USA:Krieg der Sternschnuppen

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Asteroiden könnten einen "Atomkrieg aus Versehen" auslösen.

Christopher Schrader

(SZ vom 17.7.2002) - Der Mensch verdankt sein Leben einem Asteroiden. Schließlich hat ein Brocken aus dem All, der vor 65 Millionen Jahren in Mexiko aufschlug, die Dinosaurier effektiv am Weiterleben gehindert und den Säugetieren ihre historische Chance gegeben - auch dem Säugetier Homo sapiens. Jetzt könnte erneut ein kosmischer Killer das Leben bedrohen, weshalb Astronomen die Blicke nach außen richten, um die so genannten NEOs (Near Earth Objects) wenigstens kommen zu sehen.

Der Meteor-Krater in der Wüste Arizonas: Das kosmische Geschoss, das vor 50.000 Jahren eingeschlug, hat ein Loch von mehr als 1300 Metern Durchmesser hinterlassen. (Foto: N/A)

Über dem Mttelmeer

Die Angst der Menschen wird durch Hollywood-Epen wie "Armageddon" angeheizt - und jetzt fügt ein US-General eine weitere Sorge hinzu: Kleine Asteroiden, die von der Atmosphäre gestoppt und in überdimensionale Sternschnuppen verwandelt werden, könnten einen Atomkrieg "aus Versehen" auslösen. Zum Beispiel war Anfang Juni ein nur fünf bis zehn Meter großer Felsblock in der Atmosphäre über dem Mittelmeer verglüht.

Sensible region Indiene

Wäre dieser Lichtblitz zu gleicher Zeit über Indien oder Pakistan entstanden, warnte der US-Brigadegeneral Simon Worden bei einem Hearing im amerikanischen Senat, hätten nervöse Militärs der beiden Atommächte das womöglich als nuklearen Angriff interpretiert - und ihn beantwortet. "Keine dieser Nationen hat unsere ausgefeilten Sensoren, um den Einschlag eines NEO von einer Atomexplosion zu unterscheiden", sagte Worden dem Fachblatt Aerospace Daily. Darum solle nun das Pentagon ein Beobachtungszentrum einrichten, das seine Daten schnell und unbürokratisch an andere Staaten weitergibt.

20 bis 30 Mal im Jahr

Die Gefahren, die von solchen kleinen Asteroiden ausgehen, bestätigt Christian Gritzner von der Technischen Universität Dresden: "20- bis 30-mal im Jahr schlagen Asteroiden dieser Größe in der Atmosphäre ein. Wenn das über einer Krisenregion passiert, kann es eine Kettenreaktion auslösen." Eine schnelle Entwarnung, womöglich gar in wenigen Minuten, sei schwierig. "Man muss den Verlauf der Helligkeit analysieren. Ein Objekt, das langsam anfängt zu glühen und nicht schlagartig explodiert, ist wohl eher ein Asteroid."

Vorhersagen lassen sich die Einschläge bisher aber auch nicht. Erst vor kurzem raste ein Himmelskörper von etwa 80 Metern Durchmesser an der Erde vorbei. Astronomen entdeckten ihn erst, als er die Erde schon drei Tage hinter sich gelassen hatte. Ein ähnlicher Brocken war 1908 am Tunguska-Fluss in Sibirien für 2000 Quadratkilometer verwüsteter Taiga verantwortlich.

Noch größeren Objekten von mehr als einem Kilometer Durchmesser schreiben Forscher das Potenzial zu, eine globale Katastrophe auszulösen, die ein Viertel oder mehr der Erde unbewohnbar machen könnte. Von solchen Objekten fliegen 700 bis 1100 auf Bahnen, die jene der Erde kreuzen; etwa 500 haben die Beobachter identifiziert.

Nur eine Werbegag?

Wer aber die Meldungen aufmerksam liest, erkennt schnell, dass die Forscher ihre Warnungen auch strategisch abgeben: wenn wieder eine Finanzierungsentscheidung ansteht, ein Teleskop gebaut werden soll oder, wie beim US-General Worden, aus Anlass einer internationalen Krise und vor dem Hintergrund von Budgetkürzungen bei der Weltraumbehörde Nasa. Berüchtigt ist etwa die Fehlmeldung britischer Forscher vor einigen Jahren: Sie hatten erst vor einem Einschlag gewarnt, die Gefahr dann aber, nachdem Öffentlichkeit und Politik alarmiert waren, eher leise klein geredet.

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