Verhaltensbiologie:Raben-Mathematik

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Junge Raben in Wales bilden zur Futtersuche Gangs. Offenbar verhalten sie sich nach den wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten der Spieltheorie.

Tina Baier

Eigentlich ist die sogenannte Spieltheorie ein Instrument von Wirtschaftswissenschaftlern, etwa um das Verhalten von Konsumenten vorherzusagen.

Junge Raben in Nord-Wales ziehen als Gang los, um Futter zu suchen. (Foto: Foto: Sigurður Atlason/ Verwendung gemäß GNU Lizenz zur freien Dokumentation)

Es geht dabei immer um Situationen, in denen der Erfolg des Einzelnen nicht nur vom eigenen Handeln abhängt, sondern auch von den Aktionen anderer.

Beim "Hirschjagd" genannten mathematischen Problem beispielsweise kann jeder von zwei Jägern allein nur einen Hasen erlegen. Die beiden versuchen sich abzusprechen, um zusammen einen Hirsch zu töten, der jedem Einzelnen mehr einbrächte.

Läuft nun auf der Pirsch einem der beiden ein Hase über den Weg, muss er sich entscheiden, ob er ihn erlegt und damit die Chance auf den Hirsch vertut.

Gleichzeitig muss er überlegen, wie sein Kollege handeln würde. Entscheidet sich dieser in gleicher Lage für den Hasen, besteht für den ersten Jäger die Gefahr, leer auszugehen: wenn er den Hasen laufen lässt und am Ende auch den Hirsch nicht bekommt, weil sein Partner aus dem gemeinsamen Projekt ausgestiegen ist.

Biologen aus Exeter haben die Spieltheorie jetzt auf das ungewöhnliche Verhalten junger Raben angewendet, das in Nord-Wales beobachtet wurde. Normalerweise fliegen junge Raben einzeln los, um nach Futter, etwa einem verendeten Tier zu suchen. Haben sie einen Kadaver entdeckt, holen sie Verstärkung von anderen Jungvögeln.

Nur gemeinsam können sie sich gegen alte erfahrene Rabenpärchen durchsetzen, die den Kadaver als ihr Eigentum betrachten, weil er in ihrem Revier liegt. Die Jungvögel aus Wales ziehen dagegen gleich als Gang los, um Futter zu suchen.

Auf den ersten Blick ist diese Taktik uneffektiv. Denn die Wahrscheinlichkeit, ein totes Tier zu entdecken, verringert sich, wenn alle in dieselbe Richtung fliegen. Nach den theoretischen Berechnungen der Spieltheorie hat dieses Verhalten nur dann einen Vorteil, wenn es im Prinzip genug Nahrung für alle gibt.

Wie die Wissenschaftler herausfanden, trifft genau das auf die Gegend zu, in der die Raben-Gangs unterwegs sind. Dafür kann die enge Zusammenarbeit in der Gruppe den sozialen Status einzelner Tiere verbessern. Das verschafft ihnen Vorteile in anderen Lebensbereichen, etwa bei der Suche nach einem Partner.

© SZ vom 26.02.2009/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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