Süddeutsche Zeitung

Umweltgifte:Weiblich durch Weichmacher?

Die These ist gewagt: Weichmacher sollen einer US-Studie zufolge daran schuld sein, wenn kleine Jungs am liebsten mit Puppen spielen.

Werner Bartens

Das ist der Stoff, aus dem Verschwörungstheorien sind. Zudem bedient die Untersuchung das chronische Unbehagen gegenüber Umweltgiften aller Art, denen man im Alltag schutzlos ausgeliefert ist. Die These ist allerdings ziemlich gewagt: Weichmacher verweiblichen den männlichen Nachwuchs. Lassen sich in Blut oder Urin von Schwangeren erhöhte Konzentrationen an sogenannten Phthalaten feststellen, beschäftigen sich die Jungs später angeblich weniger mit Autos, Rittern oder anderen Kampffiguren, sondern spielen mit weibischem Zeugs wie Puppen. Die Gynäkologin Shanna Swan von der Universität Rochester und ihr Team haben die Studie im Fachblatt International Journal of Andrology veröffentlicht (Bd.32, S.1, 2009).

"Unsere Ergebnisse müssen noch bestätigt werden, sind aber in vielerlei Hinsicht aufregend", sagt Swan. "Phthalate können schließlich die männliche Geschlechtsentwicklung beeinflussen. Sie wirken sich auch auf das Gehirn und damit womöglich auf das Verhalten aus." Die Weichmacher kommen über die Nahrung in den Körper. Werden Lebensmittel in PVC-Produkten abgepackt, erhitzt oder gelagert, gelangen die Substanzen in die Nahrungskette.

Es gibt allerdings auch Zweifel an der steilen These. In der Studie wurden nur 145 Vorschüler untersucht - damit war sie relativ klein. Zudem wurden Blut oder Urin der Schwangeren nur zu einem Zeitpunkt analysiert, Schwankungen daher nicht erfasst. Und was als geschlechtertypisches Spielverhalten gilt, lässt sich auch nicht ganz eindeutig sagen. Vielleicht hat die blöde ältere Schwester den Jungs immer Autos, Ritter und Indianer weggenommen, sodass die Jungs aus Rache die Puppen der Schwestern zerlegt und mit ihnen Kämpfe nachgestellt haben.

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Quelle:
SZ vom 18.11.2009/beu
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