr wächst.

Desertifikation heißt dieses Phänomen. Wüstenbildung. Und wenn es dann einmal regnet, kann der malträtierte Boden nur wenig Wasser aufnehmen, so dass es nach den ebenfalls zunehmenden "Starkregenereignissen" zu Überflutungen kommt.

Bauen um jeden Preis

Auf diese ohnehin schon stark gestiegene Brandgefahr treffen im gesamten Mittelmeerraum Bauspekulanten, die immer skrupelloser vorgehen. Es ist ein alter Trick, große Waldflächen erst abbrennen zu lassen und dann, wenn sowieso nichts mehr wächst, zu Bauland zu machen. An der Küste Griechenlands und rund um Athen ist dies eine gängige Praxis, kurzfristig hohe Gewinne zu erzielen. Diese Praxis wird dort noch durch ein fehlendes Kataster begünstigt.

Aber nun geraten die gelegten Brände, auch wegen der veränderten klimatischen Bedingungen, immer öfter außer Kontrolle. Griechische Umweltverbände und sogar Immobilienmakler fordern deshalb schon lange ein Waldregister: Wäre ein Grundstück dort als Wald verzeichnet, dürfte es auch nach einem Brand nicht zu Bauland umgeschrieben werden.

In Italien dürfen abgebrannte Flächen zwar zehn Jahre lang nicht zu Bauland umgewidmet werden - aber diese Regel wird oft mit allerhand Kreativität umgangen. In Spanien gibt es seit 2006 ein Gesetz, nach dem abgebranntes Land 30 Jahre lang nicht zu Bau- oder Ackerland umgewidmet werden darf, doch ob es auch befolgt wird, muss man erst noch sehen.

Was vom Feuer übrig bleibt

77 Menschen haben 2007 in Griechenland ihr Leben in den Flammen verloren. Das Bild einer Mutter, die mit ihren vier Kindern im Arm in einem Auto verbrannte, ging um die Welt. Tote, die hätten überleben können. Doch Länder, die berühmt sind für ihre korrupten Strukturen sind selten bekannt für funktionierende Katastrophenpläne.

Schon während der Löscharbeiten schrien verzweifelte Dorfbewohner ihre Wut in etliche Mikrofone, die Organisation der Evakuierungen und Löscharbeiten sei katastrophal. Die Feuerwehren wiederum wiederholten ihre Forderungen von 2003, als sie nach dem damaligen Feuer eine Aufrüstung ihrer maroden Ausstattung, mehr Löschflugzeuge und Fahrzeuge verlangten. Nach 2003 war jedoch nichts geschehen. 2007 hätten bessere Mittel möglicherweise viele Leben retten können. 2009 steht man nun wieder mit rostenden Löschautos vor Feuerwänden.

Wer das Inferno überlebt, hat es dann mit einem System zu tun, das zwar schnell ist mit den Versprechen von Hilfe, diese aber entweder langsam oder chaotisch oder gar nicht umsetzt, vor allem wenn Wahlen vorbei sind. 3000 Euro konnte jeder Brandgeschädigte 2007 in Griechenland vom Staat bekommen; wer sein Haus verloren hatte, bekam sogar 10.000 Euro bar auf die Hand.

Unbürokratisch sollte die Hilfe vonstatten gehen. Das tat sie auch, so unbürokratisch, dass sich etliche, die gar nicht vom Feuer betroffen waren, ebenfalls an den Hilfsmitteln bereicherten, ohne das dies kontrolliert worden wäre.

Schnell sollte geholfen werden, schließlich standen Wahlen an. Und der Chef der regierenden Partei der Neuen Demokratie, Kostas Karamanlis, wollte wiedergewählt werden. Alles werde ersetzt, versprach Karamanlis also im August, Häuser und Betriebe würden wieder aufgebaut, Ernteausfälle bezahlt. Die Rechnung ging auf. Vielleicht auch, weil zu Anfang so viel ausgezahlt wurde, gewann Karamanlis die Neuwahlen vom September 2007, wenn auch mit äußerst knapper Mehrheit.

Aber kaum war die Wahl gewonnen, versiegten die Geldströme. Von fast 200 Millionen Euro für die Brandopfer - viele Millionen davon Spenden - waren ein Jahr später kaum 30 Millionen ausgezahlt.

Die Leidtragenden sind am Ende die Menschen der Region. Ganze Dörfer haben seit den Bränden vor zwei Jahren ihre Lebensgrundlage verloren, die Menschen ziehen weg, die Regionen verändern sich. Denn Olivenbauern zum Beispiel können nicht einfach von vorne anfangen. Bis ihre neu gepflanzten Bäume Früchte tragen, vergehen leicht zehn Jahre. Die Natur hat meistens längere Rechenperioden als der Mensch.

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