Raumfahrt:Donaldchens Mondfahrt

Astronaut Eugene Cernan bei der Mondlandung von Apollo 17, 1972

Der US-Astronaut Eugene Cernan mit US-Flagge und Lunar Roving Vehicle, am 19. Dezember 1972. Er war der bislang letzte Mensch auf dem Mond.

(Foto: REUTERS/Nasa)
  • US-Vizepräsident Mike Pence hat angekündigt, dass 2024 wieder Amerikaner auf dem Mond landen sollen.
  • Doch noch ist die Finanzierung offen.
  • Auch die Technik macht Probleme: Unter anderem fehlt eine Landefähre für den Mond.

Von Alexander Stirn

Die Ansage war klar, und sie kam überraschend: In spätestens fünf Jahren, so US-Vizepräsident Mike Pence Ende März bei einem Auftritt in Alabama, werden wieder Amerikaner über den Mond spazieren. Eine Astronautin wird dabei sein. Und die Menschen werden bleiben, den Erdtrabanten erkunden und dort die nötigen Erfahrungen sammeln für Flüge in die Tiefen des Sonnensystems.

Pence, im Team von US-Präsident Donald Trump für den Weltraum zuständig, mag die Inszenierung: Für seine große - Kritiker sagen: großspurige - Ankündigung war er extra nach Huntsville gereist, in die Wiege des amerikanischen Raketenbaus. Dort, stilecht unter einem Prototyp der mächtigen Saturn V, die vor 50 Jahren die ersten Menschen zum Mond gebracht hatte, diktierte er der Raumfahrtbehörde Nasa die neuen Aufgaben, nicht ohne den nötigen Patriotismus: "Um es ganz klar zu machen", so Pence, "die erste Frau und der nächste Mann auf dem Mond werden amerikanische Astronauten sein, gestartet von amerikanischem Boden mit amerikanischen Raketen."

Einen Monat später ist noch immer vieles unklar, auch wenn die Nasa bereits massiv Werbung für das neue Ziel betreibt. Langsam kristallisiert sich allerdings heraus, dass viele, viele Hürden überwunden werden müssen, bevor wieder Menschen auf dem Mond landen. Nicht im Weltall, sondern in Washington.

Das größte Problem ist das Geld: "No bucks, no Buck Rogers" lautet ein geflügelter Spruch in der US-Raumfahrt, der sich auf einen weltraumreisenden Science-Fiction-Helden bezieht: Keine Moneten, keine Astronauten. Mehr als 40 Milliarden Dollar (umgerechnet auf die heutige Kaufkraft) haben die USA in 1960er-Jahren ausgegeben, um zwölf Menschen zum Mond zu bringen.

Ganz so teuer dürfte es dieses Mal nicht werden. Der aktuelle Nasa-Haushalt reicht trotzdem nicht. Zwar beträgt das Budget mehr als 20 Milliarden Dollar, die aber weitgehend für die Wissenschaft sowie die Internationale Raumstation ISS verplant sind. Und Nasa-Chef Jim Bridenstine hat bereits angekündigt, dass er diese Bereiche nicht wegen des Mondprogramms "kannibalisieren" möchte.

Das Space Launch System SLS verzögert sich immer weiter. Aber es ist politisch gewollt

Mitte April wollte die Nasa den Finanzplan für ihr Mondabenteuer veröffentlichen. Nun soll es Ende des Monats so weit sein. Zwei bis vier Milliarden Dollar dürften aber allein im Haushaltsentwurf für 2020 fehlen. Geld, das Bridenstine im politisch gespaltenen US-Kongress eintreiben muss, der über das Nasa-Budget entscheidet. Und das wird schwer. "Technisch ist das Vorhaben realistisch. Nicht einfach, aber machbar", so Bridenstine vor wenigen Tagen im Gespräch mit dem Magazin Ars Technica. "Deutlich größer - und etwas, das wir frühzeitig ausräumen müssen - ist das politische Risiko: Wie bekommen wir das Geld zusammen?"

Sorgen macht allerdings auch die Rakete. Seit 2011 entwickelt die Nasa unter dem Namen Space Launch System (SLS) für bislang 14 Milliarden Dollar eine neue Schwerlastrakete für Flüge zum Mond und zum Mars. 2016 sollte das Monstrum zum ersten Mal abheben. Aufgrund großer technischer und organisatorischer Probleme beim Hersteller Boeing ist nun sogar der aktuelle Starttermin Ende 2020 in Gefahr.

Eine Landefähre und eine Raumstation im Mondorbit fehlen auch noch

Aber die Nasa kann kaum nach Alternativen suchen: SLS ist primär ein politisches Projekt. Der US-Senat will damit Arbeitsplätze in den wichtigen Raumfahrt-Bundesstaaten sichern - allen voran in Alabama. Dessen einflussreicher Senator Richard Shelby, einer der größten SLS-Fürsprecher, sitzt ausgerechnet dem Haushaltsausschuss vor. Sprich: Ohne SLS auch kein Geld für den Mond.

Bridenstine, ein Politikprofi, der fünf Jahre für die Republikaner im Kongress saß, weiß das. Trotzdem wiederholt er unentwegt das Motto von Pence: Der Mond zähle, nicht der Weg dorthin. Und er bringt immer wieder Alternativen ins Spiel, zuletzt sogar die Falcon Heavy der privaten Raketenfirma Space-X. Auch damit, so Bridenstine laut US-Medien, ließen sich die Mondpläne verwirklichen; es brauche nur eine verbesserte Oberstufe. Für SLS-Fans kommt allein die Erwähnung von Space-X allerdings einem Sakrileg gleich.

Es scheint fast, als würden Pence und Bridenstine den Boeing-Managern eine letzte Chance geben: "Entweder ihr schafft es bis 2024 oder wir suchen uns Alternativen." Dann wäre der Mondtraum zwar vorläufig ausgeträumt, Bridenstine hätte die ungeliebte SLS aber von der Backe. Und der Weg wäre frei für billigere, kommerzielle Mondabenteuer. Zudem überlegt die Nasa, das Testprogramm der SLS zu straffen. Die Hauptstufe der Rakete mit ihren vier Triebwerken würde erstmals auf der Startrampe zum Leben erwachen und nicht auf dem Teststand. Ein riskanter Schritt.

Doch die Zeit drängt, auch bei der Landefähre, für die es bislang lediglich Ideenwettbewerbe gibt, und bei einer geplanten Raumstation im Mondorbit, die als Ausgangsbasis für Landungen benötigt wird. Dieser sogenannte Gateway ist eigentlich als internationales Projekt geplant. Bislang will sich aber nur Kanada mit einem Roboterarm beteiligen. Russland und Japan zögern. Und Europa wird frühestens Ende des Jahres über eine Beteiligung entscheiden. Pence' aggressive Amerika-Rhetorik ist dabei nicht hilfreich.

Zumal ein überzeugender Grund fehlt, noch einmal auf dem Mond zu landen. Das Apollo-Programm war deshalb so erfolgreich, weil es als Wettlauf mit den Sowjets verkauft werden konnte. Heute müssen die wissenschaftliche Erkundung des Mondes, der Abbau von Bodenschätzen, die Lektionen für künftige Marsreisen als Gründe herhalten. Nichts, was die Massen begeistert. In Huntsville versuchte es Pence daher mit dem Griff in die Wettlauf-Kiste: China wolle die strategische Überlegenheit auf dem Mond erringen und sich zur führenden Raumfahrtnation aufschwingen. "Wir befinden uns erneut in einem Wettrennen", so Pence. "Und dieses Mal steht mehr auf dem Spiel."

Das Problem: China verfolgt zwar ein ehrgeiziges Raumfahrtprogramm, ist Anfang des Jahres als erste Nation mit einem Roboterfahrzeug auf der erdabgewandten Seite des Mondes gelandet und möchte eines Tages auch mit Astronauten über den Erdtrabanten spazieren. An einem Wettrennen hat die politische Führung aber kein Interesse. Viel lieber würde die Volksrepublik kooperieren und dadurch ihr weltweites Ansehen aufbessern. Solch eine Zusammenarbeit lehnt der US-Kongress aber strikt ab.

Andererseits: Verglichen mit ähnlichen Initiativen aus der Vergangenheit hat Pence' Ankündigung, sofern sie mehr ist als Wahlkampfgetöse und Ablenkungsmanöver von den Problemen der Trump-Regierung, einen großen Vorteil: ihren Zeitplan. Als Präsident George W. Bush der Nasa 2004 die Order erteilte, zum Mond zurückzukehren, war die Landung für 2020 geplant, lange nach Bushs Amtszeit. Nachfolger Barack Obama hatte wenig Skrupel, die Mondpläne zu streichen. Er ersetzte sie durch eigene Ideen einer Marslandung, die ihrerseits umgehend von Trump kassiert wurden.

In den wenigen Jahren bis 2024 hätten Pence und Trump hingegen alle Möglichkeiten, ihre Pläne umzusetzen. Vorausgesetzt, der Kongress spielt mit. Und vorausgesetzt, Trump wird Ende 2020 für weitere vier Jahre im Amt bestätigt. Auch das mag vielen als hoher Preis erscheinen.

Zur SZ-Startseite
Die Astronauten Mark und Scott Kelly

Weltraummedizin
:Die Vermessung der Astronauten-Zwillinge

Scott Kelly verbrachte ein Jahr auf der ISS, sein Bruder Mark blieb am Boden. Beide ließen sich permanent untersuchen, damit Forscher klären können: Was macht die lange Zeit im All mit Körper und Geist eines Menschen?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: