Verhaltensbiologie:Schön bis auf die Knochen

Forscher suchen nach dem Schlüssel für gutes Aussehen - und werden bei den Füßen fündig. Aber nicht nur dort.

Markus C. Schulte von Drach

Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters - doch wie Studien von Verhaltensbiologen und Evolutionspsychologen immer wieder zeigen, sind sich die Betrachter doch sehr einig, wenn es um die Attraktivität des jeweils anderen Geschlechts geht.

Schönheit Beauty

Morphe (von links nach rechts) von Frauen mit zierlichen und mit großen Füßen sowie von Männern mit breiten und mit schmalen Handgelenken.

(Foto: Jeremy Atkinson)

So werden zum Beispiel Gesichter, die am Computer aus einer großen Anzahl übereinander gelegter Porträts zu Durchschnittsgesichtern "gemorpht" wurden, im Schnitt als schöner beurteilt, als die Mehrzahl der Einzelbilder.

Überraschend ist allerdings, welche Körpermerkmale Hinweise darauf geben können, ob Gesichter als anziehend bewertet werden.

Wie Jeremy Atkinson und Michelle Rowe von der University of Albany, New York kürzlich auf einer Tagung berichteten, sind es bei Frauen offenbar besonders die Füße, die Breite der Hüften, die Länge der Oberschenkelknochen und ihre Körpergröße insgesamt, die Aufschluss darüber geben, ob ihre Gesichter von Männern als attraktiv eingeschätzt werden.

Mit anderen Worten: In unserem Gesicht spiegeln sich offenbar Eigenschaften des Körperbaus wieder, die auf den ersten Blick nichts mit unserem Antlitz zu tun haben.

Die Wissenschaftler hatten bei 60 Studentinnen 16 verschiedene Eigenschaften des Skeletts gemessen und ins Verhältnis zur Körpergröße gesetzt. Anschließend wurden jeweils jene acht Frauen bestimmt, bei denen diese Merkmale überdurchschnittlich groß oder klein waren. Porträts der Frauen in den jeweiligen Gruppen "gemorpht" und gegenüber gestellt. Dann bewertete eine Gruppe von Männern die zwei so produzierten Bilder unter anderem hinsichtlich Attraktivität, sexueller Offenheit, Weiblichkeit oder Körpergröße.

Wie die Forscher auf Tagung Human Behavior and Evolution Society in Eugene, USA, kürzlich berichteten, waren "die meisten Morph-Paare ausgesprochen leicht zu unterscheiden und riefen deutliche Vorlieben hervor". (Poster Number: 47, Pretty women have petite feet).

So bewerteten die Männer das Bild der Frauen mit besonders zierlichen Füßen dreieinhalb Mal häufiger als attraktiver und zehnmal häufiger als weiblicher als jenes der Frauen mit besonders großen Füßen.

Noch deutlicher fiel die Entscheidung bei den "gemorphten" Bildern der Frauen mit jeweils den schmalsten und breitesten Hüften aus. Hier beurteilten die Männer den "Schmale-Hüften-Morph" elfmal so häufig als attraktiver als den "Breite-Hüften-Morph". Und immerhin achtmal häufiger fiel die Wahl auf das Bild mit den Gesichtszügen der Frauen mit den längsten Oberschenkelknochen.

Als die Wissenschaftler Frauen entsprechende Paare von Männer-"Morphen" bewerten ließen, waren die Ergebnisse nicht ganz so deutlich, aber immer noch eindeutig. So bewerteten Frauen das Mix-Gesicht der Männer mit den längsten Torsos attraktiver als jenes der "kürzesten" Männer. Darüber hinaus kam der "Morph" der Männer mit den schmalsten Handgelenken besonders gut an.

Was aber ist an anatomischen Eigenschaften wie zierlichen Frauenfüßen so besonders, dass sie als attraktiv wahrgenommen werden - und wieso wirkt sich dies auf das Gesicht aus?

Wieso gerade die Füße?

Offenbar beeinflussen dieselben genetischen Faktoren - in Abhängigkeit von der Umwelt - sowohl die Ausprägung unseres Körpers als auch unserer Gesichtszüge. Dass ausgerechnet die weiblichen Füße davon betroffen zu sein scheinen, dafür hält Jeremy Atkinson zwei verschiedene Erklärungen für möglich.

Zum einen könnte die sogenannte sexuelle Selektion eine Rolle spielen. Demnach demonstrieren Individuen eine gute Fitness bzw. "gute" Gene, indem sie Merkmale aufweisen, die keinen Vorteil besitzen, sondern eher einen Nachteil. Das Paradebeispiel dafür ist der Pfauenschwanz, der die männlichen Vögel eigentlich behindert. Er gibt ihnen jedoch die Möglichkeit, große Fitness zu demonstrieren, die es ihnen erlaubt, trotz dieses Nachteils zu überleben. Die Botschaft lautet: Ich bin aufgrund meiner Gene so stark und gesund, dass mir dieser Schwanz nichts ausmacht. Demnach hätten die kleinen Füße von Frauen also keinen Vorteil im Sinne einer Anpassung an die nichtmenschliche Umwelt.

Doch daneben gibt es noch eine andere - funktionalistische - Erklärung, die alternativ oder gleichzeitig greifen könnte. Nach Einschätzung von Atkinson und Rowe spiegeln die Körpermerkmale der Frauen, deren Gesichter von Männern bevorzugt wurden, "perfekt die evolutionären Veränderungen des Skeletts des Homo sapiens und seiner Vorfahren während der vergangenen Millionen Jahre wieder". Unsere Art sei unter anderem graziler, schmaler und langbeiniger geworden. Dies, so vermuten sie, unterstütze die Hypothese, der Mensch habe sich in den vergangenen Millionen Jahren zu einem besonders ausdauernden Läufer entwickelt.

Würden Männer gerade Frauen mit den entsprechenden Eigenschaften besonders attraktiv finden und als Partnerinnen bevorzugen, so hätte dies die Evolution dieser Merkmale unterstützt. Ob allerdings gerade kleine Füße mit einer höheren Laufeffizienz zusammenhängen, ist noch unklar.

Weshalb Frauen bei Männern bestimmte Merkmale bevorzugen, ist ebenfalls nicht einfach zu erklären. Hier traten deutliche Unterschiede bei der Bewertung der Gesichter als männlich einerseits und als attraktiv andererseits auf. So wurden Männer mit breiten Schultern als besonders maskulin und als "offen für Sex ohne Liebe" eingeschätzt. Jene mit schmalen Schultern erschienen dagegen häufiger als attraktiv. Und Männer mit schmalen Handgelenken - ein eher unmännliches Merkmal - waren die bevorzugten Kandidaten für lange Beziehungen.

Dies, so vermuten die Forscher, reflektiere einen Kompromiss zwischen dem unbewussten Bedürfnis der Frauen nach einem treuen Partner, der langfristig in den Nachwuchs investiert, und dem Wunsch, dass die Kinder die "guten Genen" eines "Alphamännchens" erben - auch "auf die Gefahr hin, dass die Frau am Ende mit den Kindern allein dasteht", wie Atkinson im Magazin New Scientist erklärt.

Welche Erklärungen letztlich zutreffen - die Studie zeige, so Atkinson, dass Schönheit tatsächlich unter die Haut geht. "Sie geht bis in die Knochen."

Wie immer, wenn es um Evolutionspsychologie geht, bleibt zu bedenken, dass das Verhalten des Menschen von etlichen Faktoren beeinflusst wird. Letztlich decken die Wissenschaftler zwar Hinweise auf Trends und Tendenzen auf. Doch das bedeutet nicht, dass alle Frauen unter 1,60 Meter Körpergröße unattraktiv sind, noch ist eine solche Studie der Beweis dafür, dass alle Frauen Männern mit breiten Handgelenken eine latente Bereitschaft zum Seitensprung unterstellen.

Auf jeden Fall aber darf man solche Studien als Hinweis darauf werten, dass unsere Partnerwahl von erheblich mehr Faktoren beeinflusst wird, als wir uns bewusst sind.

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