Süddeutsche Zeitung

UN-Millenniumsziele:Energie für die Armen

Der Mangel an Strom und Brennstoffen blockiert in vielen Ländern die wirtschaftliche Entwicklung. Die Internationale Energieagentur und die UN wollen deshalb Stromanschlüsse und saubere Kochstellen fördern.

Christopher Schrader

Der Reichtum der westlichen Industrieländer zeigt sich nicht nur im Geldbeutel, sondern auch in der Wohnung. Der Küchenherd, Steckdosen, Lichtschalter und Heizkörper ermöglichen eine selbstverständliche Nutzung von Energie. Umgekehrt blockiert der Mangel an Strom und Brennstoffen in vielen Ländern die wirtschaftliche Entwicklung.

Darum haben in der Nacht zum Mittwoch die Internationale Energieagentur und zwei Unterorganisationen der Vereinten Nationen in New York ein Gutachten zur Energie-Armut vorgelegt.

1,4 Milliarden Menschen auf der Welt haben dem Bericht zufolge keinen Zugang zu Elektrizität. Außerdem kochen 2,7 Milliarden Menschen ihr Essen über Holz- oder Dungfeuern, was sie großen Gesundheitsrisiken aussetzt.

Das Sammeln von Brennmaterial, meist Aufgabe für Frauen oder Kinder, ist anstrengend und setzt sie Überfällen aus. Vor allem aber führt der Rauch der oft schlecht belüfteten Feuerstellen zu Atemwegserkrankungen. 1,5 Millionen Menschen müssten deswegen früher als nötig sterben, sagt der Bericht - mehr als Malaria oder Aids zum Opfer fallen.

Die Millenniumsziele der UN, über die gerade ein Gipfel in New York beraten hat, seien ohne verbesserten Zugang zu Energie nicht zu erreichen, warnen die Organisationen. Um die extreme Armut bis 2015 wie gefordert zu halbieren, müssten fast 400 Millionen Menschen Stromanschlüsse und eine Milliarde Menschen saubere Kochstellen bekommen. Bis 2030 sollten dann alle Bewohner der Erde aus der Energiearmut befreit werden.

Die Experten kalkulieren dafür ein Investitionsvolumen von 756 Milliarden Dollar (570 Milliarden Euro). Dabei entfallen 700 Milliarden Dollar auf die Stromversorgung. Die Zahlen klingen gewaltig, bis sie ins Verhältnis gesetzt werden.

Die bis 2015 veranschlagten 41 Milliarden Dollar pro Jahr entsprächen 0,06 Prozent des weltweiten Wirtschaftsaufkommens. Und die ab 2016 nötigen jährlichen 36 Milliarden Dollar wiederum machten drei Prozent von dem Budget aus, das für eine Veränderung der Energie-Infrastruktur zum Klimaschutz bereits vorgesehen ist. Allerdings ist die Finanzierung des Programms offen, räumen die Organisationen ein.

Der Bericht kontert auch die Befürchtung, die Energieversorgung für die Ärmsten der Welt werde die globale Erwärmung unkontrollierbar beschleunigen: Der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid nehme nur um 0,8 Prozent zu. In vielen armen Regionen sollen nämlich dezentrale Anlagen Strom aus erneuerbarer Energie erzeugen. Und Hunderte Millionen Menschen könnten auf Biogas kochen.

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Quelle:
SZ vom 23.09.2010/mcs
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