Verhaltensforschung:Auch Affen können schmollen

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Kreischen, Grunzen, Hecheln, Aufschreien, Bellen - Wissenschaftler haben insgesamt zwölf verschiedene Lautäußerungen bei Schimpansen identifiziert. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)
  • Warum lehnen Affen eine Belohnung ab? Forscher haben diese Frage untersucht.
  • Ihre Vermutung: Sie fühlen sich vom Menschen ungerecht behandelt - unabhängig davon, welche Belohnung ein Artgenosse bekommt.
  • Auch gaben die Tiere ihre Belohnung deutlich häufiger zurück, wenn diese von einem Menschen ausgegeben wurde statt von einem Automaten.

Von Katrin Blawat

Gleicher Lohn für gleiche Leistung - diesen Gerechtigkeitsgrundsatz haben auch manche Tiere verinnerlicht. Wird zum Beispiel ein Kapuzineraffe üppiger für eine Aufgabe belohnt als sein Artgenosse, verschmäht der Benachteiligte seinen Leckerbissen. Wer im Internet nach "Affe" und "Weintraube" sucht, findet schnell Videos, die das eindrucksvoll zeigen.

Bislang wurde dieses Verhalten so interpretiert, dass der schlechter entlohnte Affe wegen des Vergleichs mit seinem Artgenossen frustriert ist, nach dem Motto: "Ich lasse mich doch nicht mit einem schnöden Stück Gurke abspeisen, wenn der da drüben eine süße Traube bekommt!" Nun stellen jedoch Primatologen um Jan Engelmann und Jeremy Clift vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig diese bislang weithin akzeptierte Interpretation infrage.

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Nach Versuchen mit Schimpansen vermuten sie vielmehr, das Zurückweisen der Gurke beruhe nicht auf dem Vergleich mit dem zweiten Affen, sondern auf Enttäuschung durch den Menschen, der die Belohnungen austeilt. Der benachteiligte Affe erkenne, dass der Experimentator ihn schlechter behandelt hat, als es ihm möglich gewesen wäre, schreiben die Autoren im Wissenschaftsjournal Proceedings B. Der zweite Affe spielt bei dieser Lesart keine bedeutende Rolle.

Es geht um Gerechtigkeit

Unumstritten bleibt dabei, dass Affen eine Belohnung zurückweisen, die sie - aus welchen Gründen auch immer - als nicht angemessen empfinden. Daher könnten die unterschiedlichen Interpretationsversuche leicht wie das akademische Kräftemessen zwei der renommiertesten Zentren der Primatenforschung wirken. Die ältere Studie mit Kapuzineraffen stammt von Sarah Brosnan und Frans de Waal von der Emory University.

Leitender Wissenschaftler der aktuellen Schimpansenstudie ist Michael Tomasello. Beide Forschergruppen um de Waal und Tomasello untersuchen seit Jahren die evolutionären Grundlagen von Moral und Kooperation - und kommen dabei oft zu verschiedenen Schlussfolgerungen. Doch eben weil es um große, auch den Menschen tangierende Fragen wie Gerechtigkeit geht, lohnt sich die Beschäftigung mit den Details dieser Diskussion.

Das Leipziger Team bot neun Schimpansen entweder einen hochgeschätzten oder einen weniger begehrten Leckerbissen im Austausch gegen einen Spielstein an. Das Futter wurde entweder von einem Menschen oder einer Maschine ausgegeben. Bei einem Teil der Versuche war ein zweiter Affe anwesend, um zu testen, ob der Artgenosse das Verhalten des Test-Affen beeinflusste.

Das Ergebnis ist, kurz gesagt: nein. Selbst wenn ein Schimpanse sehen konnte, wie sein Partner besser entlohnt wurde, erhöhte das nicht die Wahrscheinlichkeit, dass er seinen eigenen Leckerbissen verschmähte. Dagegen wiesen die Affen ihre Belohnung deutlich häufiger zurück, wenn diese von einem Menschen ausgegeben wurde statt von einem Automaten. Von Letzterem erwarteten die Schimpansen nicht viel, konnten also auch nicht enttäuscht werden, argumentieren die Verhaltensforscher. Der menschliche Versuchspartner hingegen verhielt sich schlechter, als die Affen es erwartet hatten.

Gefühle, die wir Menschen als "verletzt" oder "zurückgewiesen werden" kennen

Die daraus resultierende Enttäuschung habe in den Schimpansen möglicherweise Gefühle hervorgerufen, die wir Menschen als "verletzt" oder "zurückgewiesen werden" kennen, schreiben die Wissenschaftler in ihrem Aufsatz. Jedenfalls interpretieren sie die Zurückweisung des Leckerbissens noch nicht als Beleg für einen Gerechtigkeitssinn der Tiere, sondern lediglich als "einen wichtigen und notwendigen Schritt" dorthin.

"Es kann gut sein, dass das Verhalten des Menschen wichtiger ist, als wir bislang dachten", kommentiert Frans de Waal die Studie seiner Kollegen. Bislang wurde häufig schlicht ignoriert, welche Rolle der individuelle Experimentator in Versuchen mit Tieren spielen könnte. Doch fehlt nach de Waals Ansicht ein wichtiges Kontrollexperiment in der Leipziger Studie: ein Versuchsdurchgang, in dem beide Affen minderwertiges Futter erhalten, sowohl von einem Menschen als auch von einer Maschine. "Ansonsten ist es schwierig zu sagen, was die Ergebnisse bedeuten."

In jedem Fall wird die Studie weitere Untersuchungen zum Gerechtigkeitsempfinden von Affen anstoßen. Als Nächstes gilt es etwa zu klären, ob es einen Unterschied macht, wenn ein besonders mit den Versuchstieren vertrauter Mensch die Leckerbissen austeilt. Trifft die Enttäuschungs-Hypothese zu, müssten die Schimpansen eine miese Belohnung dann erst recht zurückweisen.

© SZ vom 24.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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