Süddeutsche Zeitung

Unerwünschte Nebenwirkung:Antibiotika-Resistenz durch Malaria-Mittel

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Bei Bewohnern abgelegener südamerikanischer Dörfer haben kanadische Forscher resistente Darmbakterien entdeckt. Antibiotika wurden dort jedoch gar nicht eingesetzt.

Ein gängiges Malaria-Mittel hat möglicherweise eine äußerst unerwünschte Nebenwirkung: Es ruft eine Antibiotika-Resistenzen bei Bakterien hervor. Das berichten kanadische Wissenschaftler.

Die Forscher hatten bei den Bewohnern abgelegener Dörfer im südamerikanischen Nord-West Guyana resistente Darmbakterien entdeckt. Die Menschen hatten aber niemals Antibiotika eingenommen, die die Resistenz hätten auslösen können. Was sie aber verwendet hatten, war ein Malaria-Medikament.

Bestätige sich der Verdacht, drohten in Malaria-Gebieten ernsthafte Probleme bei der Bekämpfung von bakteriellen Infektionskrankheiten, warnen die Forscher im Journal PloS One.

Michael Silverman von der University of Toronto in Kanada und seine Mitarbeiter hatten von 2002 bis 2005 Stuhlproben von den Bewohnern mehrerer Dörfer genommen und die Ureinwohner zur Einnahme von Medikamenten befragt.

Bei mehr als fünf Prozent der Einheimischen fanden die Forscher Escherichia coli-Darmbakterien, die gegen das Antibiotikum Ciprofloxacin resistent waren.

Dies sei erstaunlich, da keiner der Befragten jemals dieses oder ein anderes Antibiotikum aus der Gruppe der Fluorchinolone eingenommen hatte, berichten die Forscher. Normalerweise aber entstehen Antibiotika-resistente Bakterien nur, wenn sie aufgrund einer medizinischen Behandlung längerfristig mit dem entsprechenden Antibiotikum in Kontakt kommen.

Vor allem die hohe Rate der Resistenzen überraschte die Wissenschaftler. Auf Intensivstationen in US-amerikanischen Krankenhäusern, wo Ciprofloxacin häufig angewendet wird, fänden sich einer aktuellen Untersuchung zufolge gerade einmal bei vier Prozent der Patienten resistente Bakterien.

Der Verdacht, dass die Einnahme des Malaria-Medikaments Chloroquin zu der Resistenz geführt hat, wurde durch mehrere Beobachtungen erhärtet:

Chemische Verwandtschaft

Zunächst einmal sei das Mittel chemisch mit den Fluorchinolon-Antibiotika verwandt, schreiben die Forscher. Bis zu 86 Prozent der Ureinwohner hatten das Malaria-Mittel zudem während, beziehungsweise nach einem schweren Malaria-Ausbruch 2002 eingenommen.

Im Labor konnten die Forscher schließlich auch bestätigen, dass E. coli-Bakterien Resistenzen gegen Fluorchinolon entwickeln, wenn sie dem Malaria-Mittel ausgesetzt werden.

Die Forscher fürchten, dass die Resistenzen nicht nur unter den Darmbakterien, sondern auch in anderen Bakterien auftreten können. "Das würde bedeuten, dass das Malaria-Mittel Chloroquin die Fluorchinolone weniger wirkungsvoll gegen verbreitete tropische Krankheiten wie Typhus, Durchfallerkrankungen und möglicherweise auch Tuberkulose und Lungenentzündungen machen würde", sagte Michael Silverman.

"Zusammengenommen weisen die Ergebnisse darauf hin, dass wir uns bei der Malaria-Bekämpfung auf Maßnahmen zur Mücken-Kontrolle, wie etwa Moskito Netze, sowie auf die Entwicklung von Impfstoffen konzentrieren sollten."

Kurzfristig müsse untersucht werden, welche Malaria-Mittel weniger bakterielle Resistenzen hervorrufen als Chloroquin. (Fachartikelnummer DOI: 10.1371/pone.00022727)

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dpa
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