Umstrittenes Fracking:Nebenwirkung Klimawandel

Erdgasförderung mittels Fracking ist vor allem umstritten, weil es das Trinkwasser gefährden kann. Doch nun warnen Forscher, dass dabei auch viel Methan entweicht. Und das treibt den Klimawandel stärker an als Kohlendioxid.

Von Christopher Schrader

In Amerika geht der Streit um den Erdgasboom, den die Fracking-Technik ausgelöst hat, in eine neue Runde. In der New York Times ist der Gastkommentar eines Professors der Cornell University erschienen, der Erdgas aus solchen unkonventionellen Bohrungen den oft zitierten Klimavorteil gegenüber Kohle abspricht.

"Gas aus Schiefergestein ist keine Brücke in eine Zukunft der erneuerbaren Energien, sondern der Laufsteg in eine weitere Erwärmung", schreibt Anthony Ingraffea, der als Öl- und Gasingenieur die FrackingTechnik mitentwickelt hat. "Ich kann ihnen versichern, Erdgas ist keine saubere Energie."

Aus den oft lecken Anlagen entweiche viel Methan, argumentiert Ingraffea, also der Hauptbestandteil von Erdgas und selbst ein viel stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid. Die Industrie schätze, dass fünf Prozent der Fördertürme von Anfang an undicht seien und die Anzahl der Leckagen mit dem Alter der Quellen ansteige. Die Vorteile, die das Verbrennen des geförderten Gases gegenüber dem Verheizen von Kohle biete, so Ingraffea, würden dadurch eingeschränkt oder aufgehoben.

Beim Fracking wird Erdgas mit drastischen Methoden aus dem Untergrund gewonnen: Aus einer Bohrung wird seitlich ins Schiefergestein ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien gepresst, das Poren im Fels aufsprengt und dem darin eingeschlossenen Gas Wege zum späteren Förderturm bahnt. Weil Erdgas in Kraftwerken mit höherer Energieausbeute sowie sauberer verbrannt werden kann als Kohle, gilt es als klimafreundlicher. Ingraffeas Kritik untergräbt nun dieses zentrale Argument für den neuen Erdgasboom.

Bisher richteten sich Proteste vor allem gegen Nebenaspekte des Verfahrens, etwa den Umgang mit dem anfallenden Abwasser. Solche Fragen haben soeben auch drei deutsche Forschungsinstitute ins Zentrum der Debatte gerückt, ob Fracking in Deutschland erlaubt werden soll. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften, das Geoforschungszentrum Potsdam und das Zentrum für Umweltforschung Halle erklären in der am Mittwoch bekannt gemachten "Erklärung von Hannover", der Schutz des Trinkwassers müsse "oberste Priorität haben".

Methan ist 20-mal so klimawirksam wie CO2

Ingraffea hingegen wirft die Frage auf, ob die Förderung unter Klimaaspekten überhaupt den versprochenen Effekt hat.

Im Prinzip erzeugt Erdgas beim Verbrennen halb so viel CO2 wie Kohle. Entweichen aber bei der Förderung mehr als zwei Prozent Methan, reduziert sich der Vorteil drastisch. Methan ist 20-mal so klimawirksam wie CO2.

Die Umweltorganisation Climate Central zeigt in Berechnungen, dass es dann Jahrzehnte dauern kann, bis sich der theoretische Klimavorteil auch nur zur Hälfte einstellt.

Entwichen gar acht Prozent des geförderten Gases, wäre eine damit befeuerte Anlage 50 Jahre lang schlechter fürs Klima als ein Kohlekraftwerk. Die Grenze von zwei Prozent wird womöglich großflächig gerissen.

Ingraffea zitiert dazu eigene und fremde Daten. Messungen ergeben Werte eine Leckrate zwischen 2,3 und 17 Prozent. Forscher von der Luft- und Ozeanbehörde Noaa haben für Bohrungen in Colorado vier Prozent ermittelt, in Utah gar neun. Die Menge von Methan in der Atmosphäre, die am Anfang dieses Jahrhunderts gesunken war, steigt seit fünf Jahren wieder, sagt eine andere Noaa-Abteilung - parallel zum Fracking-Boom.

Die Umweltbehörde EPA hingegen schätzt die Gesamtverluste auf 1,5 Prozent. Neue Emissionsstandards könnten die Mengen zudem weiter reduzieren, schätzt das Amt. Kritiker wenden ein, die Freisetzung von Methan lasse sich nur schwer genau erfassen, weil das Gas an vielen Stellen entweichen kann.

Offizielle Stellen lassen derweil keine Zweifel erkennen. Präsident Obama hatte die verstärkte Erdgasförderung mit Techniken wie Fracking erst Ende Juni zum zentralen Element seiner Energiepolitik erklärt. Die Regierung erwartet ein Andauern des Booms bis mindestens 2035.

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