Süddeutsche Zeitung

US-Küste:Die gefährliche Trägheit von "Florence"

Lesezeit: 2 min

Von Christoph von Eichhorn

Hinter Erika Navarro steigt das Wasser unerbittlich. Bei mehr als einem Meter Pegelstand schwimmen die ersten Autos. Bei zweieinhalb Metern stehen die Erdgeschosse der nahen Häuser unter Wasser. Moderatorin Navarro bleibt trocken, es ist nur eine Visualisierung des Wetterkanals, genannt Mixed Reality, um die Folgen des Wirbelstrums Florence zu illustrieren. Der Trick ist der Hit im Netz, doch das Ganze ist mehr als Show.

Am Freitagabend deuteten die letzten Prognosen des Hurrikan-Zentrums NHC darauf hin, dass Florence Küstengegenden im Süden der USA eine massive Sturmflut bescheren wird. Einige Orte in North und South Carolina könnten bis zu drei Metern unter Wasser gesetzt werden. Stürme wie Florence wirken als Tiefdruckgebiete wie eine Saugglocke auf das darunterliegende Meer, ihr Unterdruck zieht das Wasser nach oben. Da der Sturm zeitgleich mit der Flut auf Land trifft, dürften die Überschwemmungen schwer ausfallen.

Mehr als eine Million Anwohner eines etwa 400 Kilometer langen Küstenstreifens waren daher schon vor Tagen aufgerufen, ihre Häuser zu verlassen. Nicht alle sind der Warnung gefolgt. Auf einer Inselkette vor North Carolina warteten am Freitag 150 Menschen auf Rettung, die Wassermassen hatten sie in ihren Häusern eingeschlossen.

CNN meldete, dass durch den Sturm schon 180 000 Haushalte und Geschäfte ohne Strom seien. Zwei Menschen, eine Frau und ihr kleines Kind, starben, als ein Baum auf ihr Wohnhaus stürzte. In Pender County sei zudem eine Frau nach einem Herzinfarkt gestorben, weil sie die Sanitäter wegen der gesperrten Straßen nicht erreichen konnten. Im Bezirk Lenoir soll Medienberichten zufolge ein Mann bei dem Versuch getötet worden sein, einen Generator anzuschließen.

Florence verlangsamte sich zwar vor dem Aufprall auf die Küste; die US-Atmosphärenbehörde NOAA stufte ihn wegen der geringeren Windgeschwindigkeiten von einem Hurrikan zu einem Tropensturm herab. Doch die Trägheit birgt neue Gefahren. Die Wassermassen, die Florence über dem Atlantik aufgesogen hat, dürften nun mehrere Tage als Regen über den Südstaaten niedergehen. Ähnlich war es bei Hurrikan Harvey im vergangenen Jahr. Der Sturm hatte sich wie ein großer, langsamer Kreisel über der texanischen Küste gedreht, auf der einen Seite Wasser aufgesogen und es auf der anderen wieder ausgeschüttet. Experten rechnen in den kommenden Tagen mit vereinzelt knapp 90 Zentimetern Niederschlag, der üblichen Regenmenge von mehreren Monaten. Der Wirbelsturm erreicht auch immense Ausmaße. Vom Auge des Hurrikans erstrecken sich die Winde in alle Richtungen über 270 Kilometer.

Für die Dimensionen sind mehrere Faktoren maßgebend: Das Ozeanwasser ist derzeit knapp 1,5 Grad Celsius wärmer als normal. Die Wärme liefert dem Sturm zusätzliche Energie. Warme Luft kann zudem mehr Wasser speichern und damit mehr Regen bedeuten. Florence braust außerdem von Osten auf die USA zu. Normalerweise bahnen sich Wirbelstürme ihren Weg von Süden aus, ehe sie für gewöhnlich auf den Atlantik hinaus abdrehen. Florence wird wohl auch durch den Einfluss des Klimawandels geprägt. Die Trägheit werde man künftig häufiger bei Hurrikans beobachten, sagt der Klimaforscher Jim Kossin von der NOAA.

So gefährlich Florence ist, er wird noch vom Taifun Mangkhut übertroffen, der gerade durch den Pazifik rast. Am Samstag soll der Sturm bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 255 Kilometern pro Stunde über die Nordspitze der Philippinen ziehen. Fünf Millionen Menschen wurden aufgefordert, Schutz zu suchen. An der Küste werden Flutwellen von bis zu sechs Metern Höhe befürchtet. Wie in den USA rechnen die Behörden mit starkem Regen und Erdrutschen. Da viele Philippiner in einfachen Häusern leben, sind sie der Naturgewalt besonders ausgeliefert.

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Quelle:
SZ vom 15.09.2018
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