US-Hochschulen:Ebola auf dem Labortisch

An den Hochschulen in den USA wird illegal an Biowaffen geforscht - und das unter mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen.

Christina Berndt

Nur wer seinen Feind kennt, kann ihn wirksam bekämpfen. Das ist der Grund, weshalb sich weltweit mutige Forscher in dicke Anzüge zwängen und hinter Schleusen und unter Unterdruck die gefährlichsten Feinde von Mensch und Tier studieren: die tödlichen Ebolaviren ebenso wie die Erreger der verheerenden Tularämie. Mitunter aber scheinen die Forscher allzu mutig zu sein. Zunehmend kommen Meldungen über schlampigen Umgang mit gefährlichen Keimen an den Tag. In Europa erkrankten zuletzt im August Kühe und Schafe an der schmerzhaften Maul- und Klauenseuche. Viren waren durch eine defekte Leitung aus einem nahen Forschungslabor entkommen.

US-Hochschulen: Lascher Umgang an US-Hochschulen mit gefährlichsten Krankheitserregern (Archiv)

Lascher Umgang an US-Hochschulen mit gefährlichsten Krankheitserregern (Archiv)

(Foto: Foto: Reuters)

Ausgerechnet im Biowaffen-ängstlichen Amerika scheinen Wissenschaftler gerne die Gefahr zu vergessen, die von ihren Forschungsobjekten ausgeht - sei es aus Sorglosigkeit, sei es aus Bequemlichkeit, sei es, weil es ihnen an der richtigen Ausrüstung fehlt. Mitunter hantieren sie mit gefährlichen Erregern, als handele es sich um das harmlose Forscherhaustier E. coli, das in fast allen Labors der Welt für genetische Studien gezüchtet wird.

Erst im April hatte das Sunshine Project, eine Initiative zur Ächtung von Biowaffen, auf einen Fall in Texas aufmerksam gemacht. Dort war eine Mitarbeiterin an der Tierseuche Brucellose erkrankt, einer möglichen Biowaffe. Den Behörden meldete die Universität den Vorfall erst, als er längst bekannt geworden war. Jetzt präsentiert dieselbe Initiative gleich eine ganze Reihe weiterer Verstöße gegen Schutzvorschriften. Die Nachrichtenagentur AP berichtet zudem von über 100 Unfällen, von welchen sie aus Akten der Aufsichtsbehörden erfuhr. Die Unfälle passierten mit Milzbrandkeimen, Vogelgrippeviren und Pestbakterien in 44 verschiedenen Laboren.

Der wohl haarsträubendste Vorfall: Bis in den Sommer 2006 unterliefen Forscher an der University of Wisconsin die Sicherheitsvorkehrungen, während sie am Erbgut des Ebola-Virus herumwerkelten, einem der gefährlichsten Krankheitserreger der Welt. Sie manipulierten die Ebola-Viren gentechnisch an einem Laborarbeitsplatz der Sicherheitsstufe drei, obwohl Arbeiten mit diesem hochansteckenden Killer von Gesetzes wegen die maximalen Vorschriften für Biosicherheit erfüllen müssen: Stufe vier. Noch dazu waren die leichtsinnigen Experimente vom Biosicherheitskomitee der Universität abgesegnet. Der simple Grund: Ein Labor der Sicherheitsstufe vier gab es auf dem Campus nicht.

Die fahrlässige Gesetzesverletzung fiel erst auf, als der Laborleiter den Antrag stellte, die Arbeiten unter den Bedingungen der Sicherheitsstufe zwei fortführen zu dürfen - als wäre Ebola, welches in Zentralafrika derzeit wieder Hunderte Menschen von innen verbluten lässt, eine Krankheit, die milde verläuft und leicht zu behandeln ist. Da konnte ein Mitarbeiter der Universität nicht mehr an sich halten und meldete die ganze Angelegenheit der Aufsichtsbehörde NIH.

Das Problem: Ausgerechnet die NIH waren die Financiers jener Forschungsarbeiten, die sie eigentlich hätten kontrollieren müssen. Der Direktor des Sunshine Projects, Edward Hammond, vermutet dahinter System: "Die Arbeiten waren nicht schon früher gestoppt worden, weil die linke Hand der NIH genau wusste, was die rechte tat."

Das Biowaffenabwehrprogramm wuchere in den USA, kritisiert Hammond. Gleichzeitig entstehe eine Kultur des Vertuschens. Es falle auf, dass zahlreiche Universitäten niemals Biowaffen-Unfälle meldeten, wie es das Gesetz eigentlich verlangt. "Diese Institutionen haben entweder göttliche Vollkommenheit erlangt", sagt er zynisch, "oder sie haben einfach keine effektiven Programme zur Laborsicherheit."

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