UN-Klimachef de Boer:Mission gescheitert

Beim Gipfel in Kopenhagen wirkte Yvo de Boer am Ende wie ein unglücklicher Statist. Nun räumt der UN-Klimasekretär seinen Posten - inmitten der Krise des globalen Klimaschutzes.

Michael Bauchmüller

Es hätte ein Abschied in Ehren und zur rechten Zeit werden können. Die Klimakonferenz in Kopenhagen wäre sein größter Erfolg geworden, Yvo de Boer hätte seinem Nachfolger ein geordnetes Klimaregime übergeben und sich einen Platz in der Geschichte gesichert.

Yvo de Boer, dpa

Er geht als Gescheiterter: UN-Klimachef Yvo de Boer.

(Foto: Foto: dpa)

Doch das ist ein Drehbuch im Konjunktiv, denn Yvo de Boer, der oberste Klimaschützer der Vereinten Nationen, verlässt seinen Job als Gescheiterter; er geht inmitten der schwersten Krise des globalen Klimaschutzes. Anfang Juli will er seinen Posten räumen, es zieht ihn zur Unternehmensberatung KPMG.

Auch werde er künftig mit "einer Reihe von Universitäten" zusammenarbeiten. "Die Zeit ist reif für eine neue Aufgabe", sagt de Boer am Donnerstag überraschend. Mit dem Scheitern in Kopenhagen habe die Entscheidung nichts zu tun.

Die Zeit mag für ihn reif sein, für die globalen Klimaverhandlungen kommt der Rücktritt ungelegen. Kurz vor Ende seiner Amtszeit, bei einer Konferenz im Juni in Bonn, wird sich zeigen, ob die Staaten überhaupt noch ein neues globales Klimaabkommen wollen.

Dafür wird de Boer in den nächsten drei Monaten Gespräche zwischen den wichtigsten Staaten organisieren müssen, um die Streitpunkte zu isolieren. Die Motivation scheint nach dem Desaster von Kopenhagen auf dem Tiefpunkt zu sein, nur zäh laufen die Verhandlungen wieder an.

Dennoch: "Obwohl Kopenhagen noch nicht den Kuchen gebracht hat", beschied de Boer unlängst im ihm eigenen Optimismus, "hat es die Staaten doch mit den richtigen Zutaten zurückgelassen, um in Mexiko einen neuen zu backen." Dort, in Cancún, sollen die Staaten im Dezember den wohl letzten Anlauf auf ein globales Klimaabkommen nehmen. Auf den bewährten Bäcker de Boer werden sie verzichten müssen.

Rücktritt als Chance

Seit der 55-jährige Niederländer 2005 den Job vom plötzlich verstorbenen Joke Waller-Hunter übernommen hatte, leitete de Boer durchaus geschickt die Detailarbeit am Kyoto-Protokoll. Er war dabei, als die Staaten Mechanismen für finanziellen Lastenausgleich ersannen und das Kyoto-Protokoll auch formal in Gang setzten, er stand Pate für einen zweigleisigen Verhandlungsprozess, mit dem sich die USA wieder in den globalen Klimaschutz einfügen sollten.

Der Widerstreit von zwei Dutzend Interessen brachte ihn mitunter an den Rand des Nervenzusammenbruchs, für alle Welt dokumentiert bei der Klimakonferenz auf der indonesischen Insel Bali, als ihn die beharrliche Intervention der chinesischen Delegation auf offener Bühne weinen ließ. In Kopenhagen wirkte er am Schluss wie ein unglücklicher Statist im Possenspiel der Staats- und Regierungschefs - denen er als UN-Beamter schließlich auch dienen muss.

Womöglich macht de Boer aber gerade zur rechten Zeit den Weg frei. Nach dem Scheitern von Kopenhagen befindet sich das Geflecht multilateraler Klimaverhandlungen im Umbruch, es ordnen sich viele Machtkonstellationen neu.

"Der Rücktritt ist eher eine Chance als ein Risiko", findet etwa der Grünen-Klimaexperte Hermann Ott. Nur: Wer immer das Bonner Klimasekretariat übernimmt, wird sich rasch einarbeiten müssen. Wird de Boers Kuchen nicht im nächsten Winter gebacken, verderben auch die Zutaten.

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