Süddeutsche Zeitung

Psychologie:Wer ein Interesse daran hat Fake News zu verbreiten

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Von Sebastian Herrmann

Die Empörung einer verhassten Person kann süße Belohnung sein. Wenn nur die richtige Partei in einer Auseinandersetzung getroffen aufheult, ist schon viel gewonnen und dazu ist manchen Streithanseln jedes Mittel recht. Gerade haben Sozialwissenschaftler von der dänischen Universität Aarhus um Mathias Osmundsen eine Studie auf dem Preprint-Server PsyArXiv veröffentlicht, in der diese Logik mit dem Thema Fake News verknüpft wird: Demnach scheint die bebende Wut der politischen Gegenseite eine wesentliche Motivation zu sein, falsche Behauptungen und frei erfundene Geschichten in den sozialen Netzwerken zu teilen. So lange sich die Anderen darüber aufregen, ist der Wahrheitsgehalt einer Nachricht für manche Nutzernicht so wichtig. Je stärker die Verachtung für das gegnerische politische Lager ist, desto eher spielt diese Motivation eine Rolle in der individuellen Verbreitung sogenannter Fake News.

Der US-amerikanische Autor Eric Hoffer hat es 1951 in seinem hellsichtige Buch "The True Believer. Thoughts on the Nature of Mass Movements" prägnant auf den Punkt gebracht: "Massenbewegungen können ohne den Glauben an einen Gott entstehen und wachsen - aber niemals ohne den Glauben an einen Teufel." Auf das gegenwärtige Individuum übertragen, bedeutet das: Man muss nicht wissen, welche politischen Positionen man unterstützt, solang einem klar ist, wen und was man alles inbrünstig ablehnt oder hasst. In diesem Sinne hat alles einen Wert, was diese Gegenseite abwertet und in Raserei versetzt.

Kein Faktencheck der Welt verfügt über die Macht, gegen diese Motivation anzukommen

Die Wissenschaftler um Osmundsen werteten nun für ihre Studie Daten amerikanischer Twitter-Nutzer aus. Knapp 9000 von ihnen nahmen an einer detaillierten Befragung teil, aus der die Forscher demografische, psychologische und politische Profile der Teilnehmer erstellten. Zusätzlich stimmten etwas mehr als 2300 Probanden zu, dass die Autoren ihre Twitter-Aktivitäten auswerten durften. Die Analyse ergab, dass jene Nutzer mit höherer Wahrscheinlichkeit Fake News teilten, die auch mit besonderer Leidenschaft die politische Gegenseite ablehnen. Ob eine verbreitete Aussage einen Funken Wahrheit enthalte, sei für die Nutzer dabei "keine relevante Dimension der Bewertung", schreiben die Wissenschaftler. Kein Faktencheck der Welt könne deshalb diese Menschen davon abhalten, Fehlinformationen zu streuen. In der Studie ließ sich zudem eine Asymmetrie feststellen: Anhänger der US-Republikaner verbreiteten eher Fake News als die der Demokraten.

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Quelle:
SZ vom 31.03.2020
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