UN-Klimakonferenz:"Das Ergebnis ist besser als es scheint"

Der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Schellnhuber, bewertet die Bali-Konferenz positiv. Das "Skeptiker-Gemunkel", das die Realität des Klimawandels leugnet, sei verstummt.

Christopher Schrader

SZ: Hat die Bali-Konferenz der Welt etwas gebracht?

Hans Joachim Schellnhuber

Hans Joachim Schellnhuber berät auch die Bundesregierung in Klimafragen.

(Foto: Foto: AP)

Schellnhuber: Das war aus deutscher und europäischer Sicht das Maximum, was die Konferenz rausholen konnte. Und es ist besser, als es zunächst scheint. Drei Punkte sind daran besonders wichtig: Die Verhandlungen finden unter dem Dach der Vereinten Nationen statt. Das Mandat gilt für alle Staaten, und alle können sich in die Bemühungen, das Klima zu schützen, einbringen.

SZ: Müssen sich auch alle einbringen?

Schellnhuber: Der Auftrag ist fein differenziert. Für die Industrieländer geht es um "commitments", also bindende Verpflichtungen, für die Schwellen- und Entwicklungsländer um "actions", also Handlungen. Die Zeit bis 2020, für die das neue Abkommen gelten soll, ist für die Entwicklungsländer eine Art Trainingsphase.

SZ: Wer sagt jetzt, wo es langgeht?

Schellnhuber: Es ist die Wissenschaft, ganz anders als in Kyoto. Die wissenschaftlichen Ergebnisse sind als Grundlage vollkommen anerkannt, das Mandat verweist am Anfang und am Schluss auf den jüngsten Bericht des Weltklimarates IPCC. Es gab in Bali nirgendwo Skeptiker-Gemunkel, das die Realität des Klimawandels leugnet. Auch nicht in den Fluren. Allen ist klar, dass wir seit Kyoto zehn Jahre verschlafen haben.

SZ: Aber konkrete Ziele gibt das Mandat trotzdem nicht vor.

Schellnhuber: Es enthält eine gewisse Einengung des Zielsektors, das ist der dritte Punkt. Der Text verweist in einer Fußnote auf drei konkrete Textstellen im IPCC-Bericht, die Zahlen enthalten. Demnach sollen die Industriestaaten bis 2020 ihre Emissionen um 25 bis 40 Prozent reduzieren, und die ganze Welt bis 2050 um deutlich mehr als 50 Prozent.

SZ: Die drei Textstellen sind uneindeutig und zum Teil widersprüchlich. Sie nennen sechs Szenarien, die entweder radikale Eingriffe erfordern oder fast gar keine. Da kann sich doch jeder raussuchen, was ihm passt.

Schellnhuber: Ja, das ist ein Menü zum Auswählen. Aber es gibt noch ein Zusatzdokument für die Kyoto-Vertragsstaaten. Es enthält die konkreten Zahlen und gibt als Ziel eine möglichst geringe Temperatur-Erhöhung vor. Das ist ein echter Fortschritt und entspricht ziemlich genau den deutschen Vorstellungen.

SZ: Wieso soll das helfen? Die USA, die am Schluss das Problem waren, sind kein Kyoto-Vertragsstaat.

Schellnhuber: Es hilft, weil das Zusatzdokument eine Formulierung enthält, die von Nicht-Vertragsstaaten "vergleichbare Handlungen" fordert. Und die USA haben dem zugestimmt. Das Dokument wurde in parallelen Verhandlungen zum Bali-Mandat verabschiedet, die USA haben da nicht blockiert. Die Bali-Beschlüsse enthalten also kleine diplomatische Bomben.

SZ: Hat dieses Zusatzdokument einen rechtlichen Status, der dem Verhandlungsmandat vergleichbar ist?

Schellnhuber: Das Mandat ist das Grundgesetz, der Zusatz ein gewöhnliches Gesetz, das die Ausführung des Grundgesetzes regelt. Es war in Bali wichtig, den USA eine Brücke zu bauen. Also etwas zu verabschieden, dem die jetzige Regierung zustimmen und das die nächste Regierung erfüllen kann. Wir alle wissen, dass die kommende Adminstration mehr tun wird als die von George Bush.

SZ: Könnten die USA die Klima-Ziele überhaupt erfüllen?

Schellnhuber: Das wird sehr schwer. Seit 1990 haben die USA ihren Ausstoß an Treibhausgasen um 26 Prozent gesteigert. Wenn sie nun bis 2020, also in zwölf Jahren, auf 25 Prozent unter 1990 kommen wollen, ist das eine gewaltige Anstrengung. Kein Wunder, dass die Delegation weniger Probleme mit den langfristigen als mit den kurzfristigen Zielen hatte.

Doch man muss sich auch klarmachen: Wenn das ganze Land die Standards zur Energie-Effizienz übernimmt, die in einem Viertel der Bundesstaaten inklusive Kalifornien schon gelten, dann könnte es komplett auf Importe von fossilen Brennstoffen komplett verzichten!

Das Ziel, Treibhausgase bis 2020 um 25 bis 40 Prozent zu reduzieren, wird auch für andere nicht einfach. Deutschland hat zurzeit 18 Prozent Reduktion seit 1990 erreicht, und der wichtigste Beitrag dazu war das Ende der schmutzigen Industrie in der ehemaligen DDR.

Wenn wir konsequent auf technologische Innnovation setzen, werden wir sehen, dass wir mehr als gedacht schaffen. Die Ausgaben für die Energieforschung sind in der Vergangenheit um 40 Prozent gesunken. Das muss sich ändern.

SZ: Kann es die Welt noch schaffen, die Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen?

Schellnhuber: Zwei Grad, das ist wahrscheinlich das beste, was wir überhaupt noch erreichen können. Das kann nur gelingen, wenn die Welt den jetzt beschriebenen Pfad genau einhält, und das erscheint im Augenblick sehr, sehr schwer. Wir müssen uns damit arrangieren, dass die einzelnen Nationen unterschiedlichen Pfaden folgen werden, wo sich die Emissionsprofile unterschiedlich rasch und stark nach unten biegen. Aber in der Summe muss herauskommen, was die Klimakonvention als oberstes Ziel vorgibt: einen unbeherrschbaren Klimawandel zu verhindern.

Hans Joachim Schellnhuber ist Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Berater der Bundesregierung in Klimafragen.

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