Umweltministerin Barbara Hendricks:"Unbegrenztes Wachstum ist nicht möglich"

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Meist im Hintergrund, hier im Untergrund: Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bei einem Besuch im Atommülllager Asse

(Foto: AFP)

Was will Barbara Hendricks als Umweltministerin erreichen? Im Interview kündigt sie ein Sofortprogramm für Klimaschutz an und erklärt, warum Deutschland kein Elfenbein verbrennt.

Von den natur-Autoren Horst Hamm und Sebastian Jutzi

natur: Frau Hendricks, wir leben in einer paradiesischen Zeit. Wir sind gut versorgt und haben zumindest bei uns beste Lebensbedingungen und großen Wohlstand. Können wir dieses Niveau vor dem Hintergrund des drohenden Klimawandels so halten?

Hendricks: Die Voraussetzung für gutes Leben ist natürlich, den Klimawandel zu begrenzen. Vollkommen verhindern können wir ihn nicht mehr. Wir müssen aber alles daran setzen, die Erderwärmung auf höchstens zwei Grad zu begrenzen - die Obergrenze dessen, was wir noch für beherrschbar halten. Das ist allerdings eine große Herausforderung, denn wir haben noch nicht genug getan. Der Klimaschutz bleibt daher eines der wichtigsten Aufgabenfelder meines Ministeriums.

Die EU unternimmt derzeit aber nichts in Sachen Klimaschutz. Das gesetzte Ziel, die CO2-Emissionen innerhalb Europas bis 2020 um 20 Prozent zu verringern, ist nahezu erreicht. Die Schwellenländer sagen: Solange die Industrieländer nicht handeln, machen wir auch nichts. Wie wollen Sie die derzeitige Blockadehaltung der EU-Kommission auflösen?

Wir verhandeln derzeit über einen Anschlussvorschlag der Kommission mit Klimazielen bis 2030. Da sprechen wir über 40 Prozent CO2-Minderung im Vergleich zu 1990. In Deutschland wollen wir dieses Ziel bereits 2020 erreichen. Wir sind also deutlich ehrgeiziger. Das werden die Signale für die internationale Klimakonferenz 2015 in Paris sein, auf der ein weltweites Klima- Abkommen verabschiedet werden soll.

Sie glauben, dass wir in Paris ein Abkommen verabschieden, ohne dass die EU bis 2020 höhere Ziele verbindlich festlegt? Das ist doch das Entscheidende ...

Nein. Wenn das Ziel für 2020 bereits jetzt erreicht ist, wie Sie richtig sagen, dann müssen wir jetzt ehrgeizigere Ziele für die nächste Etappe definieren. Ausschlaggebend ist, dass die EU vorangeht und sich für 2030 ambitionierte verbindliche Ziele setzt - und zwar zur CO2-Minderung, zum Ausbau der Erneuerbaren und zur Steigerung der Energieeffizienz.

Aus natur 05/2014

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    Der Text stammt aus der Mai-Ausgabe von natur, dem Magazin für Natur, Umwelt und nachhaltiges Leben. Er erscheint hier in einer Kooperation. Mehr aktuelle Themen aus dem Heft 05/2014 auf natur.de...

Was sagen Sie dann Vertretern Chinas, dem weltweit größten CO2-Emittenten? Nicht nur die Chinesen fordern, wir sollten uns aufgrund unserer historischen Klimaschuld schon jetzt deutlich mehr engagieren.

Deswegen engagieren wir uns ja! Europa ist nach wie vor Vorreiter im Klimaschutz. Kein Staatenverbund hat ehrgeizigere Ziele als wir. Aber der Verweis auf die historische Klimaschuld trägt auch nicht ewig. In zehn Jahren werden die Chinesen die EU auch bei den historischen Emissionen überholt haben. Das zeigt doch, dass nicht einer auf den anderen warten kann. Industrie- und Schwellenländer müssen beide ihren Teil der gemeinsamen Verantwortung übernehmen und entschieden handeln. Wenn wir in Deutschland 40 Prozent Reduktion bis 2020 erreichen wollen, müssen wir noch einiges tun. Denn mit den bisherigen Maßnahmen werden wir nur rund 33 Prozent erreichen. Deshalb will ich ein ressortübergreifendes Sofortprogramm für den Klimaschutz anstoßen. Damit sind wir beispielgebend für Europa. Und Europa soll in der Welt beispielgebend sein. Das nehmen wir uns vor.

Was soll das Sofortprogramm konkret enthalten?

Wir werden die Bereiche benennen, in denen noch besondere Anstrengungen unternommen werden müssen und zeigen, wie man das am besten erreicht. Etwa beim Gebäudebestand, im Verkehr und in der Landwirtschaft. Alle müssen ihren Teil beitragen.

Wie sieht es mit den Emissionszertifikaten aus? Ihr Preis liegt mit unter sechs Euro pro Tonne am Boden. Die EU hat beschlossen, 900 Millionen Zertifikate vom Markt zu nehmen. Die sollen aber wieder in den Handel kommen ...

... das ist nicht unsere Position.

Im Koalitionsvertrag steht aber, dass diese Menge nur vorübergehend aus dem Markt genommen werden soll.

Das sogenannte Backloading kann nur der erste Schritt sein. Wir streben bereits 2016 eine größere Reparatur des Emissionshandels an. Derzeit sind zwei Milliarden Zertifikate zu viel im Markt, die wir in eine Reserve überführen wollen. Wir müssen umsteuern, weil wir wegen dieser niedrigen Zertifikatspreise die Kohleverstromung nicht zurückdrängen können. Wir wissen, dass das noch ein bisschen schwierig ist, weil nicht alle Länder denselben Standard haben wie wir. Unsere Nachbarn in Polen beispielsweise setzen noch länger auf Kohle, als wir uns das wünschen würden.

Aber das Problem haben wir ja nicht nur in Polen, sondern auch in Deutschland: Es ist seit der Wende 1990 nicht mehr so viel Braunkohle verstromt worden wie im vergangenen Jahr.

Das liegt unter anderem daran, dass der europäische Emissionshandel nicht funktioniert. Das ist ein entscheidender Punkt. Und deswegen ist mir auch wichtig, dass wir da schnell vorankommen. Auf andere Weise werden wir die Braunkohleverstromung nicht zurückdrängen können.

"Es wird keine Umkehr des Atomausstiegs geben"

Schafe vor Kernkraftwerk

Schafe auf dem Elbdeich am Kernkraftwerk Brokdorf

(Foto: dpa)

Müssen wir wegen des hohen Braunkohleanteils fürchten, dass der Atomausstieg noch einmal rückgängig gemacht wird?

Nein!

Der Ausstieg wurde schon einmal gekippt.

Was ja nichts heißt, wie Sie wissen. Wir sind nicht gezwungen, Braunkohle zu verfeuern, um unseren Strombedarf zu sichern. Das sehen Sie daran, dass heute auch Gaskraftwerke außer Betrieb genommen werden. Und zwar nur deshalb, weil Gas im Moment gegenüber Braunkohle nicht konkurrenzfähig ist.

Weil Braunkohle zu billig ist.

Genau! Wir haben keine Versorgungslücke in Deutschland. Und deswegen wird es auch nicht nochmal eine Umkehr des Atomausstiegs geben.

Ein wesentlicher Punkt für ein Klima-Abkommen ist das Thema Geld. Werden die Industrieländer ihr Versprechen einlösen, für Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen bis 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für die Entwicklungsländer zur Verfügung zu stellen? Davon sind wir noch weit entfernt.

Aus natur 05/2014

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Der sogenannte Green Climate Fund ist eine Verbindlichkeit, die Deutschland eingegangen ist. Die Kanzlerin hat sich dazu in Kopenhagen verpflichtet. Wir haben bereits in den Koalitionsvereinbarungen festgelegt, dass wir an dem Ziel festhalten, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Man könnte sich da mehr wünschen.

Das heißt, Sie wollen auch international glaubwürdig bleiben...

Natürlich! Das müssen wir!

Was wir derzeit aber nicht sind, weil noch nach wie vor zu wenig Geld zur Verfügung gestellt wird.

Der Vorwurf ist vielleicht nicht ganz unberechtigt, weil man immer mehr tun kann. Aber diejenigen, die uns kritisieren, müssen dann vergleichen, wie die internationale Finanzierung insgesamt aussieht. Und wer seinen Verpflichtungen besser und beispielhafter nachkommt als Deutschland. Da sehe ich eigentlich nicht, dass wir schlecht dastehen.

Damit wir unsere Klimaziele erreichen, ist neben den erneuerbaren Energien das Thema Effizienz von zentraler Bedeutung.

Richtig.

In den vergangenen 20 Jahren sind daran mehr oder minder sämtliche Bundesregierungen gescheitert. Haben Sie eine Strategie, mit der sich dieses Thema deutlich besser in der Industrie, in der breiten Bevölkerung, aber auch in der Verwaltung verankern lässt?

Ich glaube, das muss man differenziert betrachten: Wenn Sie sich die großen Unternehmen in Deutschland anschauen, dann gibt es dort große Fortschritte. Die Firmen haben längst erkannt, dass Energieeffizienz Geld spart. Jetzt geht es darum, diese optimierten Verfahren auch auf die Mittelständler zu übertragen. Dann ist der Gebäudebereich besonders wichtig. Vor kurzem habe ich dazu eine Initiative vorgestellt: den Zusammenschluss von Unternehmen, die energetische Gebäudesanierung machen, mit der Deutschen Energieagentur. Wir haben bundesweit 7500 unabhängige Energieberater, die den 15 Millionen Besitzern von Ein- und Zweifamilienhäusern die richtige Unterstützung geben. Wir wollen die Menschen auch nicht abschrecken, etwa dadurch, dass sie mindestens 50 000 Euro für eine Komplettsanierung ihres Hauses brauchen.

Jetzt gibt es den sogenannten Rebound- Effekt. Was die Menschen auf der einen Seite einsparen, verbrauchen sie auf der anderen durch mehr Geräte und höheren Luxus. Letztlich ist das ein Nullsummenspiel, was man zum Beispiel im Strombereich sieht.

Das ist ein spannendes und wichtiges Wohlstandsphänomen, mit dem wir gezielter umgehen müssen. Aber wir sehen auch, dass absolute Einsparungen etwa beim Stromverbrauch möglich sind. Es gibt viele ermutigende Beispiele in Haushalten, Unternehmen und Kommunen. Ich stimme Ihnen aber zu, dass das noch nicht überall der Fall ist. Man kann sich immer noch mehr wünschen, aber dass es uns gelungen ist, den CO2-Ausstoß trotz Wirtschaftswachstum deutlich zu senken, ist doch entscheidend für den Klimaschutz.

Sie halten es also nicht für notwendig, die Gewinne, die durch Effizienzmaßnahmen erzielt werden, steuerlich abzuschöpfen?

Was genau meinen Sie?

"Unbegrenztes Wachstum ist natürlich nicht möglich"

Dass die Regierung eine Art Klimaabgabe beschließt. Das ist letztlich die alte Forderung nach einer Öko-Steuer.

Gerade habe ich von den privaten Investoren gesprochen, die - auch wenn sie Förderung erhalten - eine ganze Menge eigenes Geld in die Sanierung ihres Hauses stecken müssen. Die geben ihr privates Geld, haben dann sinkende Energiekosten und können damit die Kapitalkosten decken. Da kann man nicht so einfach abschöpfen.

Zur Effizienz gehört auch der Umgang mit Ressourcen. Gerade erst hat die EU festgelegt, Ladegeräte für Computer oder Smartphones zu standardisieren. Sollte die Politik nicht auch an anderer Stelle die eine oder andere Peitsche auspacken? Ordnungsrecht müssen wir immer auch im Auge haben. Die Energieeinsparverordnung beispielsweise wird ja auch regelmäßig angepasst. Die gilt für Neubauten und verteuert das Bauen und damit auch die Kaltmiete. Im Gegenzug wird jedoch der Anteil der Wärmekosten kleiner. Wenn die Gesamtmiete bleibt, dann haben wir unser Ziel erreicht: gleiche Kosten, aber mehr Klimaschutz.

Im Koalitionsvertrag findet man ganz vorne das Thema Wachstum als zentrales Ziel, um unseren Wohlstand zu erhalten. Bekommen Sie das Thema Wachstum mit Ressourceneffizienz unter einen Hut? In einer begrenzten Welt ist kein unbegrenztes Wachstum möglich.

Ein unbegrenztes Wachstum ist natürlich nicht möglich, das ist völlig klar. Aber wir können daran arbeiten, Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch voneinander zu entkoppeln. Durch kluges Recycling zum Beispiel. Wir arbeiten gerade an einem neuen Gesetz zum Umgang mit Elektroschrott. Händler sollen verpflichtet werden, Elektronikgeräte zurückzunehmen. Darüber hinaus werden wir die Sammlung von Wertstoffen in den Haushalten deutlich erleichtern. So können wir die Sammelmengen deutlich erhöhen und durch eine Wiederaufbereitung Ressourcen schonen - ganz ohne Wohlstandsverluste.

Aus natur 05/2014

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Wie sieht es mit dem Landverbrauch aus?

Wir können nicht unendlich Flächen verbrauchen. Als unsere Kanzlerin Umweltministerin war, hatten wir in Deutschland einen Flächenverbrauch von 110 Hektar am Tag. Damals hat sie die Zielvorgabe ausgegeben: Wir wollen runter auf 30 Hektar kommen.

Ein ehrgeiziges Ziel, das Sie ja auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben...

Richtig. Wir sind derzeit bei 70 Hektar. Wir haben also die Hälfte dieses Weges geschafft, mehr aber noch nicht. Und selbst wenn wir das Ziel erreichen, ist das immer noch nicht zufriedenstellend, weil es dann immer noch 30 Hektar am Tag sind. Andererseits sehen wir die demografische Entwicklung, die uns wiederum Entsiegelungen erlaubt.

natur hat darüber berichtet, wie sich die Natur im Osten Deutschlands Flächen zurückerobert ...

... und das geschieht nicht nur in den neuen Bundesländern. Die erleben das nur früher. Sie können das auch im Westen sehen, in Gebieten wie dem Hunsrück oder in Nordhessen, in Teilen der Eifel oder in der Oberpfalz. Auch in prosperierenden Bundesländern gibt es Regionen, wo genau diese Entwicklung absehbar ist. Das heißt mit anderen Worten, dass wir zwar einerseits Fläche verbrauchen, sich die Natur aber an anderer Stelle wieder etwas zurückholt.

Flächenverbrauch spielt auch in der Landwirtschaft eine Rolle. Weshalb verfolgen wir nicht das Ziel, diese Flächen für die Natur wertvoller zu machen, indem wir auf 100 Prozent der Fläche Bio-Landbau anstreben?

Der ökologische Landbau kommt dem Ideal einer nachhaltigen Landwirtschaft tatsächlich besonders nahe. Darum bin ich auch für eine Ausweitung. Aber 100 Prozent Bio-Landbau können wir nicht vorschreiben, weil das ein Eingriff in die Eigentumsrechte wäre, den wir verfassungsrechtlich nicht durchsetzen können.

Im Koalitionsvertrag steht der familiengeführte Betrieb als Leitbild für die Landwirtschaft. Warum haben Sie nicht den familiengeführten Bio-Betrieb zum Leitbild gemacht? Das wäre für den Naturschutz sehr viel besser.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich bin sehr dafür, Bio-Landbau zu betreiben. Für die Natur wäre es aber besser, wenn wir parallel daran arbeiten, auch die konventionelle Landwirtschaft ökologischer zu gestalten. Wir müssen auch beim Leitbild realistisch bleiben.

Warum?

Es ist gut, dass viele Landwirte nach ökologischen Kriterien wirtschaften. Und ich glaube, es wäre gut, wenn wir manche Entwicklungen in der konventionellen Landwirtschaft wieder zurückdrängen würden. Und zwar hin zu einer tatsächlich konventionellen Landwirtschaft auf der Basis der guten fachlichen Praxis, wie sie nach meinem Dafürhalten nicht mehr überall üblich ist.

Was sind denn Auswüchse in der konventionellen Landwirtschaft?

Die zu hohe Viehdichte in einigen Regionen ist ein gravierendes Beispiel. Aber auch die ständige Zunahme des Maisanbaus. Das hat verschiedene Gründe. Einer ist die Verwendung im Biogasbereich.

Weil diese Methode durch das Erneuerbare- Energien-Gesetz gefördert wird?

Sicher. Wobei wir zukünftig bei Neuanlagen vordringlich nur noch Rest- und Abfallstoffe zulassen. Diejenigen Anlagen, die schon genehmigt sind, werden allerdings ihr Privileg behalten.

Die Jagd verbieten? "Unfug"

Das heißt, dass die negative Entwicklung zunächst 20 Jahre lang festgeschrieben ist.

Ja, das ist so. Aber für die Zukunft können wir eingreifen. Der Maisboom hat zudem nicht nur mit Biogas zu tun, sondern auch mit der geänderten Landwirtschaftsproduktion. Ich komme vom Niederrhein. Das ist eigentlich eine Grünlandgegend mit Milchviehwirtschaft. Da hat im Kreis Kleve in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Milchkühe auf derselben Fläche deutlich zugenommen. Zudem kommen die Tiere nicht mehr auf die Weide. Sie bleiben in offenen Laufställen und müssen gefüttert werden. Womit werden sie gefüttert? Mit Silage. Wie werden die Silos gefüllt? Im Wesentlichen mit Mais. Das verändert nicht nur die Kulturlandschaft, weil die schwarzbunten Kühe nicht mehr auf der Wiese stehen, sondern auch die Produktionsweise. Auf den Wiesen wächst jetzt Mais. Die Zahl der Milchkühe nimmt zu, genauso wie die Schweinehaltung.

Das Fleisch aus der Schweinehaltung ist zunehmend für den Export bestimmt.

Milchkühe natürlich auch. Deutsche Milchprodukte sind begehrt. Sie werden in die arabischen Staaten, nach China und Japan exportiert. Diese Länder sind wichtige Standbeine für die deutschen Bauern, die natürlich auch wissen, dass die EU-Fördermittel sukzessive zurückgehen.

Nochmals zum Thema Fläche: Die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt sieht vor, dass im Jahr 2020 zwei Prozent der Fläche in Deutschland Wildnis oder Wildniserwartungsgebiete sein sollen. Das sind über 7000 Quadratkilometer, knapp drei Mal das Saarland. Das Bundesamt für Naturschutz schätzt, dass wir momentan bei 0,5 Prozent liegen. Wo soll die restliche Fläche herkommen?

Sie haben es richtig gesagt: Wildniserwartungsland. Das passt zu unserem zweiten Ziel, dass nämlich fünf Prozent der Waldfläche außer Nutzung genommen werden sollen. Die Bundesregierung geht da mit gutem Beispiel voran. Auf den Flächen des Nationalen Naturerbes entlassen wir schrittweise immer mehr Waldflächen in die Wildnis. 2020 werden sich 20 Prozent der Bundeswaldfläche ohne menschliches Zutun entwickeln können. Dann haben wir die Nationalparks, mit dem Nationalpark Nordschwarzwald jetzt 15 in Deutschland. Das ist ein weltweit vorbildliches Netz an großen Schutzgebieten.

Aus natur 05/2014

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    Der Text stammt aus der Mai-Ausgabe von natur, dem Magazin für Natur, Umwelt und nachhaltiges Leben. Er erscheint hier in einer Kooperation. Mehr aktuelle Themen aus dem Heft 05/2014 auf natur.de...

Die Ausweisung eines Nationalparks ist zunächst oft umstritten. Hinterher sind die meisten Kritiker dann aber zufrieden.

So sehe ich das auch. Zumal sich die Nationalparks später oft als Tourismusmagneten entpuppen. Aber natürlich ist auch die Akzeptanz in der Bevölkerung ein wichtiges Kriterium für die Ausweisung eines Nationalparks.

Sie haben bereits den Forst angesprochen. Da gibt es oft den Streitpunkt "Wald vor Wild". Die Forstleute wollen den Wald vor dem Wild schützen und die Jäger möglichst viel Wild im Wald haben. Tierschützer wiederum würden die Jagd am liebsten ganz verbieten.

Eine solche Forderung halte ich für Unfug. Aber ich halte es schon für richtig, dass die Jagd sich streng an dem Grundsatz ausrichten sollte, nur das zu schießen, was auch sinnvoll genutzt wird.

Im Koalitionsvertrag steht auch, dass die Bundesregierung verstärkt gegen den illegalen Wildtierhandel vorgehen will. Wie stellen Sie sich das konkret vor?

Damit haben wir schon begonnen. Letzten Dezember wurde in Botswana eine Konferenz zum Schutz des afrikanischen Elefanten veranstaltet. Die haben wir initiiert und finanziert. Das war die erste große internationale Tagung zu diesem Thema. Bei der UN gibt es auf unsere Initiative eine Freundesgruppe zur Bekämpfung der Wilderei - unter dem gemeinsamen Vorsitz von Gabun und Deutschland. Diese Freundesgruppe funktioniert und hat international sehr viel Aufmerksamkeit erzielt. Wir unterstützen die entsprechenden Länder konsequent - insbesondere in Afrika und Asien. Wir bilden zum Beispiel auf unsere Kosten Wildhüter aus. Wir haben ein besonderes Programm für die Serengeti. Also: Wir machen da vor Ort richtig viel. Deutschland stellt jährlich 500 Millionen Euro zum Erhalt von Wäldern und anderen Ökosystemen zur Verfügung - einen wachsenden Anteil investieren wir in die Wildereibekämpfung in Afrika.

Naturschützer fordern, dass die Bundesrepublik als symbolische Handlung die Elfenbeinvorräte vernichten sollte.

(lacht) Ja, ich weiß. Das ist aber wieder so eine symbolische Forderung, die nichts bringt und daher unsinnig ist. Denn nach Deutschland wird kein Elfenbein exportiert. Wir sind kein Zielland. Dass beschlagnahmtes Elfenbein in China verbrannt wurde, dafür bin ich sehr dankbar. Mit dieser öffentlichen Inszenierung hat die chinesische Regierung ihren eigenen Bürgern gesagt: "Das sollt ihr nicht mehr haben wollen!" Es geht vor allem um asiatische Länder, in die Stoßzähne von Elefanten und das Horn der Nashörner exportiert werden.

Und nach Deutschland kommt wirklich gar nichts?

In Deutschland wird ab und an mal beim Zoll ein kleines, geschnitztes Figürchen aufgegriffen, das sich jemand aus Kenia oder von sonstwo mitbringt. Ansonsten haben wir hier keine Tonnen im Vorrat, sondern kleine Mengen, die in Abstimmung mit dem Washingtoner Artenschutzabkommen zu Ausbildungszwecken benutzt werden. Also zum Beispiel, um Zöllner auszubilden, damit die erkennen, was denn Elfenbein ist. Tonnen könnten wir nicht vernichten, weil wir sie nicht haben.

Dr. Barbara Hendricks, geboren 1952 in Kleve am Niederrhein, studierte Geschichte und Sozialwissenschaften in Bonn und promovierte über "Die Entwicklung der Margarineindustrie am unteren Niederrhein". 1972 trat sie in die SPD ein. 1978 bis 1981 war sie Referentin in der Pressestelle der SPD-Bundestagsfraktion, 1981 bis 1990 Sprecherin des nordrheinwestfälischen Finanzministers. Seit 1989 ist Hendricks Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Kreis Kleve, seit 1994 Mitglied des Bundestages. 1998 bis 2007 war sie parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, von 2007 bis 2013 Schatzmeisterin der SPD. Seit Dezember 2013 ist sie Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.

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