Verhaltensforschung:Aggression steht ins Gesicht geschrieben

Wie kampfbereit Männer sind, ist offenbar an ihren Gesichtsproportionen zu erkennen - sagen kanadische Forscher.

Barbara Galaktionow

Agression ist Männern buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Das legt eine Untersuchung nahe, die Forscher der Brock Universität in St. Catharines, Kanada, an männlichen Eishockey-Spielern durchgeführt haben.

Verhaltensforschung: Das Aggressionslevel von Männern kann man offenbar bereits an bestimmten Gesichtsproportionen erkennen.

Das Aggressionslevel von Männern kann man offenbar bereits an bestimmten Gesichtsproportionen erkennen.

(Foto: Foto: iStock)

Dabei fanden Verhaltensneurologin Cheryl McCormick und der Psychologe Justin Carre heraus, dass das Breite-Länge-Verhältnis in den Gesichtern der Spieler in einem bemerkenswert hohen Ausmaß mit deren Aggressivitätslevel korrespondierte, wie die Wissenschaftsmagazine NewScientist und Science in ihren Online-Ausgaben berichten.

Die Forschungen geben demnach einen Hinweis darauf, dass Männer, deren Gesicht eher breit als lang ist, aggressiver sind als andere. Das Breite-zu-Länge-Verhältnis ergibt sich aus einem Vergleich der Distanz zwischen den beiden Wangenknochen mit der Distanz zwischen Oberlippe und Augenbrauen.

Erst im vergangenen Jahr hatte eine Wissenschaftlerin in London herausgefunden, dass dieses Verhältnis bei Männern grundsätzlich größer ist als bei Frauen, heißt es in Science. Ursache dafür sei Testosteron. Das männliche Sexualhormon führe bei pubertierenden Jungen häufig zu Veränderungen: Zwar werde das Gesicht länger, doch auch die Wangenknochen würden breiter, die Augenbrauen auffälliger. Testosteron soll zudem in enger Verbindung mit Aggressionen stehen.

Spaß ohne Gewinn

Fasziniert von der Entdeckung ihrer englischen Kollegin beschlossen die kanadischen Forscher zu untersuchen, ob es womöglich eine Beziehung gebe: zwischen der verhältnismäßigen Breite des Gesichts und der durch Testosteron mitbestimmten Höhe des Aggressionslevels.

In einem ersten Schritt maßen die Forscher an 88 männlichen und weiblichen Freiwilligen das Breite-Länge-Verhältnis im Gesicht. Dann ließen sie die Probanden ein Computerspiel spielen. Dabei ging es darum, dass die Spieler selber Punkte gewinnen oder verteidigen konnten oder einem Gegenspieler Punkte wegnehmen konnten, ohne diese allerdings selbst zu gewinnen.

Das Ergebnis ließ zumindest für die männlichen Spieler Rückschlüsse zu: diese stahlen Gegnern sehr viel häufiger Punkte als Frauen - Psychologen zufolge ein verlässliches Maß für aggressive Neigungen. Und Spieler mit vergleichsweise breiteren Gesichtern tendierten tatsächlich zu einer angriffslustigeren Spielweise.

In 15 Prozent der Fälle konnten die Unterschiede im Aggressionsverhalten anhand der individuellen Unterschiede im Gesichtsverhältnis voraussehen werden, heißt es bei Science. Bei den Frauen erbrachte die Studie allerdings keine aussagekräftigen Ergebnisse.

In einem zweiten Schritt überprüften die Wissenschaftler ihre Ergebnisse nun in der wirklichen Welt. Sie untersuchten bei Eishockey-Spielern den Zusammenhang zwischen Breite-Längen-Verhältnis des Gesichts und Art der Spielweise. Als Maß für die Aggressivität der Spieler dienten ihnen hierbei die Strafpunkte, die jeder Spieler während des Spiels für rüdes Verhalten erhält. Das Gesichtsverhältnis ermittelten sie anhand von Fotos.

"Ernstzunehmendes Zeichen"

Das Ergebnis der Untersuchung war in gewisser Weise überraschend: Denn dieses Mal konnten die Forscher Science zufolge sogar in 30 Prozent der Fälle das aggressive Gebaren der Spieler anhand ihrer Gesichtsmorphologie vorhersagen. "Wir waren erstaunt zu sehen, dass die Methode das aggressive Verhalten auch für eine Situation in der 'realen Welt' vorhersagen konnte", sagte McCormick laut NewScientist.

Das Forscherteam schließt daraus, dass das Breite-Länge-Verhältnis des Gesichts bei Männern ein "ernstzunehmendes Zeichen" für den Hang zu kämpferischem Verhalten liefern kann. Die Autoren betonen überdies, dass auch die menschliche Drohmimik das Gesicht im Verhältnis breiter mache. So würden dabei die Augenbrauen gesenkt und die Oberlippe angehoben.

Die Studie sei "ein wirklich schöner Schritt vorwärts in unserem Verständnis dafür, welche sozialen Wahrnehmungen der Biologie zugrunde liegen", beurteilte Psychologe Ian Penton-Voak von der Universität in Bristol in Großbritannien laut Science die Ergebnisse.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: