UN-Artenschutzkonferenz:Eine Lanze für den Molch

Täglich verschwinden Tierarten ein für allemal von dieser Erde. Wie viele, ist unklar. Unscheinbare Kreaturen sind besonders gefährdet, Kuschelarten wie Panda oder Tiger haben eher eine Überlebenschance.

Katrin Blawat

Es müsste einen alarmieren, was da gerade auf der Artenschutzkonferenz in Japan an Warnungen formuliert wird. Täglich verschwinden Tierarten ein für allemal von dieser Erde, so viel ist bekannt. Nur ob es 100 oder 1000 sind, die jährlich sterben, kann man nicht genau sagen. Sicher ist nur, dass sich die Menschen zu wenig um bedrohte Tiere und Pflanzen kümmern. Die Fallschirm-Spinne oder das Spitzmaulnashorn haben eben keine besonders starke Lobby. Dabei hängt alles mit allem zusammen. Neue Ziele müssen also her.

UN-Artenschutzkonferenz: Ein Kalifornischer Tiger-Querzahnmolch nahe Brentwood, Kalifornien. Die Art ist bedroht, was Landbesitzer in der Nähe seines Lebensraumes beim Errichten neuer Gebäude berücksichtigen müssen.

Ein Kalifornischer Tiger-Querzahnmolch nahe Brentwood, Kalifornien. Die Art ist bedroht, was Landbesitzer in der Nähe seines Lebensraumes beim Errichten neuer Gebäude berücksichtigen müssen.

(Foto: AP)

Wie misst man den Erfolg einer Konferenz, bei der fast 8000 Teilnehmer zwei Wochen lang gute Ideen und Vorsätze austauschen? Zum Beispiel, indem man Frösche, Kröten, Unken und Salamander zählt. Denn das Verschwinden der Amphibien bereitet Artenschützern derzeit die größten Sorgen.

Knapp ein Drittel der 6000 Amphibienarten bezeichnet die Weltnaturschutzorganisation IUCN inzwischen als bedroht - vor sieben Jahren noch standen die Lurche eher am unteren Ende der Rangliste der bedrohten Tiere.

Nun fügen sie sich erschreckend harmonisch ein in die übrigen Ergebnisse der jüngsten Arten-Inventur: Unter den Wirbellosen, zu denen Insekten, Schnecken, Würmer und Krebstiere gehören, gilt ebenfalls knapp ein Drittel aller Arten als bedroht, unter den Säugetieren ist es gut ein Viertel.

Vergleichsweise gut geht es den Vögeln, hier ordnet die IUCN zwölf Prozent aller Arten als gefährdet ein. Am anderen Ende der Skala stehen die Pflanzenarten, von denen mehr als zwei Drittel bedroht sind; bei den Pilzen ist es die Hälfte. Insgesamt hat die IUCN die Vorkommen von gut 50.000 Tier- und Pflanzenarten untersucht - und 17.000 von ihnen als gefährdet eingestuft. Sie alle leiden unter dem Klimawandel, der Zerstückelung ihres Lebensraumes, aber auch unter Wilderei und illegalem Handel.

"Bei Käfern wird es schwierig"

Kein Mensch jedoch weiß, wie es um die mehr als 1,6 Millionen weiteren Arten steht, die Wissenschaftler zwar kennen, von denen sie aber zu wenige Daten haben, um sie in eine Gefährdungskategorie einordnen zu können. Dazu müssten die Fachleute unter anderem wissen, um wie viele Individuen eine Art pro Generation schrumpft.

Bei großen Säugern wie etwa Elefanten, die in offenem Gelände leben, lässt sich das noch recht einfach ermitteln: Forscher zählen die Tiere vom Flugzeug aus, sammeln Kotproben oder suchen Fußspuren. Manche Insekten lassen sich anhand ihrer Nester zählen - "aber bei Käfern zum Beispiel wird es ganz schwierig", sagt Volker Homes, Artenschutzexperte des World Wide Fund For Nature (WWF).

Entsprechend skeptisch betrachtet er jene Schätzungen, denen zufolge pro Tag drei Arten aussterben - manchmal ist auch von 30 oder gar 130 die Rede. "Ich habe keine Ahnung, woher diese Zahlen stammen", sagt der Fachmann. Als gesichert gilt lediglich, dass der Mensch das Artensterben erheblich beschleunigt.

Unklare Auswirkungen

Welche Auswirkungen dies hat, können auch Experten bei weitem nicht abschätzen. "Wir haben noch längst nicht verstanden, welche Arten wir in einem Ökosystem unbedingt brauchen", sagt Homes.

Einig sind sich Experten jedoch, dass die unscheinbaren Kreaturen, die Insekten, Würmer und mickrigen Pflänzchen, dabei wichtiger sind als Panda, Elefant und Tiger - auch wenn Artenschützer Letztere brauchen, um Geld zu sammeln. "Die sogenannten Kuschelarten sind ein Hilfsmittel", sagt der WWF-Mitarbeiter. "Wenn wir den Tiger schützen können, hilft das auch den Pilzen und Mikroben, die im gleichen Gebiet leben."

Wie entscheidend eine Art einen Lebensraum prägt, zeigt sich oft erst nach ihrem Verschwinden. Stirbt eine sogenannte Schlüsselstein-Art aus - oft sind dies Mikroorganismen oder Insekten -, verhungern in der Folge zum Beispiel kleine Singvögel und anschließend dann Säugetiere, die sich von den Vögeln ernährt haben. Die Frage ist nur: Wer gehört alles zu den Schlüsselstein-Arten? Experimentell überprüfen lässt sich dies kaum, zu verschlungen und unverstanden sind dafür die Beziehungen zwischen den Arten.

Artenschutz wird uns schnell lästig

Umso eindeutiger hingegen sind die Verstrickungen zwischen Ökonomie und Artenschutz. Immer wieder wundern sich Fachleute, dass nur wirtschaftlich uninteressante Tiere und Pflanzen auf Schutz hoffen dürfen. So einigte man sich auf einer Konferenz in Doha im Frühjahr dieses Jahres zwar darauf, den Zagros-Molch zu schützen - nicht aber den extrem bedrohten Thunfisch.

Zu ungewohnt ist noch der Gedanke, dass Artenschutz auch der Wirtschaft nützen kann. So ergab kürzlich eine Studie unter 1100 Managern großer Unternehmen, dass nur jeder Vierte von ihnen finanzielle Verluste fürchtet, sollten ganze Ökosysteme zusammenbrechen. Lediglich in Lateinamerika und Afrika teilte etwa die Hälfte der Befragten diese Bedenken.

Artenschutz wird dem Menschen zudem offenbar schnell lästig. Das zeigen vor allem jene Beispiele, die oft als erfolgreich bezeichnet werden: zum Beispiel der Wolf, der wieder durch die Lausitz streift - und dort Viehhalter und Dorfbewohner gegen sich aufbringt, wenn er, wie es seiner Art entspricht, Schafe tötet. Auch der Kormoran, der in Deutschland lange als ausgerottet galt und nun zurückgekehrt ist, hat sich nur durch sein artgerechtes Verhalten Feinde geschaffen: Er fresse ihnen die Jagdgründe leer, beschweren sich Fischer.

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