Süddeutsche Zeitung

Umweltfreundliche Wirtschaft:Das grüne Geschäft

Ökonomisch handeln und gleichzeitig der Umwelt etwas Gutes tun: "Green Economy" scheint es möglich zu machen. Ministerin Annette Schavan schwärmt gar von einem neuen Wirtschaftswunder. Kann die grüne Wirtschaft die Welt retten?

Christopher Schrader

Gleich zu Anfang entgleitet den Ministern die Welt. Annette Schavan und Peter Altmaier posieren für die Pressefotografen mit einem zwei Meter großen Ball, auf den eine Weltkarte gedruckt und das Logo der Konferenz geklebt ist, die sie eröffnen. Als die Forschungsministerin und der Umweltminister den Planeten wie der griechische Riese Atlas in die Höhe stemmen, passiert es: Der Ball rollt nach vorne auf die Kameras zu, etliche Hände greifen in die Luft, versuchen die Kugel zu stabilisieren, aber sie fällt. Als die beiden CDU-Minister sie beim zweiten Versuch doch auf ihren emporgestreckten Armen stabilisieren, findet Altmaier eine Lasche am Südpol und krümmt den Zeigefinger darum, damit nicht noch ein Malheur geschieht.

Die beiden Minister und einige hundert Manager und Professoren wollen die Welt schließlich retten. Sie haben sich am vergangenen Dienstag im Berliner Veranstaltungszentrum E-Werk getroffen, um über umweltfreundliche Wirtschaft zu sprechen, auf Neudeutsch: Green Economy.

Der Stargast des Tages bescheinigt den Versammelten später, Deutschland führe die Welt auf dem Weg zur dritten industriellen Revolution an. Der prominente amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin hat in etlichen Büchern Visionen einer umweltverträglichen Wirtschaftsweise aufgezeigt.

Ein Beispiel dafür ist das Unternehmen Celitement, das einen Ersatz für Zement herstellt. "50 Prozent weniger Energieverbrauch und 50 Prozent weniger CO2-Ausstoß", so fasst Firmenvertreter Hendrik Möller die Vorteile des Materials zusammen, das am Karlsruher Institut für Technologie entwickelt wurde. Bei der Herstellung herkömmlichen Zements wird viel CO2 frei, wenn das Kalziumkarbonat aus Kalkstein verarbeitet wird. Anschließend muss der Grundstoff für Beton und Mörtel in Öfen bei 1450 Grad Celsius gebrannt werden.

Celitement hingegen benötigt weniger Kalziumkarbonat und wird bei maximal 300 Grad erzeugt. Es liefert aber am Ende das gleiche Molekül, das für die Festigkeit des Baustoffs verantwortlich ist wie traditioneller Zement. Zurzeit könne eine Pilotanlage in Karlsruhe den Stoff endlich "fassweise" erzeugen, sagt Möller, nachdem es zuvor nur Labormengen gab.

Weniger öffentlichkeitswirksamsind die Produkte der Firma Simaka aus Argenbühl im Allgäu. Das Unternehmen baut Wärmepumpen für Industriebetriebe, um "Energie im Kreislauf zu führen", wie das Geschäftsführer Karsten Uitz nennt. So habe das VW-Werk Emden auf eine Heizanlage mit dem Verbrauch von zwei Megawatt verzichten können. Dort werden die Karosserien vor dem Lackieren in warmem Wasser gebadet und so aufgeheizt.

Das Lackbad, in das sie dann tauchen, wird ständig gerührt, außerdem fließt Strom hinein, damit die Farbpartikel besser auf dem Metall haften. Die aufgewendete Energie erwärmt den flüssigen Lack. Früher musste er gekühlt werden, erzählt Uitz, heute entziehe eine Wärmepumpe dem Lackbad die Energie und bereite sie so auf, dass allein damit das Wasserbad der Karosserie geheizt werde.

Es sind solche Beispiele, die Forschungsministerin Annette Schavan von einem neuen Wirtschaftswunder schwärmen lassen. Mit der Green Economy lasse sich der strapazierte Begriff der Nachhaltigkeit mit Leben füllen. "Wenn das Gute beschrieben wird, spricht man oft von Nachhaltigkeit", beklagt die CDU-Politikerin. Wenn neues Wachstum entstehe, dessen Träger gleichzeitig eine soziale und ökologische Verantwortung fühlen, könne man Wohlstand schaffen und gleichzeitig die Lebensgrundlagen künftiger Generationen sichern.

Mit der Konferenz, die Manager, Forscher, Gewerkschafter und Umweltschützer zusammengebracht hat, will das Ministerium sein Forschungsprogramm für nachhaltige Entwicklung neu ausrichten.

Welche Rolle Deutschland bei der globalen Aufgabe zukommt, die Wirtschaft umzubauen, beschreibt Jeremy Rifkin: "Die Geschichte zeigt, dass wirtschaftliche Umwälzungen dann passieren, wenn eine Revolution in der Kommunikationstechnik und eine Revolution in der Energietechnik verschmelzen", sagt er. Eine Abfolge industrieller Revolutionen: Dampfmaschine und Telegraf, Automotoren und Telefon, jetzt erneuerbare Energien und Computer. "In Deutschland passiert das gerade, weil zum Internet ein System verteilter Stromerzeugung kommt, und beide wachsen in die Breite", so Rifkin. So hätten bereits eine Million Häuser Solarzellen auf dem Dach und speisten Elektrizität ins Netz.

Rifkin kritisiert die Deutschen aber auch: "Sie haben eine goldene Gans und füttern sie nicht." Die Bemerkung zielt auf die Diskussion über die Energiewende. Die Sorge um steigende Strompreise lässt schließlich manche öffentlich zweifeln, ob der Wandel eine gute Idee ist.

So hat die Debatte um die Förderung der Fotovoltaik etliche Firmen der Solarbranche offenbar bereits in den Ruin getrieben. Sollte das Vorhaben, die Energieversorgung in entscheidendem Umfang auf erneuerbare Quellen umzustellen, in Deutschland scheitern, warnt Rifkin, wäre es womöglich weltweit diskreditiert und eine entscheidende Chance verpasst. Der Wandel brauche intensive staatliche Unterstützung.

Darin drücken sich auch Zweifel aus, ob Green Economy von unten entstehen kann, wie es der Vergleich mit dem Wirtschaftswunder nahelegt. Dass sich kluge Ideen von allein durchsetzen und die Welt retten, hält Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung für ausgeschlossen. Die grüne Wirtschaft könne kein Ersatz für eine internationale Klimapolitik sein, wie manche angesichts der Probleme auf Gipfeltreffen wie in Kopenhagen 2009 hofften.

Trotz aller Fortschritte mit erneuerbarer Energie erlebe die Welt zurzeit "die größte Kohle-Renaissance der Industriegeschichte". Darum müsse ein Vertrag klarmachen, dass die Atmosphäre nur in begrenztem Maß die Abgase von Kohlekraftwerken aufnehmen kann und keinesfalls eine kostenlose Deponie dafür ist. "In einer solchen Welt kann grünes Wachstum einen wichtigen Beitrag leisten", so Edenhofer. "Sonst ist es nur eine Floskel."

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SZ vom 07.09.2012/hmet
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