Urmensch Homo naledi:Das Multitalent

Urmensch Homo naledi: Bekommt so langsam Hand und Fuß: Das Bild der neu entdeckten Menschenart Homo naledi.

Bekommt so langsam Hand und Fuß: Das Bild der neu entdeckten Menschenart Homo naledi.

(Foto: Schmid/Harcourt-Smith/Wits University)

Erst vor kurzem wurde der Homo naledi beschrieben. Nun zeigt sich: Der Frühmensch konnte wohl aufrecht gehen, in Bäumen klettern und Werkzeuge nutzen - obwohl sein Hirn nur so groß wie eine Orange war.

Von Hanno Charisius

Der Homo naledi war wahrscheinlich ein geschickter Baumkletterer und beherrschte zugleich den aufrechten Gang. Das folgern Paläoanthropologen aus einer genauen Untersuchung der Hand- und Fußknochen des Frühmenschen, dessen fossilen Überreste vor wenigen Wochen zum ersten Mal beschrieben wurden. Die Forscher attestieren dem vorgeschichtlichen Verwandten des Menschen zudem eine erstaunliche Fingerfertigkeit: In den fossilen Knochen sei zu erkennen, wie Arme und Beine begannen, sich zu spezialisieren - die unteren Extremitäten für die Fortbewegung, die oberen zum Zupacken, etwa beim Gebrauch von Werkzeug.

Mitte September hatte ein Team um den amerikanischen Paläoanthropologen Lee Berger erstmals vom Homo-naledi-Fund in der südafrikanischen Rising-Star-Höhle berichtet. In einer tief gelegenen Kaverne mit sehr engem Zugang hatten sechs speziell geschulte Höhlenkletterinnen bereits im Jahr 2013 Hunderte Knochen von 15 Individuen entdeckt. Zwei Jahre dauerte die erste Auswertung. Die Frühmenschen hatten demnach eine zierliche Statur, waren etwa 1,50 Meter groß, 40 bis 50 Kilogramm schwer, und ihr Gehirn hatte wohl die Größe einer Orange. Wann sie lebten, ist noch unklar. Anatomisch würden sie in eine Zeit vor etwa 2,5 Millionen Jahren passen. Sie könnten aber auch wesentlich jünger oder älter sein. Eine genaue Datierung steht bislang aus. Die Details der Funde werden nun nach und nach in verschiedenen Fachzeitschriften veröffentlicht. Die exakte Beschreibung der Hand- und Fußknochen in zwei Aufsätzen für das Journal Nature Communications am Dienstag stellt nur einen Anfang dar.

Handwerkliches Geschick trotz kleinem Hirn

Die Analyse der Fußknochen zeigte erstaunlich viele Ähnlichkeiten mit dem Skelett eines modernen Menschen, was die Wissenschaftler glauben lässt, dass Homo naledi sich geschickt auf zwei Beinen fortbewegt hat. Es bestünden jedoch auch anatomische Unterschiede, was eine Einordnung in den Stammbaum des Menschen bislang schwer macht. Manche Forscher glauben allerdings, die Knochen müssten wegen der zum Teil großen Abweichungen zwei verschiedenen Frühmenschengruppen zugeordnet werden. Andere halten sie für Vorfahren bekannter Frühmenschen wie etwa des Homo erectus.

Die anatomischen Details der Hände des Homo naledi bezeichnet ein zweites Forscherteam als einzigartig. Kein anderes Skelett eines menschenähnlichen Wesens weise eine solche Kombination von Merkmalen auf. Homo naledi sei wahrscheinlich in der Lage gewesen, Werkzeuge herzustellen und zu benutzen wie ein früher Mensch. Gleichzeitig weisen die gebogenen Finger und der breite Daumen darauf hin, dass der Frühmensch - wie noch heute viele Affenarten - in Bäumen herumgeklettert ist.

Inwieweit sich diese beiden Funktionen der Hände ergänzt oder gegenseitig gestört haben, lässt sich noch nicht erklären. Die vermutete Fingerfertigkeit der Homo naledi überraschte die Wissenschaftler angesichts des kleinen Volumens der gefundenen Schädel. Bislang dachte man, dass mehr Hirn für handwerkliches Geschick notwendig ist.

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