Verhaltensforschung:Warum Juckreiz ansteckend ist

Kratzen löst beim Betrachter Jucken aus, das gilt auch bei Mäusen. Forscher identifizierten eine Hirnregion, die bei diesem Prozess aktiv wird.

Von Katrin Blawat

Jemand kratzt sich - schon juckt es einen selbst. Diese sogenannte soziale Ansteckung funktioniert unter Menschen, doch wie sieht es damit bei anderen Primaten und Nagern aus? Was Mäuse angeht, scheint die Sache nun klar zu sein: Auch sie kratzen sich, wenn sie einen Artgenossen bei dieser Tätigkeit beobachten (Science, online). Es genügt sogar, die andere Maus nur per Video zu betrachten, wie ein Team um Yao-Qing Yu von der Washington University in St. Louis gezeigt hat.

Geruchliche oder akustische Signale spielen dafür also keine Rolle. Die Forscher identifizierten auch eine Hirnregion, die während des sozial induzierten Kratzens besonders aktiv wurde, nicht aber, wenn eine Maus spontan einfach so ihrem Juckreiz nachgab. Auf Ebene der Hirnchemie wird das ansteckende Kratzen demnach von dem Botenstoff GPR (Gastrin Releasing Peptide) aus Nervenzellen im suprachiasmatischen Nukleus vermittelt.

Nachahmen nicht immer ein Zeichen für Empathie

Ahmt ein Tier das Verhalten eines Artgenossen nach, gilt das in einigen Fällen als Zeichen für Empathie, also die Fähigkeit, mit anderen mitzufühlen. Bei Mäusen sei dies jedoch nicht der Fall, schreiben die Autoren der aktuellen Studie. Wenn überhaupt, empfinden Mäuse allenfalls für sehr vertraute Artgenossen so etwas wie Empathie. Das Kratzen dagegen wirkte auch dann ansteckend, wenn die Nager es bei unbekannten Artgenossen sahen.

Kompliziert wird die Frage nach dem ansteckenden Kratzen im Tierreich zudem dadurch, dass es je nach Spezies Abstufungen zwischen vollständiger sozialer Ansteckung wie bei den Mäusen und komplettem Desinteresse am Verhalten anderer gibt. Berberaffen zum Beispiel interessieren sich für Videos mit sich kratzenden Artgenossen deutlich stärker als für andere Aufnahmen von Berberaffen. Dennoch ahmen sie das Verhalten nicht nach, wie eine Studie im Fachmagazin Animal Behaviour vor wenigen Monaten ergeben hat.

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