Venustransit:Schatten auf dem Feuerball

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Die letzte Chance für 105 Jahre: Am kommenden Mittwoch lässt sich beobachten, wie die Venus als dunkle Scheibe an der Sonne vorüberzieht. Wer das seltene Ereignis live sehen will, muss früh aufstehen.

Laura Hennemann

Das Trainingslager liegt im Smartphone. Wer sich auf den Venustransit am 5. und 6. Juni vorbereiten möchte, kann in der App "Venustransit" schon mal die Beobachtungszeiten für seinen Heimatort nachschlagen. Im Simulationsmodus kann er üben, den Zeitpunkt für den Ein- oder Austritt zu bestimmen. Wenn es dann losgeht, müssen schließlich alle Handgriffe sitzen. Das seltene Himmelsereignis, wenn der Planet Venus als dunkle Scheibe vor der Sonne vorbeizieht, ist am frühen Mittwoch in Deutschland nur kurz zu sehen. Wenn die Sonne aufgeht - um 4:34 Uhr auf Rügen, um 5:14 in München, um 5:32 in Lörrach - hat die Venus schon mehr als drei Viertel ihres Weges über die Sonnenscheibe hinter sich: Kurz vor sieben Uhr ist das Spektakel vorbei. Es wiederholt sich erst im Jahr 2117.

Als kleiner dunkler Punkt wanderte die Venus schon 2004 vor der gleißenden Sonne entlang. Am Mittwoch wird sie den oberen Teil der Lichtkugel queren. (Foto: AP)

Wer möchte, kann die App auch nutzen, sich an einem großen Wissenschaftsprojekt zu beteiligen: der Bestimmung des Abstands von Sonne und Erde. Zwar ist diese Größe, die sogenannte Astronomische Einheit, schon per Radar sehr genau vermessen, es sind 149,6 Millionen Kilometer. Die Smartphone-Software überträgt diese astronomische Arbeit aber in die Ära des Mitmach-Internets: Menschen in aller Welt können die Messung zusammen nachvollziehen. Das unterstreicht, wie sehr sich die Technik gewandelt hat, seit sich im 18. Jahrhundert ein ähnliches internationales Projekt an der gleichen Frage versuchte - damals war die Größe der Astronomischen Einheit eine brennende Frage der Wissenschaft.

Unbedeutend für Wissenschaftler ist die Beobachtung des Venustransits aber auch diesmal nicht. "Wir schulden es kommenden Astronomen, so viele Daten wie möglich zu sammeln", schreibt Jay Pasachoff, Professor für Astronomie am Williams College in Massachusetts, im Fachblatt Nature. "Man weiß nie, was sich für die zukünftige Forschung als entscheidend herausstellen wird."

Forscher können zum einen etwas über die Atmosphäre der Venus lernen, die zu Beginn und am Ende des Transits von der Sonne durchleuchtet wird. Die ESA-Sonde Venus Express, die seit 2006 um den Planeten kreist, kann immer nur einen kleinen Ausschnitt seiner Gashülle analysieren. Schon beim Venustransit 2004 erstrahlte bei Ein- und Austritt der Venus ein leuchtender Halbkreis aus gestreutem Sonnenlicht. Die Venusatmosphäre zeigte sich dabei alles andere als gleichförmig, an manchen Stellen war das Leuchten stärker als an anderen. Die Ursachensuche dauert an.

Andere Forscher verfeinern während des Venustransits ihre Methoden, Planeten in fremden Sonnensystemen zu entdecken. Eine der dabei verwendeten Methoden, die auch das Weltraumteleskop Kepler nutzt, ist die Suche nach solchen Transiten. Dann ist zwar von der Erde aus nicht zu erkennen, dass eine dunkle Scheibe vor einem fernen Stern vorbeizieht. Aber dessen Helligkeit verringert sich vorübergehend. Viele der mittlerweile mehr als 750 Exoplaneten sind auf diese Weise entdeckt worden.

Darum sind Astronomen fasziniert, nun einen Planetentransit aus allernächster Nähe zu beobachten. Sie können dabei zum Beispiel den Durchmesser der Venus bestimmen; da der Wert schon genau bekannt ist, testen Astronomen damit die Genauigkeit ihrer Instrumente. Das wiederum hilft ihnen abzuschätzen, mit welcher Zuverlässigkeit sich die Größe von Exoplaneten anhand von Transitbeobachtungen ermitteln lässt.

Auch das Weltraumteleskop Hubble wird den Venustransit erfassen. Da seine Sensoren zu empfindlich sind, um direkt in die Sonne zu blicken, wird es auf den Mond ausgerichtet, wo es den vorbeilaufenden Schatten der Venus registriert. Auf ähnliche Weise soll Hubble im Januar 2014 einen weiteren Transit verfolgen: Dann nämlich wirft die Erde ihren Schatten auf die Oberfläche des Jupiter. Und was könnte spannender sein, als einen bewohnten Planeten zu beobachten?

Womöglich wird unser eigener Himmelskörper den Forschern zeigen, nach welchen Anzeichen für extraterrestrisches Leben sie bei Exoplaneten Ausschau halten sollten. Allein die Methode zu verfeinern, Sauerstoff in der Atmosphäre nachzuweisen, könnte bei der Suche helfen.

Wissenschaftliche Laien, die das Ereignis am Mittwoch beobachten möchten, haben dazu etliche Möglichkeiten: Kurz nach Mitternacht werden amerikanische Webseiten mit der Übertragung beginnen. Wer den Transit in Deutschland selbst sehen möchte, braucht: einen zuverlässigen Wecker, klares Wetter, einen freien Blick auf den nordöstlichen Horizont und eine Schutzbrille aus Spezialfolie. Nicht nur Hubbles Sensoren sind empfindlich, auch die menschlichen Augen.

© SZ vom 23.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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