Unesco-Weltkulturerbe:Welk im Park

Nach fast hundertjaehriger Pause sprudeln im Potsdamer Schlosspark Babelsberg wieder die Wasserspiel

Das Wasserspiel gehört zu den auffälligeren Elementen im Schlosspark Babelsberg. Im Mittelpunkt der klassischen Landschaftsgärten stehen allerdings die aufwendig gestalteten Beete und Pflanzen.

(Foto: imago/epd)

Der Klimawandel setzt den historischen Gärten Deutschlands zu. Hitze, Sturm und Starkregen zwingen selbst Hunderte Jahre alte Bäume in die Knie. Was wird bleiben vom Kulturerbe? Ein Besuch in Babelsberg.

Reportage von Kathrin Zinkant

Als das Thermometer unerbittlich die 32-Grad-Marke erklommen hat, keimt doch noch der Wunsch, es den anderen gleichzutun. Ein Sprung in die Havel, dort unten am Ufer, wo sich scheinbar halb Potsdam im Wasser vergnügt. Zum Babelsberger Schloss hinauf verirrt sich an diesem Dienstag im Mai jedenfalls fast niemand.

Es ist menschenleer und sehr still in der brütenden Hitze vor dem Eingang. Dann eilt Michael Rohde mit langen Schritten den Weg hinauf. Seit 14 Jahren ist der hoch gewachsene Mittfünfziger für die Parks der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) verantwortlich. Dazu gehören einige der schönsten Landschaftsgärten Deutschlands: Sanssouci, Sacrow, Glienicke und der Schlosspark Babelsberg. Gemeinsam mit den Bauten stehen sie auf der Liste des Unesco-Weltkulturerbes. Rohdes Job ist aber nicht mehr nur, die Gärten für die Menschheit zu erhalten. Inzwischen geht es darum, sie zu retten.

Der Klimawandel wird zur existenziellen Bedrohung für die deutschen Landschaftsparks. Gemeinsam mit Klimaforschern und Gehölz-Experten wie dem Leiter des Geoforschungszentrums Potsdam, Reinhard Hüttl, versucht Rohde seit Jahren, das Problem der Politik zu vermitteln.

Im Schlosspark Babelsberg treibt der Wind gelben Sandstaub vor sich her - wie in der Wüste

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften hat zu diesem Zwecke die interdisziplinäre Arbeitsgruppe "Historische Gärten im Klimawandel" gegründet, die von Hüttl geleitet wird. Und vergangenen Sonntag haben die Akademie, die Landeshauptstadt, das GFZ Potsdam und SPSG zu einer Veranstaltung im Schlosspark Babelsberg geladen. Es geht um Aufmerksamkeit für eine Gefahr, die den Badenden am Havelstrand womöglich etwas abgeht. Es ist doch so schön sommerlich!

Aber was heißt Sommer? Laut Kalender ist noch Frühling und der Mai war dieses Jahr schlicht viel zu heiß. Heißer als jeder andere Mai seit hundert Jahren. Und trocken noch dazu. Während Rohde im Schatten auf der Bank sitzt und auf die alten Wege blickt, treibt ein Windhauch feinsten gelben Sandstaub in die Luft. "Wie in der Wüste", sagt der Gartendirektor.

Wochenlang hat es in der Region nicht geregnet, insgesamt gab es im Mai 14 Millimeter Niederschlag. Die Trockenheit setzt dem Rasen schon sichtbar zu, die dünn bewachsenen Hänge leuchten mehr braungelb als grün. Auch der Zeitpunkt ist für eine Dürrephase ungünstig. "Der Mai ist die Haupttriebzeit, die Bäume wollen jetzt wachsen", sagt Rohde. Und für dieses Wachstum bräuchten nicht nur die teils mehr als 30 Meter hohen Eichen, Ulmen, Pappeln reichlich Wasser, sondern auch die Nachpflanzungen.

Stattdessen aber werden die Bäume durch Hitze und Dürre ausgezehrt, auch indirekt, über das Bodenklima. Denn in der Erde ächzen auch die Lebenspartner der Bäume unter der extremen Witterung. Gemeint sind Pilze, die im Tausch gegen die Photosynthese-Produkte des Baumes normalerweise Mineralstoffe für das Wachstum der Pflanze beisteuern. Wird diese als Mykorrhiza bezeichnete Gemeinschaft gestört, fehlen beiden Partnern wichtige Nährstoffe. "Die Bäume werden doppelt geschwächt", sagt Rohde. Das macht sie anfällig für Krankheiten. Auch hier spielen Pilze eine Rolle. Und nicht zuletzt Schadinsekten wie verschiedene Holzbohrerarten, die aus fernen Regionen eingeschleppt werden oder unter den neuen Bedingungen leichteres Spiel mit den angeschlagenen Gehölzen haben.

Für den Parkbesucher ist das Leid der Bäume dabei nicht unbedingt auf den ersten Blick zu erkennen. Die grün belaubten Eichen an den Wegesrändern ragen mit ihren massiven Stämmen stolz in den blauen Himmel. Wer darunter wandelt - und genau das tut man in diesen Parks: wandeln - dem bieten sich all die von Grün gerahmten Blicke, die von den Gartenkünstlern Peter Joseph Lenné und Fürst Hermann von Pückler-Muskau einst geschaffen wurden. Rohde kann stundenlang von der Gestaltung des Schlossparks schwärmen, von der Überraschung, die sich hinter jeder Biegung des Weges verbirgt, neue Szenen preisgibt. Lauter lebendige Gemälde gibt es hier, mit Teichen und Inselchen, Wasserfällen und Wäldern, Wiesen vor dem Hintergrund des Tiefen Sees und der Glienicker Lake im Havellauf.

Das extreme Wetter hat vergangenes Jahr 1000 Bäume gefällt

Beim Blick vom Schloss hinab zur Havel werden dann aber doch die Risse im Bild erkennbar. Einige Bäume haben abgebrochene Kronen, andere fehlen vollständig, weil der Sturm sie umgerissen hat. Im Park von Schloss Sanssouci erlitten allein durch den extremen Regen im Juni 2017 und den im Herbst folgenden Orkan Xavier fast 160 Bäume Kronenschäden, 111 gingen vollständig verloren. Insgesamt hat das extreme Wetter in den königlichen Parks und Gärten vergangenes Jahr 1000 Bäume gefällt. Und nicht nur die Kulturlandschaft von Potsdam und Berlin ist betroffen: Im Wörlitzer Park in Sachsen-Anhalt etwa steht ein Teil der Bäume im häufig übertretenden Elbwasser. Die Wurzeln faulen, die Bäume verlieren den Halt oder sterben im Stehen ab. Allen Parks gemein ist, dass sich das Verlorene nicht einfach wieder herstellen lässt, denn viele Gehölze sind so alt wie die Parks selbst, also mehr als 200 Jahre.

Doch ist das alles wirklich der Klimawandel? Extremes Wetter kommt schließlich immer mal wieder vor und muss deshalb nicht die Regel werden. Doch Rohde schüttelt den Kopf. "Es gibt eigentlich nur noch Superlative". Anstatt alle zehn Jahre setzten Hitze und Trockenheit inzwischen alle zwei bis drei Jahre zu früh und zu heftig ein, sagt der Gartendirektor. Dazu kommen die Stürme - und der Starkregen: Für die Pflanzen kann er hier in Babelsberg kaum etwas gut machen, weil der Park praktisch auf Sand gebaut ist. Die sandigen Böden Brandenburgs nehmen Wasser schlecht auf. Fällt der Regen in Massen, fließt das Wasser oberflächlich in Sturzbächen ab, vor allem über die Wege, die aus der Zeit Pücklers und Lennés stammen und ebenso Teil des gartenkünstlerischen Werks sind wie die Anlagen aus Baumgruppen, Wiesen, Teichen und Wasserfällen. Erst vor zwei Jahren wurde ein Teil der geschwungenen Pfade aufwendig und nach historischer Vorlage instandgesetzt und zusätzlich mit Entwässerungsschächten versehen, die Regenfluten abfangen und in den Boden leiten sollen.

Starkregen und der Orkan Xavier haben im vergangenen Jahr rund 1000 Bäume gefällt

An den Wegen selbst und mit einem Blick durch die aufliegenden Gitter der Schächte lässt sich nach dem Jahrhundertregen im vergangenen Juni aber erkennen, dass dieses Prinzip für die aktuellen Wetterbedingungen allein noch nicht ausreicht: Das Wasser hat zum Teil schon reichlich Kies in die gemauerten Gruben gespült, an vielen Stellen fehlt die Deckschicht der Wege. Und überhaupt, es wird noch viele Strategien brauchen, um die Parks fit für den Klimawandel zu bekommen, ohne ihren kulturellen Wert zu schmälern. So ist Rohde in einigen Parks dazu übergegangen, wieder mehr zu mulchen und eigene Baumschulen für den Erhalt einheimischer Arten einzurichten.

An der Technischen Universität Berlin entwickelt der Vegetationsökologe Norbert Kühn mit seinen Kollegen zudem Handlungsempfehlungen zum Wassermanagement, zu Neupflanzungen, zur Revitalisierung von Altbäumen und zum Umgang mit Schädlingen und Krankheiten. So lassen sich kranke Exemplare von Buchsbaum durch robuste Japan-Stechpalmen ersetzen. Zudem könnte die Aufwertung der Böden durch zugeführte Nährstoffe und eine Impfung mit Mykorrhizapilzen besondere grüne Greise wie einige 300 Jahre alte Bäume im Park Sanssouci bewahren helfen.

Was die Wirksamkeit dieser Techniken angeht, besteht noch Forschungsbedarf, aber angehen muss man das Problem. Neben Forschung, Technologien und Strategien braucht es dafür vor allem Menschen, die in den Gärten arbeiten. Und um die Maßnahmen und die nötigen Arbeiter zu finanzieren, benötigt Rohde Geld. Rund 45 Gärtnerstellen fehlen dem Direktor derzeit, "46 und eine halbe", wie er selbst sagt. Ohne dieses Geld wird es nicht möglich sein, die Landschaftsparks dauerhaft zu erhalten. Wobei es letztlich doch nicht allein um die Kultur geht. Auch der Park ist ein Ökosystem, sagt Rohde, eine Heimat für seltene Arten, für Vielfalt. Ginge das alles verloren, würde das nicht nur ein Loch ins Welterbe der Unesco reißen. Sondern auch in den Lebensraum der Menschen. Und sei es, dass sie nur zum Baden herkommen.

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