Veränderter Lebensrhythmus:Amseln stehen in der Stadt früher auf

Amsel, Stadt

Frühaufsteher: In der Stadt schlafen Amseln 40 Minuten weniger als auf dem Land

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Für viele Menschen ist das Stadtleben stressig. Offenbar gilt das aber auch für Vögel. Forscher berichten, dass Amseln in der Stadt später schlafen gehen - und morgens früher aufstehen.

Das Leben in der Stadt kann ganz schön aufregend sein. Für Menschen gilt dies sowieso - nicht ohne Grund suchen viele an den Wochenenden Entspannung auf dem Land. Forscher des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell am Bodensee und der britischen Universität Glasgow haben nun herausgefunden, dass auch bei Vögeln in der Stadt der Rhythmus schneller läuft als bei ihren Artgenossen, die auf dem Land leben.

"Die Stadtvögel stehen früher auf und gehen später ins Bett", sagte Jesko Partecke, der beim Max-Planck-Institut an der Studie beteiligt war. Für ihre Untersuchungen haben die Wissenschaftler eine Gruppe von männlichen Amseln (Turdus merula) in München und in einem Waldgebiet südwestlich der Stadt mit Minisendern ausgestattet.

Mehrere Tage lang wurde die Aktivität der Vögel in ihrem natürlichen Umfeld gemessen. Anschließend wurden die Tiere eingefangen und etwa zehn Tage lang in licht- und schalldichten Käfigen gehalten. "Viele Organismen sind auf einen Tag- und Nacht-Rhythmus geeicht", sagte Partecke. "Wenn ihnen dieser Zeitgeber entzogen wird, fangen sie an, ihren eigenen inneren Rhythmus zu zeigen."

Dadurch konnte dem Forscher zufolge nachgewiesen werden, "dass die Periodenlänge - also das Maß, wie lang oder wie kurz der Rhythmus ist - zwischen den beiden Populationen unterschiedlich ist".

Das Ergebnis der Studie, die in den Proceedings of the Royal Society B. veröffentlicht ist: Im Freiland zeigte sich, dass Waldamseln ihren Tag mit dem Sonnenaufgang und -untergang starten und beenden. Stadtamseln wachen dagegen im Schnitt 30 Minuten vorher auf, außerdem endet ihr Tag etwa neun Minuten später - sie sind also fast 40 Minuten pro Tag länger aktiv als ihre Artgenossen auf dem Land.

Unter Laborbedingungen zeigte sich wiederum, dass die innere Uhr der Stadtamseln 50 Minuten schneller als die der Waldamseln läuft. Zudem ist der Rhythmus der Stadtamseln störanfälliger, also nicht so stabil wie der von Waldamseln. "Im Freiland gibt es auch Hinweise darauf, dass manche sogar mitten in der Nacht singen", sagte Partecke.

Grund für den veränderten biologischen Rhythmus könnten Umweltbedingungen in Städten sein - etwa die nächtliche Beleuchtung und der höhere Lärmpegel. Ob auch eine genetische Veränderung stattgefunden habe, müsse man in weiteren Studien prüfen. Allerdings müsse man vorsichtig sein, allgemeingültige Schlüsse zu ziehen: Für die Studie wurden jeweils lediglich sechs Amselmännchen verwendert.

Jeodch: Auch andere Studien zeigen, dass sich Vögel in der Stadt anders verhalten als auf dem Land. Bei Blaumeisenmännchen fanden Forscher heraus, dass sie in der Stadt häufiger fremdgehen. Und Amseln, die in der Stadt leben, singen höher und lauter, um den Lärm zu übertönen.

Unklar sei ebenfalls, ob die veränderte innere Uhr Vor- oder Nachteile für die Tiere habe. "Es kann sein, dass ein Vogel, der früher wach ist, beispielsweise mehr Chancen hat, genügend Futter zu finden", sagte Partecke. Forschungen beim Menschen hätten aber auch gezeigt, dass beispielsweise Nachtschichten sich negativ auf die Gesundheit auswirken könnten. "In der Humanforschung sind wir da ein Stückchen weiter, in der Zoologie wissen wir noch relativ wenig darüber", sagte Partecke.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: