Süddeutsche Zeitung

Umweltverschmutzung:Globalisierung des Smogs

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Mehr als drei Millionen Menschen sterben jedes Jahr durch verpestete Luft. Jede Region hat eigene Feinstaubquellen - von Ammoniak bis Wüstenstaub.

Von Christopher Schrader

In Peking, Moskau oder Kairo möchten Besucher das Atmen am liebsten einstellen. Die Luft ist voller Abgase und Schadstoffe, man kann sie sehen, riechen und schmecken. Sie sind tatsächlich gefährlich, zeigt die Analyse eines Forscherteams um Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Jedes Jahr tragen Ozon und vor allem Feinstaub mit Partikeln unter 2,5 Mikrometer in der Luft der Metropolen zum vorzeitigen Ableben ihrer Bewohner bei. Pro 100 000 Bürger sind es in Peking 126, in Moskau 58 und in Kairo 48 Todesfälle durch Lungenkrankheiten oder -krebs, Herzleiden und Schlaganfälle, die die belastete Luft fordert.

"Besonders die Städte Asiens haben sehr hohe Feinstaubmengen", sagt Lelieveld. "Wir mussten unsere Computermodelle, die für europäische und amerikanische Metropolen gemacht waren, an die hohen Konzentrationen dort anpassen." Von den errechnet 3,3 Millionen Menschen, die weltweit im Jahr 2010 wegen der Luftverschmutzung starben, waren allein 1,4 Millionen Chinesen. Lelievelds Resultate liegen sehr nahe an anderen Untersuchungen. Im März waren nordamerikanische Forscher auf 3,2 Millionen vorzeitige Todesfälle durch Luftschadstoffe gekommen, 2014 hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 3,7 Millionen Opfer geschätzt.

Neu an Lelievelds Studie ist, dass sie die Mortalität nach Quellen des Feinstaubs differenziert. In Kairo ist es Wüstenstaub, in Moskau sind es vornehmlich Emissionen der Landwirtschaft, in Peking Feuer zum Kochen und Heizen. Stets stammen die Schadstoffe nicht nur aus der Stadt selbst, sondern auch aus dem Umland. Das Team um Lelieveld hat mit einem globalen Computermodell nachvollzogen, wie der Wind die Schadstoffe in der Atmosphäre verteilt ( Nature, Bd. 525, S. 367, 2015).

Besonders der Beitrag der Landwirtschaft habe ihn überrascht, sagt der Atmosphären-Chemiker. "Es geht um Ammoniak und andere Stickstoff-Emissionen, die auf Feldern und beim Umgang mit Tieren entstehen." Sie bräuchten eine Weile, um zu Feinstaubpartikeln zu verklumpen, und landeten oft in Städten. Dort trügen auch die Emissionen des Verkehrs zur Partikelbildung bei. In Europa, der Türkei und dem Osten der USA sei Landwirtschaft die wichtigste Quelle von Feinstaub.

Global betrachtet ist jedoch das Verfeuern von Holz und Kuhdung das größte Problem, vor allem in bevölkerungsreichen Ländern Asiens. Weltweit verursacht der Qualm nach Berechnungen der Forscher eine Million vorzeitige Todesfälle. Und das betrifft nur den Schmutz, der in die Atmosphäre gerät und dort verteilt wird. Rauch ist aber auch, wie Lelieveld und die WHO betonen, für den Löwenanteil jener 3,5 Millionen Menschen pro Jahr verantwortlich, die ums Leben kommen, weil die Luft in ihren Häusern verschmutzt ist. In vielen asiatischen Ländern sind Kohlekraftwerke die zweite große Feinstaubquelle.

China sprengt damit praktisch die Statistik. Bezogen auf jeweils 100 000 Bewohner sind es hier 101 vorzeitige Todesfälle durch Luftverschmutzung. Dies treibt daher den globalen Durchschnitt in die Höhe; rechnet man ohne China, sinkt der Mittelwert von 48 auf 36. Für Deutschland zeigt die Auswertung 34 000 vorzeitige Todesfälle, eine Quote von 42 pro 100 000, die fast zur Hälfte durch landwirtschaftliche Emissionen und zu einem Fünftel durch Verkehr bedingt sind. Es liegt damit auf Rang 12 der Statistik der Länder.

"Das ist eine spannende Studie, besonders, weil sie die einzelnen Quellen des Feinstaubs untersucht", sagt Annette Peters von Helmholtz-Zentrum München. Ein Fragezeichen setzt sie aber hinter die Aussage, Landwirtschaft sei in Ländern wie Deutschland die dominierende Quelle. "Von diesen Partikeln gibt es tatsächlich viele, aber es ist in der Forschung unklar, ob sie so relevant für die Gesundheit sind wie die aus Verbrennungsprozessen."

Das fragen sich auch Lelieveld und sein Team. Um diesen Einwand mit Zahlen zu beziffern, haben sie im Computermodell probeweise angenommen, Rauchpartikel seien fünfmal so giftig wie Landwirtschaftsemissionen. Das kehrt für Deutschland die Reihenfolge der Quellen um: Es macht Verkehr zur größten Todesursache und halbiert den Effekt der Landwirtschaft.

"Diese Studie kann sehr wichtig für den öffentlichen Gesundheitsschutz sein", kommentiert Michael Jerrett von der University of California in Los Angeles in Nature. Damit ließen sich jährlich eine Million Menschen retten. Der Kampf gegen Feinstaub müsste je nach Land anders gefochten werden. In China ändert der Schutz vor Passivrauchen nicht viel an der Belastung. Er ist aber in Ländern wichtig, die keine großen Probleme mehr haben.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2015
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