Süddeutsche Zeitung

UN-Nachhaltigkeitsgipfel:"Tu dein Bestes!" wird nicht reichen

Monumentale Ziele wollen die UN am Wochenende beschließen und so nicht weniger als die Welt retten. Schwammige Formulierungen verhindern aber eine größtmögliche Wirkung.

Kommentar von Jan Hellmut Schwenkenbecher

"Die bedeutsame Agenda wird als Startrampe dienen, um gemeinsamen Reichtum und das Wohlergehen aller zu befördern" freut sich die UN schon mal vorab auf die Auswirkungen ihrer zukünftigen Nachhaltigkeitspolitik. Nachdem die Millenniumsziele von 2000 nun ausgelaufen sind, will die Staatengemeinschaft neue Vorgaben für die nächsten 15 Jahre formulieren.

Zwar wurden die alten Ziele größtenteils nicht erreicht, dennoch feiert die UN die weltweiten Fortschritte in Armut, Bildung, Gesundheit und Klima. Und das mit Recht. Denn obwohl die Weltgemeinschaft hinter den konkreten Vorgaben zurückblieb, gab es deutliche Verbesserungen: Die Kindersterblichkeit sank um mehr als die Hälfte, über 90 Prozent der Kinder haben Zugang zu primärer Bildung und der Anteil der Menschen in Entwicklungsregionen, die weniger als 1,25 Dollar pro Tag zur Verfügung haben, sank in den letzten 25 Jahren von 50 auf 14 Prozent.

Mit breiter Brust rief die UN also vor drei Jahren, auf dem Gipfel Rio+20, eine Arbeitsgruppe ins Leben, die neue Ziele für die Zeit nach 2015 erarbeitete. Am Wochenende sollen die Ziele beschlossen werden, mit denen die UN nicht weniger erreichen möchte, als "die extreme Armut abzuschaffen, Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu bekämpfen und den Klimawandel zu beheben."

Ziele sollten SMART sein, nicht unkonkret

Um diese gigantischen Vorhaben zu bewerkstelligen, wird die Zielpalette um verschiedene Aspekte erweitert. Aus ehemals acht Zielen mit 21 Unterpunkten formte die Taskforce 17 Ziele mit 169 Unterpunkten. Erst mal eine gute Sache, denn die neuen Vorgaben greifen auch Punkte wie Kriminalität oder eine nachhaltige Ressourcennutzung auf, die vorher nicht berücksichtigt wurden. Zusätzlich teilte die Arbeitsgruppe viele der alten Ziele in mehrere Teilziele auf. Statt Primärbildung für alle heißt es nun Vorschule, technische Ausbildung, Inklusion, Alphabetisierung, Primär-, Sekundär- und Tertiärbildung für alle.

Doch wo es bei den Millenniumszielen noch konkrete Vorgaben in Prozentwerten oder absoluten Zahlen gab, stehen nun schwammige Umschreibungen. Von "substanziellen Verbesserungen", "erheblichen Reduzierungen" oder "effektiven Regulationen" ist die Rede. Arbeitspsychologen sträuben sich angesichts solcher Formulierungen die Nackenhaare, denn sie wissen, dass spezifische Ziele zu einer höheren Leistung führen, als ein aufmunterndes "Tu dein Bestes!". Nur wer eine klare Vorgabe hat, muss sich anstrengen, um diese zu erreichen. Dazu kommt, dass die Ziele zwar hoch, aber dennoch umsetzbar sein sollten. Wer aber jegliche Armut, Ungleichheit und Kriminalität verbannen möchte, muss zwangsläufig scheitern. Und wer sowieso scheitert, braucht sich nicht anzustrengen. Psychologischen Studien zufolge sollten Ziele SMART sein: spezifisch, messbar, attraktiv (im Sinne von lohnenswert), realistisch und terminiert.

Die neuen Ziele der Weltgemeinschaft klingen zwar attraktiv und sind auch zeitlich begrenzt, da sie bis 2030 angelegt sind. Die anderen drei Voraussetzungen erfüllen aber nur wenige von ihnen. Natürlich werden sie sich in den nächsten Jahren positiv auf die Welt auswirken. Um aber die bestmögliche Wirkung zu entfalten, sind sie ungeeignet.

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