US-Raumfahrt:Obamas Umwege ins All

Mehr private Raumfahrinitiativen wollte der US-Präsident fördern. Doch nun nimmt er das Programm seines Vorgängers wieder auf - unter anderem Vorzeichen.

Alexander Stirn

Totgesagte leben manchmal wirklich länger - wenn auch anders als geplant: Anfang des Jahres stoppte US-Präsident Barack Obama das amerikanische Mondprogramm, das er von seinem Vorgänger geerbt hatte. Das Vorhaben, im Jahr 2020 wieder einen US-Astronauten auf dem Erdtrabanten abzusetzen, war zu teuer geworden und hing weit hinter dem Zeitplan zurück. Jetzt aber werden Teile des Programms wiederbelebt.

Notgedrungen, denn Obama muss reagieren: Sein Plan, keine neuen bemannten Raumschiffe und Raketen zu entwickeln, ist auf scharfe Kritik bei Politikern und Raumfahrern gestoßen. Deshalb kehrt Obama nun die Überreste des Orion-Programms zusammen und verpackt sie neu: Die ursprünglich geplante Mondkapsel Orion soll zu einem Rettungsboot für die Internationale Raumstation ISS umfunktioniert werden. Und die Entwicklung einer neuen Schwerlastrakete will der Präsident um ein paar Jahre vorziehen.

"kühne neue Vision, um neue Grenzen im All zu erreichen"

Das geht aus einem Thesenpapier hervor, das das Weiße Haus im Vorfeld einer für Donnerstagabend geplanten Obama-Rede in Cape Canaveral herausgegeben hat. Es soll die erste Ansprache zur Raumfahrt in Obamas Amtszeit werden, und der Präsident verspricht nicht weniger als eine "kühne neue Vision, um neue Grenzen im All zu erreichen".

Was bisher bekannt geworden ist, klingt eher nach einem - nicht sehr kühnen - Kompromiss, der die vielen Gegner der neuen Raumfahrtpolitik besänftigen soll: Als Obama Anfang des Jahres bekannt gab, dass er das Orion-Programm einstellen und stattdessen private Raumfahrtinitiativen fördern wolle, hagelte es Kritik.

Vor allem Abgeordnete aus Raumfahrtstaaten wie Florida, Texas und Alabama, in denen Arbeitsplätze gefährdet sind, begehrten auf. Sie drohten, Obamas Haushaltsentwurf für die Raumfahrtbehörde Nasa scheitern zu lassen.

Experten kritisieren Obamas Pläne

Auch Experten und ehemalige Astronauten kritisierten Obama dafür, dass er keine Vision, kein Ziel im Weltraum habe - und dass er leichtfertig Amerikas bemannten Zugang zum All aufgebe. Vor wenigen Tagen meldete sich sogar Neil Armstrong zu Wort, der erste Mensch auf dem Mond. In einem offenen Brief nennt Armstrong, der sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, Obamas Pläne "verheerend".

Amerika, 50 Jahre lang die führende Raumfahrtnation, befinde sich auf dem Abstieg Richtung Mittelmaß. Zuvor hatten bereits 27 Nasa-Veteranen, die sich ebenfalls gemeinsam äußerten, die neuen Pläne des Präsidenten als "töricht" kritisiert.

Am Zorn der alten Männer dürfte auch Obamas Kehrtwende nichts ändern. Der Präsident will lediglich (wenn es bei den vorab geäußerten Plänen bleibt) die Orion-Kapsel in eine Rettungsfähre für die ISS umbauen. Schon jetzt sind ständig zwei Sojus-Kapseln an der Station angedockt, um die sechs Astronauten an Bord notfalls schnell zurück zur Erde bringen zu können.

Umgebaute Orion soll unbemannt ins All fliegen

An der Zahl der Sojus-Raumschiffe wird sich auch in Zukunft nichts ändern, denn die Amerikaner werden weiterhin auf russische Taxidienste zur Station angewiesen sein: Die umgebaute Orion soll nur unbemannt starten, ihre sechs Sitze bleiben leer.

So kann sie an der Spitze einer bereits existierenden Frachtrakete abheben. Das spart Geld, sichert aber trotzdem Arbeitsplätze im Orion-Programm. Und Jobs sind schließlich die größte Sorge der Kritiker im Kongress.

Wo das Geld für die modifizierte Kapsel herkommen soll, ist noch unklar. Womöglich aus demselben Topf, den Obama eigentlich für private Raumfahrtinitiativen bereitgestellt hat. Erstmals, so die Idee, soll nicht die Regierung, sondern ein Unternehmen in Eigenregie eine Rakete für den Transport von Menschen zur Raumstation bauen.

Alles, was darüber hinaus geht, dürfte auch in der Hand der Nasa bleiben. 2015, so die zweite Ankündigung im Vorfeld von Obamas Rede, will der Präsident entscheiden, wie die nächste Schwerlastrakete aussehen soll. Im Haushaltsentwurf sind 3,1 Milliarden Dollar für die entsprechende Forschung in den kommenden fünf Jahren eingeplant.

Sollte der Zeitplan eingehalten werden, wäre die Rakete zwei Jahre früher betriebsbereit als es die alten Orion-Pläne vorgesehen haben. Sie soll leistungsfähig genug sein, um künftige Raumschiffe und eines Tages auch Astronauten in die Tiefen des Alls zu schicken - vorbei am Mond, zu erdnahen Asteroiden, vielleicht gar zum Mars.

Wohin die Reise führen soll, ist allerdings nicht absehbar. Ein klares Ziel bleibt das Thesenpapier aus dem Weißen Haus schuldig. Irgendeine Überraschung muss sich Obama ja noch für seine Rede aufheben.

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