Umwelt:Die Herrschaft des Feuers

  • Jahr für Jahr brennen weltweit zwischen 300 und 600 Millionen Hektar Vegetation.
  • Auch 2019 ist bislang ein Jahr wie jedes andere gewesen - mit Ausreißern nach oben und unten in einzelnen Regionen.
  • In vielen Regionen der Erde spielen regelmäßige Brände eine wichtige Rolle für intakte Ökosysteme.

Von Tobias Herrmann (Text) und Sarah Unterhitzenberger (Grafik)

Umwelt: Abgebrannter Regenwald in Brasilien: Anders als in der Savanne richten Feuer hier großen ökologischen Schaden an.

Abgebrannter Regenwald in Brasilien: Anders als in der Savanne richten Feuer hier großen ökologischen Schaden an.

(Foto: Joao Laet/AFP)

Mehr als 74 000 Brände wurden dieses Jahr im Amazonas-Regenwald schon registriert. Allein derzeit sollen mehrere Tausend Feuer lodern, die Rauchfahnen reichten zuletzt bis São Paulo. Doch sind die Brände im Regenwald wirklich so außergewöhnlich?

"Nein", sagt der Feuerökologe und Leiter des Zentrums für Globale Feuerüberwachung des Max-Planck-Instituts für Chemie an der Universität Freiburg, Johann Georg Goldammer - in diesem Jahr habe sich einzig die mediale Aufmerksamkeit erhöht. "Abgesehen von einigen Regionen wie etwa Kalifornien, wo aufgrund des Klimawandels mittlerweile ganzjährig Brände auftreten, ist die jahreszeitliche Verteilung von Feuern seit vielen Jahren konstant." Das gelte auch für die Gesamtfläche, die jährlich auf der Erde verbrennt: "Jahr für Jahr brennen zwischen 300 und 600 Millionen Hektar an Vegetation", sagt Goldammer. Auch 2019 sei bislang ein Jahr wie jedes andere gewesen, gleichwohl mit Ausreißern nach oben und unten in einzelnen Regionen, wie aktuell im Amazonas. In der Regel würden Brandflächen jedoch erst am Jahresende berechnet, um aussagekräftige Vergleiche mit anderen Jahren herstellen zu können, so Goldammer.

Jedes Jahr brennen im Durchschnitt zwischen 300 und 600 Millionen Hektar

Eine Übersicht zu Feuern weltweit liefert das Fire Information for Ressource Management System (Firms) der Nasa, das anhand von Daten, die mittels Satelliten, Flugzeugen oder bodennahen Messstationen gewonnen werden, die aktuellen Brandherde auf einer Weltkarte visualisiert. Vergleicht man etwa die einzelnen Monatskarten der Nasa von 2001 mit denen von 2018, sind kaum Unterschiede festzustellen. Dennoch seien diese Grafiken mit Vorsicht zu genießen, sagt Feuerexperte Goldammer. "Ein Satellit registriert lediglich sogenannte Hochtemperaturereignisse. Das muss jedoch nicht zwingend ein Feuer sein." Auch über Größe und Art des Feuers sage dies noch nichts aus, dazu müsse beachtet werden, welche Pflanzen vor Ort wachsen.

Meist wird Feuer mit Zerstörung und Vernichtung assoziiert - eine Sichtweise, die Alexander Held zu einseitig findet: "In vielen Regionen der Erde spielen regelmäßige Brände eine wichtige Rolle für ein intaktes Ökosystem", sagt der Diplomforstwirt und Waldbrandmanager vom European Forest Institute (EFI). Typisches Beispiel sei die afrikanische Savanne, die sich zwischen Sahara und Äquator quer über den Kontinent erstreckt. "Während der Regenzeit wird dort enorm viel Biomasse produziert, die in der Trockenzeit so gut wie nicht verrottet. Diese Aufgabe übernehmen durch Blitzschlag oder von Menschen verursachte Brände", sagt Held. Diese vernichten verdorrtes, "altes" Gras, während im Boden liegende Wurzeln und Samen unversehrt bleiben. In Zusammenspiel mit der zurückbleibenden Asche, die dem Boden als Dünger dient und ihm Nährstoffe zuführt, können dann junge Gräser nachwachsen: Die Savanne regeneriert sich.

Das kann sie allerdings nur, wenn der Mensch sie lässt. Wie ein Forscherteam von der University of California in Irvine 2017 in einer Studie zeigte, nahmen die natürlich auftretenden Feuer in Savannengebieten zwischen 1998 und 2015 um ein Viertel ab. Infolge der wachsenden Weltbevölkerung werden stetig größere Flächen für Landwirtschaft benötigt, weshalb Graslandschaften, die früher durch regelmäßige Brände regeneriert wurden, nun für Viehzucht oder Ackerbau genutzt werden und Bauern natürliche Feuer verhindern.

Im Frühjahr findet sich auf der Erde ein weiterer Hotspot: Sibirien. Wie auch in Nordamerika und sogar in Alaska stehen dort Jahr für Jahr zunächst Grasländer und Steppen in Flammen, etwas später sind vor allem Waldgebiete betroffen. Diese Feuer sind für das dortige Ökosystem jedoch erst mal nicht so schlimm, wie Thomas Hickler, Biogeograf am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt am Main sagt: "Die borealen Nadelwälder in den nördlichen Breitengraden sind ganz gut an Feuer angepasst." So hätten Analysen von Bohrkernen gezeigt, dass dort die Wälder vielerorts schon immer im Abstand einiger Jahrzehnte gebrannt und sich anschließend wieder regeneriert haben. Tatsächlich verbessern diese Feuer sogar die Nährstoffversorgung des Waldes. Durch Menschen kommt es zwar einerseits zu mehr Entzündungen, aber in einigen Regionen sind Managementmaßnahmen zumindest in nicht extrem trockenen Jahren recht erfolgreich darin, die Feuer zu unterdrücken. Ob der Klimawandel in der borealen Nadelwaldzone generell zu mehr Feuer führt, sei dagegen noch nicht geklärt, sagt Hickler.

Im Spätsommer rückt der Regenwald im Amazonas in den Fokus. Treten dort natürliche Feuer auf? Das komme auf die Art des Regenwalds an, sagt Hickler. "In Regenwaldgebieten mit ausgeprägter Trockenperiode im Übergang zu Trockenwäldern kann es auch natürlicherweise zu Feuern kommen." Im immergrünen, feuchten Regenwald seien Feuer dagegen nicht natürlich, so Hickler. Dort auftretende Brände seien fast immer von Menschen verursacht, um durch Brandrodung neue landwirtschaftliche Nutzfläche zu gewinnen. Und da in diesen Regionen weder Flora noch Fauna an Feuer angepasst sind, können außer Kontrolle geratene Brände dort verheerende Folgen haben. Zumal es Jahrzehnte oder Jahrhunderte dauern kann, bis wieder ein Regenwald entsteht.

Savanne, Regenwald oder auch borealer Nadelwald zeigen: Solange sich der Mensch nicht zu sehr einmischt, kann die Natur mit Feuer ganz gut umgehen. Erst durch menschlichen Einfluss gerät dieses Zusammenspiel aus dem Gleichgewicht, denn ohne den Menschen gäbe es bedeutend weniger Zündquellen und damit auch weniger Feuer. "Weltweit sind etwa 90 Prozent aller Brände von Menschen verursacht", sagt Alexander Held. Der zunehmende menschliche Einfluss auf Ökosysteme sowie der Klimawandel verursachten eine Verschiebung sogenannter Feuerregime: "Es brennt vermehrt in Gebieten, die bisher kaum mit Feuern in Berührung gekommen sind."

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