Süddeutsche Zeitung

Universaltheorie Susy:Partnersuche im Teilchenzoo

Physiker versuchen, die Theorie der Supersymmetrie zu belegen, um so Materie und Kräfte zu ordnen. Dafür müssen sie nur noch Selektronen, Smyonen oder Squarks finden.

Frank Grotelüschen

Wenn Peter Zerwas von Susy spricht, dann meint der Physiker von der Universität Aachen keine Frau, sondern eine physikalische Theorie. Und Hinweise auf sie wären für ihn "ein großer Schritt in Richtung einer vereinigten Theorie der Kräfte - der Universaltheorie der Materie".

Erste erwartet er von Experimenten, die im kommenden Jahr in Genf beginnen sollen. Susy, also die "Supersymmetrie", soll zwei bislang unverwandte Elemente der Physik unter einen Hut bringen - die Teilchen auf der einen und die Kräfte auf der anderen Seite.

Susy ist keine komplett neue Theorie, sondern baut auf dem Standardmodell der Teilchenphysik auf - ein durch viele Beschleunigerexperimente bestens belegtes Denkgebäude. Materie besteht demnach aus zwei Familien winziger Teilchen: Quarks und Leptonen.

Die Quarks bauen Protonen und Neutronen und damit alle Atomkerne auf. Sie sind für die unterschiedliche Masse der Stoffe verantwortlich. Zur Familie der Leptonen gehören die Elektronen, die um die Atomkerne schwirren und die chemischen Eigenschaften der Elemente bestimmen.

Gluonen verkleben Quarks

Zusammengehalten wird Materie von vier Naturkräften. Zwei davon, die Gravitation und die elektromagnetische Kraft, erleben Menschen in ihrem Alltag. Die beiden anderen wirken nur im Mikrokosmos: Die schwache Kraft ist für radioaktive Zerfälle verantwortlich. Die starke hält die Quarks im Atomkern zusammen.

Übertragen werden die Kräfte durch Botenteilchen: So bedient sich die starke Kraft der Gluonen, um die Quarks zu verkleben. Die elektromagnetische Kraft entsteht durch den Austausch von Photonen, die man auch als Lichtteilchen verstehen kann.

Im Standardmodell stehen Materie- und Botenteilchen allerdings beziehungslos nebeneinander - ein Ärgernis in den Augen der Theoretiker. Abhilfe schaffen soll die Supersymmetrie, deren Grundzüge der Italiener Bruno Zumino und der Anfang August gestorbene Julius Wess in den 70er-Jahren entwickelt haben. Der Österreicher Wess hat lange in Deutschland gearbeitet, unter anderem als Direktor am Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik in München.

Susy bring Kräfte und Teilchen zusammen

Während die heutige Physik Kräfte und Teilchen weitgehend getrennt behandelt, schafft Susy einen Zusammenhang. Bei ihr sind Kräfte und Teilchen auf abstrakte Weise symmetrisch zueinander - dafür muss es zu jedem Teilchen einen extrem schweren "Superpartner" geben.

"Von normalen Partikeln unterscheiden sie sich durch den Spin", also ihren Eigendrall, sagt Jan Kalinowski, Physiker an der Universität Warschau. Die Supersymmetrie sagt also voraus, dass es mehr Teilchen gibt als beobachtet.

Bewiesen ist die Existenz der Susy-Teilchen noch nicht; keinen der Superpartner haben die Physiker bisher gesehen. Trotzdem haben sie sich schon Namen ausgedacht - meist stellen sie einfach ein "S" voran. "Den Partner des Elektrons bezeichnen wir als Selektron", sagt Kalinowski. "Für das Myon haben wir das Smyon, für das Tau das Stau, für das Quark das Squark. Und der Partner des Photons heißt Photino."

Susy verdoppelt Anzahl der Elementarteilchen

Dieses Partikel-Wirrwarr wirkt zunächst wie ein Schritt zurück. Schließlich würde Susy die Anzahl der Elementarteilchen duplizieren. Doch Fachleute nähmen die Teilchenverdoppelung gerne in Kauf, denn Susy würde die Phänomene Materie und Kräfte zusammenführen.

"Beides wird in der Supersymmetrie von einem einheitlichen mathematischen Konzept erfasst", sagt Zerwas. Und das bedeutet, dass Kräfte und Teilchen einen gemeinsamen Ursprung besitzen. Die Natur wäre ein gutes Stück symmetrischer. Das schätzen Physiker über alle Maßen - daher der Name Supersymmetrie.

Aber nicht nur Teilchenforschern, auch Kosmologen kämen Susy-Teilchen wie gerufen. Sie könnten einen Großteil der gesuchten dunklen Materie ausmachen. "Aus astronomischen Beobachtungen wissen wir, dass es rund zehn Mal so viel Materie im Universum geben muss, wie in allen Sternen und Galaxien steckt", sagt Kalinowski. "Stellt sich die Frage: Wenn es keine gewöhnliche Materie ist - was dann?"

Rätselhafte dunkle Materie

Für dieses Rätsel weiß Susy eine Lösung: Das Neutralino, ein bislang hypothetisches, elektrisch neutrales Superteilchen, könnte hinter der dunklen Materie stecken - vorausgesetzt, es wiegt etwa so viel wie ein Silberatom und kommt in beträchtlichen Mengen im All vor. Nötig wären drei Neutralinos pro Liter Weltraum.

Nur: Aufspüren konnten Physiker den schwergewichtigen Vagabunden noch nicht. Nur der DAMA-Detektor in Italien, eingebaut in eine Höhle im Gran-Sasso-Massiv, will vor Jahren ein solches Teilchen beobachtet haben. Viele Experten zweifeln aber an den Daten, eine Bestätigung durch andere Experimente steht aus.

Daher ruhen Hoffnungen vor allem auf dem LHC (Large Hadron Collider). Der leistungsstärkste Beschleuniger aller Zeiten soll 2008 in Genf in Betrieb gehen - für Experten die Nagelprobe für die Supersymmetrie. Wenn der LHC tatsächlich Susy-Teilchen entdeckt, hätte Wess, da sind sich Fachleute sicher, den Nobelpreis für Physik verdient.

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Quelle:
SZ vom 8./9. 9. 2007
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