Einer alten Dame über die Straße helfen oder Knochenmark für einen Unbekannten spenden - Hilfsbereitschaft ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren des menschlichen Miteinanders.
Sowohl die uneigennützige Hilfe als auch die zielgerichtete Zusammenarbeit sind offenbar Eigenschaften, die Mensch und Schimpanse teilen.
(Foto: Foto: dpa)Und sie schien auch lange eine rein menschliche Eigenart zu sein. Bisher hatten Wissenschaftler stets vermutet, dass sich Tiere nur in besonderen Fällen altruistisch verhalten, zum Wohle anderer: dann nämlich, wenn sie Verwandten helfen oder selbst eine Gegenleistung erwarten.
Forscher des Leipziger Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie (EVA) liefern nun jedoch Indizien dafür, dass Schimpansen doch helfen, ohne nur den eigenen Vorteil im Fokus zu haben; zudem liefern sie Hinweise, dass selbstloses Verhalten bereits in kleinen Kindern und jungen Affen angelegt ist (Science, Bd. 311, S. 1301, 2006).
Schon kleine Kinder erkennen Bedürfnisse anderer Menschen
Den Wurzeln des Altruismus auf der Spur, prüften Felix Warneken und Michael Tomasello die Hilfsbereitschaft kleiner Kinder und junger Schimpansen. Dazu konfrontierten sie 24 Kinder im Alter von 18 Monaten mit einem erwachsenen, unbekannten Versuchsleiter.
Dieser führte verschiedene Handlungen vor, in denen ihm scheinbar Missgeschicke passierten: Zum Beispiel fiel ihm eine Klammer beim Wäscheaufhängen so auf den Boden, dass er sie nicht mehr erreichen konnte. Sehnsuchtsvoll blickte der Mann dann auf den Gegenstand oder verdeutlichte durch einen Ausruf, dass ihm nun etwas fehlte.
Jedes der Kinder eilte bei mindestens einer der verschiedenen Aufgaben sofort zu Hilfe. "Wenn ich die Klammer aber absichtlich auf den Boden warf, hoben die Kinder sie nicht auf. Sie gaben sie mir nur, wenn sie erkannten, dass ich die Klammer brauchte, um mein Ziel zu erreichen", sagt Felix Warneken.
Altruismus in der Wildnis nur bei Verwandten?
Der Leipziger Versuch ist ein starker Hinweis dafür, dass schon sehr kleine Kinder die Bedürfnisse anderer Menschen erkennen und sich hilfsbereit verhalten. Ob dies auch auf Schimpansen zutrifft, überprüfte Warneken mit einem ähnlichen Versuchsaufbau: Drei junge, von Menschen aufgezogene Schimpansen wurden vor die gleichen Aufgaben wie die Kleinkinder gestellt. Die Tiere halfen genauso schnell wie ihre menschliche Verwandtschaft, ohne dafür eine Belohnung zu bekommen.
Allerdings verstanden die Affen offenbar nicht alle Probleme. Sie waren nur bei den leichteren Aufgaben wie der heruntergefallenen Klammer zu Diensten. Aber immerhin: Es sei die erste Studie, die altruistisches Verhalten bei einem Affen zeige, so Warneken.
In der Wildnis ist Altruismus bisher nur unter verwandten Tieren beobachtet worden. Und bei dieser Form handelt es sich nicht unbedingt um Altruismus. Denn wenn eine Mutter etwas für ihr Kind tut, sorgt sie auch für sich selbst: Ihr eigenes Genmaterial wird gepflegt. Andere Formen des Altruismus wurden dagegen bisher nur dem Menschen zugestanden. Ein Grund, weshalb der Evolutionspsychologe Harald Euler von der Universität Kassel Warnekens Euphorie über die hilfsbereiten Schimpansen, die von Menschen aufgezogen wurden, nur bedingt teilt.