Verhaltenbiologie:Hilf deinem Nächsten

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Ein afrikanischer Graupapagei (Psittacus erithacus). (Foto: PanWoyteczek / CC4.0)

Graupapageien unterstützen Artgenossen, auch wenn sie selbst keinen Nutzen davon haben. Warum tun die intelligenten Vögel das?

Von Katrin Blawat

Graupapageien haben es nicht leicht. Zwar stellte diese Art schon vor Jahrzehnten mit dem gewandt parlierenden Alex einen Star, der es dank seiner Sprachfähigkeiten zu einiger Berühmtheit brachte. Doch Alex ist seit gut 13 Jahren tot, und ohnehin strahlte sein Ruhm nie im großen Stil auf seine gesamte Spezies ab. Die hat stets im Schatten anderer gestanden, etwa der als superklug und supersozial gerühmten Rabenvögel. Ob sich das nun ändert? Berechtigt wäre es zumindest angesichts der Studie, die Désirée Brucks und Auguste von Bayern vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen nun im Fachmagazin Current Biology veröffentlicht haben.

Demnach sind Graupapageien derart hilfsbereit und koordinieren ihre Unterstützung für Artgenossen so geschickt, dass sie damit alle anderen bisher untersuchten Vogelarten übertrumpfen. Sogar manche Menschenaffen sind schon an der Aufgabe gescheitert, die die acht Graupapageien in der aktuellen Studie bewältigt haben.

Ein Vogel gab dem anderen Wertmarken, die dieser gegen Nüsse eintauschen konnte

Für das Tauschexperiment saßen jeweils zwei Vögel in benachbarten Abteilen, die durch eine kleine Öffnung miteinander verbunden waren. Einer der Papageien besaß Wertmarken, die er seinem Partner reichen konnte. Diese Marken wiederum konnte der beschenkte Vogel bei einem Forscher, der vor dem zweiten Käfig saß, gegen Nüsse eintauschen. Diese Tauschgeschäfte gingen sieben der acht Graupapageien bereits im ersten Versuch ein.

Das Tier im ersten Abteil konnte keinen Kontakt zu dem Menschen aufnehmen - und damit auch nicht an die Leckerbissen gelangen. Es hatte also nichts zu verlieren, wenn er seinem Artgenossen zu Futter verhalf, unmittelbar aber auch nichts zu gewinnen. Dass ein Vogel den anderen in dieser Situation unterstützt, zeugt nicht nur von Hilfsbereitschaft, sondern auch von einer nicht zu unterschätzenden kognitiven Leistung. Schließlich musste der Papagei mit den Wertmarken erkennen, welche Hilfsmittel sein Partner zur Futterbeschaffung brauchte. Zudem zeigten Kontrollexperimente, dass die Vögel die Marken nicht bloß ziellos aus einer Laune heraus abgaben. War das benachbarte Käfigabteil nämlich leer oder hatte auch der zweite Papagei keine Möglichkeit, mit dem Menschen in Kontakt zu kommen, gab der erste Vogel kaum einmal Wertmarken ab. Dagegen florierten die Tauschgeschäfte besonders, wenn sich die beiden beteiligten Vögel gut vertrugen. Somit haben Graupapageien eine intrinsische Motivation, Gruppenmitgliedern zu helfen, folgern die beiden Autorinnen.

In einem vergleichbaren Experiment hatten sich bereits Orang-Utans und Bonobos ähnlich hilfsbereit gezeigt wie nun die Graupapageien. Schimpansen, Gorillas und Raben hingegen gaben kaum einmal eine Wertmarke ab. Auch Gebirgsaras, die die Biologinnen in der aktuellen Studie ebenfalls getestet haben, unterstützten ihre Partner im Nachbarabteil nicht. Der Grund für diese unterschiedlichen Ergebnisse ist noch unklar. Die Raben zum Beispiel könnten das Experiment womöglich nicht ausreichend durchschaut haben, spekulieren Forscher um Thomas Bugnyar von der Universität Wien.

Auch im Fall der Graupapageien rätseln die Biologinnen, wie und warum es zu der Hilfsbereitschaft ihrer Studienteilnehmer kommt. Womöglich spielt die Lebensweise der Vögel eine Rolle. Graupapageien leben in großen Gruppen mit bis zu 1200 Individuen, die sich stetig neu zusammensetzen. Vielleicht zahlt es sich angesichts der häufig wechselnden Nachbarn besonders aus, sich als großzügiger Helfer zu profilieren und beständig an seinem guten Ruf zu feilen.

© SZ vom 10.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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