Landwirtschaft:Der verschmähte Bio-Dünger

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Den Recycling-Dünger auf Basis von menschlichem Urin brachten die Forscherinnen und Forscher mithilfe von Gießkannen aus. (Foto: Franziska Häfner /IGZ e.V.)

Menschliche Exkremente enthalten viele wertvolle Nährstoffe - sie auf Äcker auszubringen, ist in Deutschland jedoch nicht erlaubt. Dabei könnte insbesondere Urin die Agrarwende voranbringen.

Düngemittel aus menschlichem Urin bringen beim Gemüseanbau ebenso gute Ergebnisse wie etablierte Dünger für den biologischen Landbau. Bei Kompost aus menschlichem Stuhl sind die Erträge dagegen geringer. Das berichtet ein deutsches Forschungsteam um Franziska Häfner und Ariane Krause vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) in Großbeeren nach Feldversuchen mit Weißkohl. Krankheitserreger und pharmazeutische Wirkstoffe in den Ausscheidungen stellten kein Risiko dar, schreiben sie im Fachjournal Frontiers in Environmental Science.

"Hier zeigen wir, dass Produkte, die aus dem Recycling von menschlichem Urin und Kot gewonnen werden, praktikable und sichere Stickstoffdünger für den Kohlanbau sind", wird Häfner in einer Mitteilung des Fachjournals zitiert. Während Österreich, Liechtenstein und die Schweiz ein Düngemittel auf Basis von menschlichem Urin, Aurin, zugelassen haben, sind Dünger aus menschlichen Exkrementen in Deutschland nicht erlaubt.

Die Gruppe fordert, die Düngemittelverordnung aufgrund ihrer und auch weiterer Studienergebnisse zu ändern und menschliche Fäkalien und Urin als Ausgangsstoffe für Dünger zuzulassen. So könne eine echte Kreislaufwirtschaft aufgebaut werden.

Das Team verwendete für seine Experimente neben Aurin auch Crop, einen Dünger auf Urinbasis, der vom Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für Mond- und Marsmissionen entwickelt wird. Weil die Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist, nahmen die Studienautoren künstlichen Urin als Ausgangsstoff. Ein weiterer Dünger war ein Kompost aus menschlichem Stuhl. Als Vergleichsprodukt diente Vinasse, ein für den Bio-Anbau zugelassener Dünger auf Basis von Reststoffen aus der Zucker- und Alkoholindustrie.

In der Studie setzte das Team Weißkohl in drei verschiedene Böden, die sich vor allem im Lehmanteil unterschieden. Die Dünger wurden einzeln angewendet, zudem gab es Kombinationen aus Stuhlkompost sowohl mit Aurin als auch mit Crop.

In den gedüngten Pflanzen waren minimale Rückstände von Medikamenten nachweisbar

Am ertragreichsten waren mit Aurin, Crop oder aber Vinasse gedüngte Pflanzen auf sandigem Boden mit geringem Lehmanteil: Hier betrug die Ausbeute etwa 72 Tonnen pro Hektar. Die Düngemittel aus menschlichem Urin lagen also gleichauf mit einem Dünger für den biologischen Landbau. Die Kombination aus Stuhl- und Urindünger schnitt etwas schlechter ab, die reine Stuhlkompost-Variante brachte noch geringere Erträge. "Die kombinierte Anwendung von nitrifiziertem Urindünger und Fäkalienkompost führte zu leicht geringeren Ernteerträgen, kann aber langfristig den Kohlenstoffgehalt des Bodens erhöhen und so eine klimaresistente Nahrungsmittelproduktion fördern", sagt Häfner.

Wichtig war, dass weder Krankheitserreger noch medizinische Wirkstoffe in den essbaren Teilen der Pflanzen in nennenswerter Konzentration auftauchten. Die Gruppe untersuchte den Weißkohl auf 310 Substanzen und fand lediglich für Carbamazepin, ein Medikament gegen Epilepsie, einen minimal erhöhten Wert: Um den Wirkstoff für eine Tablette des Präparats zu erhalten, müsste man 521 000 Weißkohlköpfe essen.

Die Studienergebnisse zeigten, dass mit Nitrat angereicherte Urindünger, wie Aurin und Crop, ein enormes Potenzial als Dünger in der Landwirtschaft hätten, heißt es weiter. "Bei richtiger Aufbereitung und Qualitätskontrolle könnten bis zu 25 Prozent der herkömmlichen synthetischen Mineraldünger in Deutschland durch Recyclingdünger aus menschlichem Urin und Kot ersetzt werden", betont Ariane Krause. Kombiniert mit einer Agrarwende, die eine Reduzierung der Tierhaltung und des Pflanzenanbaus für Futterzwecke mit sich bringen würde, wäre noch weniger Kunstdünger nötig. Das könnte beispielsweise zu einem geringeren Verbrauch von fossilem Erdgas führen.

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