CO₂-Verzicht:So fasten Sie fürs Klima

Luftverkehr

Klimaschutz und Flugreisen passen nur bedingt zusammen

(Foto: dpa)

Bis Ostern keine Schokolade, Fleisch oder Alkohol - das ist doch für Anfänger. Wer sich ernsthaft im Verzicht üben will, der schränkt jetzt seinen CO₂-Ausstoß ein.

Von Robert Gast

Die Tonne ist die Maßeinheit für die großen Dinge im Leben: Ein Elefant wiegt mindestens zwei Tonnen, ein Monstertruck viereinhalb, eine Kirchenglocke leicht sieben oder acht. Diese Kolosse sind allerdings Leichtgewichte gegen das, was die meisten Menschen Jahr für Jahr in die Luft pusten. Würde man die Treibhausgase, die ein Deutscher im Schnitt in einem Jahr verursacht, in einen Ballon pressen, wäre dieser elf Tonnen schwer.

Das kann man dieser Tage leicht vergessen. Unter großem Jubel haben sich 195 Staaten in Paris im Dezember auf einen Weltklimavertrag geeinigt. Von 2020 an will die Staatengemeinschaft die CO₂-Emissionen stark drosseln. So stark, dass sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts um maximal 1,5 bis zwei Grad erwärmt, verglichen mit vorindustriellen Zeiten. Gerettet ist der Planet mit dieser Vereinbarung aber noch nicht. Das Zwei-Grad-Ziel lässt sich nur erreichen, wenn von nun an allerhöchstens noch 1000 Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangen. Das klingt nach einer ganzen Menge. Wenn die Menschheit weitermacht wie bisher, ist das Maß aber bereits in 25 Jahren voll.

Der Fortschritt wird es schon richten, denken viele

Daher schauen nun viele Menschen auf ihre jeweiligen Regierungen und erwarten rasche Klimaschutzmaßnahmen. Insgeheim dürfte mancher hoffen, dass sich dieses lästige Klimaproblem von alleine lösen wird - die Politik und der technologische Fortschritt werden es schon richten. Und überhaupt: Was bringt es, auf das Rinderfilet zu verzichten, wenn weiter Kohlekraftwerke gebaut werden? "Das ist das Dilemma", sagt Michael Bilharz, Experte für Nachhaltigkeit im Umweltbundesamt (UBA). "Der Einzelne bewirkt nichts, und ohne den Einzelnen passiert nichts."

Auflösen lässt sich diese Zwickmühle nur, wenn der Einzelne Kohlekraftwerke fürs Erste Kohlekraftwerke sein lässt - und schaut, wie sich der eigene CO₂-Ballon verkleinern lässt. Machen das genügend Leute, kann man damit durchaus etwas verändern. Dazu gehört natürlich Optimismus: Die Pariser Klimaziele kann die Staatengemeinschaft nur dann erreichen, wenn der Treibhausgas-Ballon jedes Menschen auf 2,5 Tonnen pro Jahr schrumpft, wie Schätzungen des Umweltbundesamtes zeigen. Langfristig müsste es sogar weniger als eine Tonne sein.

Ob es dazu wirklich kommen wird? Andererseits sagen Klimaforscher, dass jedes Zehntelgrad Erwärmung, das ausbleibt, das Risiko für Extremereignisse senken kann. "Der Einzelne kann Tonnen bewegen", sagt Bilharz. Auch Fritz Reusswig, Soziologe am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), sagt: "Emissions-Einsparungen von bis zu 40 Prozent sind für den Einzelnen ohne großen Komfortverlust gut möglich." Wenn 80 Millionen Deutsche dem folgen, würde das immerhin schon mal 0,35 Milliarden Tonnen CO₂ sparen. Vielleicht ist das ja gerade der Klimaschutz, den es braucht, damit eine üble Dürre im Jahr 2052 ausbleibt.

Energie - auf Ökostrom umsteigen

Winter in Leipzig - qualmende Schornsteine

Das Heizen - einer der wichtigsten Klimafaktoren.

(Foto: Jan Woitas/dpa)

Die vielleicht wirkungsvollste Klimaschutzmaßnahme lässt sich binnen einer Viertelstunde im Internet erledigen. Sie kommt damit sogar für Menschen infrage, die auf den ganzen Klimastress keine Lust haben und einfach weiterleben wollen wie bisher. Ökostrom-Tarife versprechen CO₂-neutralen Strom aus erneuerbaren Energien. 2013 handelte es sich laut Bundesnetzagentur allerdings nur bei 17 Prozent des Stroms in deutschen Netzen um Ökostrom. Wer zu einem der gut 800 Anbieter wechseln will, sollte darauf achten, dass eine Firma nicht nur vorrechnet, wie viel CO₂ man mit einem Wechsel sparen kann. "Wichtig ist, dass Anbieter in den Ausbau der Erneuerbaren investieren", sagt Klaus Wiesen vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie. Dafür bürge zum Beispiel das OK-Power-Gütesiegel, das von der Verbraucherzentrale NRW und dem Öko-Institut vergeben wird.

Die meisten Emissionen einsparen können Deutsche bei der Heizung. In einem durchschnittlichen Haushalt dienen mehr als 70 Prozent der Energie dazu, die Zimmer warm zu halten. Die Heizung ist für fast ein Drittel des CO₂-Fußabdrucks verantwortlich. Viele Haushalte verbrennen schließlich noch Heizöl oder Erdgas. Hier hilft eigentlich nur der Umstieg auf erneuerbare Energieträger wie Solarkollektoren, Wärmepumpe oder Geothermie, oder aber der Einbau einer besseren Wärmedämmung, sagt Robert Miehe vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung.

Solche Maßnahmen sind allerdings nur etwas für Eigentümer, oder für Leute mit einem großzügigen Vermieter. Allen anderen bleibt, sparsam zu heizen oder in eine kleinere Wohnung umzuziehen. Damit ginge man allerdings gegen den Trend: Heute kommen auf jeden Einwohner in Deutschland 46 Quadratmeter Wohnfläche, 18 Prozent mehr als noch im Jahr 2000.

Ernährung - weniger Rindfleisch

Die guten Klima-Vorsätze für den Speiseplan sind dagegen einfach, wenn auch radikal: Es kommt vorrangig frisches, regionales Obst und Gemüse auf den Teller, dazu Kartoffeln und Brot. Tierische Produkte gibt es nur noch am Wochenende. Schließlich werden bei ihrer Produktion viel mehr Treibhausgase freigesetzt als bei der Herstellung pflanzlicher Kost. Das liege vor allem daran, dass Vieh viel Futter benötigt, für das rund um den Globus Wälder und Wiesen in Äcker umgewandelt werden, sagt Susanne Rolinski vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Dabei entweicht im Boden gespeichertes Kohlendioxid in die Atmosphäre.

Die schlechteste Klimabilanz hat das Fleisch von Rindern, da diese auch noch das extrem potente Treibhausgas Methan freisetzen. Für jedes Kilogramm Rindfleisch auf dem Teller muss die Atmosphäre daher eine Treibhauswirkung verkraften, die der von bis zu 28 Kilogramm CO₂ entspricht. Was nicht heißt, dass es überhaupt kein Rindfleisch mehr geben darf: Die Tiere sollten aber nur noch auf Flächen grasen, die für Ackerbau ungeeignet sind.

Bei aller Kritik an Fleisch darf man auch nicht vergessen, dass die Herstellung von Butter ähnlich klimaschädlich ist. Selbst ein Kilo Käse schlägt noch mit acht Kilogramm CO₂ zu Buche. Bei Gemüse, Obst und Kartoffeln sind es hingegen nur wenige Hundert Gramm. Die Treibhausgas-Bilanz von Bio-Lebensmitteln kann laut UBA-Angaben um bis zu 20 Prozent besser sein. Aber auch bei ihnen kann das Klima leiden, etwa wenn die Produkte aus Übersee mit dem Flugzeug geliefert werden oder in Gewächshäusern wachsen. "Wichtig ist, saisonal verfügbares Obst und Gemüse zu kaufen", sagt Rolinski. Es helfe auch viel, wenn Menschen weniger Lebensmittel wegwerfen. Schließlich wandere in Deutschland derzeit etwa ein Drittel der gekauften Kalorien in den Mülleimer.

Transport - Fahrgemeinschaften gründen

Echter Verzicht setzt dort an, wo es wehtut - also beim Auto. Insgesamt setzen deutsche Privatfahrzeuge Jahr für Jahr 100 Millionen Tonnen CO₂ frei, fast genauso viel wie vor 15 Jahren. Mit jedem Liter verbranntem Benzin oder Diesel gelangen gut zwei Kilogramm CO₂ in die Luft. Bahn und Bus sind meistens klimafreundlicher unterwegs. "Letztlich hängt das aber stark von der Auslastung ab", sagt Klaus Wiesen. So könne ein leerer Regionalzug alles andere als klimaeffizient sein. Und ein sparsames Auto mit vier Passagieren könne zuweilen mit einem schlecht besetzten Fernbus konkurrieren.

Dem Klima ist also schon geholfen, wenn man endlich eine Fahrgemeinschaft mit Kollegen gründet. Oder Kunde bei einem Carsharing-Dienst wird. Die gemeinsam genutzten Autos, von denen es mittlerweile etwa 15 000 in Deutschland gibt, emittieren durchschnittlich 16 Prozent weniger CO₂ als Privatwagen, da es sich meist um kleinere Fahrzeuge handelt. Hinzu kommen Einsparungen, weil weniger Autos gebaut werden müssen. Am besten kommt natürlich das Fahrrad weg: Mit ihm lassen sich im Stadtverkehr Strecken von weniger als vier Kilometern am schnellsten bewältigen, zeigt eine Rechnung des UBA. Bus und Bahn kann das Rad gar bis zu einer Entfernung von neun Kilometern schlagen, wenn man die gesamte Reisezeit von Tür zu Tür betrachtet.

Urlaub in der Heimat, Verzicht auf neue Technik

Reisen

Mittlerweile dürfte sich herumgesprochen haben, dass Fliegen und Klimaschutz nicht zusammenpassen. Nicht allen Menschen dürfte indes bewusst sein, wie sehr eine Reise mit dem Flugzeug die persönliche CO₂-Bilanz ruiniert. Durch eine zweiwöchige All-inclusive-Reise nach Mexiko verursacht ein Deutscher sieben Tonnen Treibhausgas-Emission - mehr als die Hälfte des durchschnittlichen Jahresbudgets. Beim Strandurlaub auf Mallorca ist es mehr als eine Tonne. Wer doch fliegen muss, kann auf Klimaschutzplattformen wie MyClimate.org oder Atmosfair.de Geld spenden, mit dem nachhaltige Energieprojekte finanziert werden. Für ein- bis zweihundert Euro lässt sich ein Transatlantikflug ausgleichen. Am besten fürs Klima ist aber zweifellos Urlaub in der Heimat.

Konsum

Die Deutschen machen es sich zu Hause mit immer mehr Elektrogeräten gemütlich, deren Zahl steigt seit Jahren. Bei der Herstellung werden pro Jahr schon mal um die 450 Millionen Tonnen CO₂ freigesetzt, wie das UBA für das Jahr 2011 ermittelt hat. "Bevor man sich fragt, wie der CO₂-Fußabdruck eines neuen Laptops ist, sollte man sich erst einmal klar werden, ob man wirklich ein neues Gerät braucht", sagt Klaus Wiesen. Oft könne man ältere Geräte einfach reparieren. Wer doch einen Neukauf plant: Es ist sehr kompliziert, zu berechnen, wie viele Treibhausgase bei der Herstellung eines Produktes freigesetzt wurden. Firmen nutzen hierzu oft verschiedene Methoden, ihre Angaben sind also kaum vergleichbar.

Ein allgemein anerkanntes CO₂-Label, ähnlich dem EU-Energielabel, gibt es bislang nicht, auch wenn die EU daran arbeitet. Das Bundesumweltministerium empfiehlt fürs Erste, auf den blauen Engel mit der Unterzeile "schützt das Klima" zu achten. Ein Zwei-Personen-Haushalt, der nur damit gekennzeichnete Elektronik-Artikel verwendet, kann laut einer Studie des Öko-Instituts im Vergleich mit Durchschnittsprodukten umgerechnet knapp eine Tonne CO₂ im Jahr sparen.

Haltung - in Erneuerbare investieren

Die Möglichkeiten zum Klimaschutz steigen mit dem Einkommen - die Verantwortung auch. Studien zeigen, dass einkommensstarke Haushalte deutlich mehr Treibhausgase freisetzen als ärmere. Wohlhabende Deutsche könnten also einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, indem sie sich etwa an Firmen beteiligen, die Windparks betreiben. Eine Investition von 10 000 Euro könne jährlich elf Tonnen CO₂ vermeiden, heißt es beim UBA. Wer eine direkte Beteiligung zu riskant findet, kann sich bei Verbraucherzentralen über andere Formen der "ethisch-ökologischen" Geldanlage informieren. So gibt es Banken, die nachhaltige Projekte fördern.

Damit hört der Klimaschutz aber nicht auf. "Früher kam es vor allem auf den Konsumenten an, der sich bewusst für klimafreundliche Produkte entscheidet", sagt PIK-Soziologe Fritz Reusswig. Heute hingegen sollten Menschen auch dafür eintreten, dass Politiker Klimaschutz weiter vorantreiben. "Das kann durch Mitgliedschaft in einer Umweltorganisation, Petitionen oder das Wahlverhalten geschehen." Wichtig sei, aufmerksam zu beobachten, ob Pläne auch umgesetzt werden - schließlich seien die von den Regierungen in Paris angekündigten Klimaschutzbeiträge bislang freiwillig. Engagement hilft wohl noch aus einem weiteren Grund: Damit hat man als Einzelner nicht den Eindruck, all die guten Taten für das Klima seien völlig umsonst.

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