Vogelgrippe:Die Angst vor der Katze

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Nach den H5N1-Infektionen mehrerer Katzen auf Rügen sagt Landwirtschaftsminister Seehofer: "Die Vogelgrippe ist deutlich näher an den Menschen gerückt." Damit macht er genau die Panik, vor der er warnt.

Markus C. Schulte v. Drach

Drei Katzen haben sich in Deutschland mit dem Vogelgrippe H5N1 infiziert, auch in Österreich wurde der Erreger in Katzen nachgewiesen.

Für Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer Grund genug festzustellen: "Die Vogelgrippe ist deutlich näher an den Menschen gerückt".

Das Virus, warnte der Minister im Bayerischen Fernsehen, habe damit die Schranke zum Säugetier nicht nur in einem Einzelfall, sondern gleich mehrfach überwunden.

Zwar betont Seehofer, dass man nun nicht in Panik verfallen dürfe. Doch die Angst der Menschen vor dem Virus ist bereits jetzt so groß, dass besorgte Bürger über die Gefahr nachdenken, die von Nistkästen in ihrer Gemeinde oder vom Putenschnitzel ausgehen könnte.

Und in vielen Tierheimen herrscht inzwischen Platzmangel, weil besorgte Katzenbesitzer ihre Tiere nicht mehr in ihrer Nähe dulden wollen.

Seehofer rechtfertigt mit den infizierten Katzen die jüngsten Schutzmaßnahmen für Haustiere - und er hat Recht, wenn er sagt, dass diese Maßnahmen notwendig sind, um das Risiko einer weiteren Verbreitung des Virus zu verringern.

Schließlich kann H5N1 tatsächlich auf den Menschen übergehen und die Infektion endet in etwa 50 Prozent der Fälle tödlich.

Keine neue Situation

Doch die Aussage, die Vogelgrippe sei mit den drei infizierten Katzen deutlich näher an den Menschen gerückt, irritiert. Das ist das, wovor Seehofer warnt: Panikmache.

So sagen dies die Fachleute vom Friedrich-Loeffler-Institut und vom Robert-Koch-Institut natürlich nicht. Was sie aber sagen, ist deutlich genug:

"Mit den Katzen-Fällen hat sich die Situation für den Menschen nicht verändert."

Natürlich haben die meisten Menschen in Deutschland einen weit intensiveren Kontakt zu Katzen als zu Geflügel. Doch nirgendwo ist es bislang zu einer Übertragung von H5N1 von Katzen auf Menschen gekommen.

Und dass diese Tiere sich überhaupt mit H5N1 infizieren können und dies auch tun, ist nicht neu. Und sie sind nicht die einzigen. So starben in Thailand und Vietnam etliche Großkatzen im Zoo an der Vogelgrippe.

In Thailand wurden Antikörper gegen das Virus auch in Straßenhunden nachgewiesen. Und verschiedene Studien haben gezeigt, dass sich der Erreger in seltenen Fälle auf Schweine übertragen lässt.

Es ist also keine Überraschung, dass streunende Katzen sich in der Umgebung eines Seuchenherdes wie der Wittower Fähre auf Rügen mit H5N1 infiziert haben. Auch die H5N1-Katzen, die in Graz, Österreich, entdeckt wurden, lebten in einem Tierheim, in dem die Vogelgrippe bei Geflügel aufgetreten war.

Bis auf weiteres bleibt es also dabei: Gefährdet sind Menschen mit intensivem Kontakt zu erkrankten Vögeln. Von allen anderen Haustieren - auch von Katzen - geht so gut wie keine Gefahr aus.

Lediglich in den Überwachungszonen um Fundorte infizierter Tiere sollten Katzen im Haus bleiben, Hunde an der Leine. Und ansonsten ist es ratsam, die üblichen Hygiene-Maßnahmen einzuhalten. Das gilt auch unabhängig von der Vogelgrippe. Denn Hunde, Katzen und andere Haustiere können auch etliche andere gefährliche Krankheitserreger auf den Menschen übertragen.

Übrigens: An der normalen Grippe sterben allein in Deutschland jedes Jahr etliche tausend Menschen - ohne dass bei jedem einzelnen Fall das Robert-Koch-Institut eine Presse-Meldung herausgeben muss.

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