Tiere:Der größte Kolibri der Welt ist eigentlich zwei

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Der größte Kolibri der Welt ist etwa 22 Zentimeter lang und wiegt 24 Gramm. (Foto: Xiaoni Xu/Macaulay Library/Cornell Lab of Ornithology)

Rein äußerlich sehen Riesenkolibris alle gleich aus, doch ihr Verhalten ist extrem unterschiedlich. Nun haben Forscher eine überraschende Entdeckung gemacht.

Von Tina Baier

Einen Riesenkolibri zu fangen, ist nicht leicht. Die Vögel, die in den Anden leben, sind extrem aufmerksam. Sie bemerken geringfügigste Veränderungen in ihrer Umgebung, interpretieren sie als potenzielle Gefahr und meiden den verdächtigen Ort.

Einem Team um Jessie Williamson von der US-amerikanischen Cornell University ist es dennoch gelungen, einige Exemplare von Patagona gigas mithilfe gut getarnter Netze einzufangen, mit Satellitensendern auszustatten und zudem ihr Erbgut zu analysieren. Wie die Forschenden im Wissenschaftsjournal PNAS berichten, fanden sie so zu ihrer Überraschung heraus, dass es nicht nur eine Riesenkolibri-Art gibt, sondern gleich zwei.

Rein äußerlich sehen die beiden Spezies vollkommen gleich aus: Beide sind grünlich-braun gefärbt und haben den charakteristischen langen Kolibrischnabel, mit dem sie Nektar saugen, aber auch kleine Insekten fressen. Und beide sind mit einer Länge von etwa 22 Zentimetern fast viermal so groß wie die kleinste bekannte Kolibriart, die sechs Zentimeter lange Bienenelfe.

Sie fliegen Tausende Kilometer und bewältigen nebenher mehr als 4000 Höhenmeter

In ihrem Verhalten sind die beiden Riesenkolibri-Arten aber vollkommen unterschiedlich: Die eine unternimmt jedes Jahr eine anstrengende Wanderung, auf der die Tiere innerhalb weniger Wochen 8000 Kilometer von ihren Brutgebieten in Chile bis in hoch gelegene Andenregionen in Peru und wieder zurück fliegen und dabei einen Höhenunterschied von 4100 Metern bewältigen. Die andere verzichtet auf derartige Abenteuer und bleibt das ganze Jahr über am selben Ort.

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Wie Höhenbergsteiger müssen die ziehenden Riesenkolibris ihrem Körper Zeit geben, um sich während ihres Fluges nach Peru an das mit zunehmender Höhe immer geringere Sauerstoffangebot zu gewöhnen. Aus diesem Grund legten sie zwischendurch kleine Pausen ein, "vergleichbar den Akklimatisationsroutinen menschlicher Bergsteiger", schreiben die Studienautorinnen und -autoren in PNAS.

Genetisch unterschieden sich die beiden Riesenkolibri-Arten "voneinander so stark wie Schimpansen von Bonobos", sagt Studienautor Chris Witt von der University of New Mexico laut einer Pressemitteilung. Die Forschenden schlagen deshalb vor, der nicht ziehenden Riesenkolibri-Art einen neuen Namen zu geben und sie künftig als Patagona chaski zu bezeichnen. "Chaski" bedeutet auf Quechua, der Sprache vieler indigener Andenbewohner, "Bote". Die ziehende Riesenkolibri-Art soll weiter Patagona gigas heißen .

Den genetischen Analysen zufolge haben sich die beiden Riesenkolibri-Arten schon vor 2,1 bis 3,4 Millionen Jahren voneinander getrennt. Umso erstaunlicher sei es, dass bisher niemandem aufgefallen ist, dass es nicht nur eine, sondern zwei Spezies gibt, findet Chris Witt.

Beide Arten treffen in den hoch gelegenen Andenregionen Perus zusammen, wo Patagona gigas hinwandert und Patagona chaski dauerhaft lebt. Eine geografische Trennung von Populationen, die häufig der Grund für die Entstehung zweier verschiedener Arten ist, kann bei den Riesenkolibris deshalb nicht der Grund für die Aufsplittung gewesen sein. Die Forscher gehen vielmehr davon aus, dass das unterschiedliche Zugverhalten die Ursache dafür war, dass aus ursprünglich einer Riesenkolibri-Art zwei entstanden sind. Ob der letzte gemeinsame Vorfahre ein Zugvogel war und ein Teil der Population irgendwann aufgehört hat, die weite Reise zu unternehmen, oder ob umgekehrt manche Riesenkolibris irgendwann anfingen zu ziehen, wissen die Forschenden nicht.

Rätselhaft bleibt auch, wie sich die verschiedenen Arten von Riesenkolibris verhalten, wenn sie aufeinandertreffen. Bekämpfen sie sich? Halten sie Abstand voneinander? Oder leben sie friedlich zusammen, weil sie gar nicht wissen, dass sie verschiedenen Arten angehören?

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