Umstrittenes Diabetesmedikament:Avandia soll auf dem Markt bleiben

Ein Gremium von Fachleuten hat der US-Gesundheitsbehörde FDA mehrheitlich empfohlen, das Diabetesmittel Avandia nicht vom Markt zu nehmen, jedoch die Warnhinweise zu verstärken. Das Medikament erhöht offenbar das Herzinfarktrisiko.

Ein Beratergremium der US-Gesundheitsbehörde FDA hat sich nach zweitägigen Gesprächen mehrheitlich für eine weitere Vermarktung des Diabetesmedikaments Avandia ausgesprochen.

A pharmacist holds a bottle of Avandia in a store in Falls Church, Virginia

Mit dem Diabetesmittel Avandia hat das Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline vor 2007 viel Geld verdient. Dann wurden Hinweise auf ein erhöhtes Risiko von Herzinfarkten und Todesfällen bekannt.

(Foto: Reuters)

Zuvor hatte die Mehrheit des Gremiums Befunde als glaubwürdig eingestuft, wonach Avandia das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen stärker erhöhen könnte als andere Diabetes-Präparate. Das Medikament steht im Verdacht, mit Hunderten Todesfällen zusammenzuhängen. Dem Vorwurf wollten die meisten Experten allerdings nicht folgen.

Von den 33 Mitgliedern des Ausschusses stimmten zehn trotzdem für einen weiteren Vertrieb mit starken Einschränkungen beim Verkauf und zusätzlichen, deutlicheren Hinweise auf die Gesundheitsrisiken. Sieben rieten, lediglich die Warnungen zu verstärken, drei empfahlen sogar, das Mittel einfach wie bisher zu verkaufen. Einer der Experten wollte die Warnhinweise sogar abschwächen. Zwölf Berater rieten der FDA dagegen, das Mittel vollständig vom Markt zu nehmen. Ein Mitglied enthielt sich der Stimme.

Die FDA wird ihre endgültige Entscheidung in den kommenden Monaten treffen. Sie ist nicht an die Empfehlung des Beratergremiums gebunden, folgt aber in der Regel seinen Ratschlägen. Allerdings war es diesmal ungewöhnlich, wie unterschiedlich die Meinungen innerhalb der Behörde waren. Eine Abweichung von der Empfehlung ist deshalb diesmal wahrscheinlicher als in früheren Fällen.

Noch 2006 hatte GlaxoSmithKline mit Avandia einen Umsatz von drei Milliarden Dollar gemacht. Das Mittel gehörte zu den größten Umsatzbringern des britischen Unternehmens. 2007 veröffentlichten Mediziner der Cleveland Clinic allerdings eine Studie, die zu dem Ergebnis kam, dass das Präparat zu Herzproblemen führen könnte. Seitdem steht das Mittel in den USA in der Kritik.

Erst am Dienstag hatte die New York Times den Pharmakonzern in ein schlechtes Licht gerückt. Demnach wusste GlaxoSmithKline seit 1999 durch eine eigene Studie, dass mit dem Medikament Herzinfarkt-Risiken verbunden waren. Das Unternehmen habe jedoch geschwiegen, weil die Verkäufe so gut liefen. Die Zeitung berief sich auf ihr vorliegende Unterlagen. Eine Sprecherin von GlaxoSmithKline bestritt die Vorwürfe. Die Risiken des Medikaments wurden inzwischen von mehreren Studien bestätigt.

Eine Untersuchung des US-Senats brachte Avandia nach Angaben der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) in den Vereinigten Staaten allein im dritten Quartal 2009 mit mehr als 300 Todesfällen in Verbindung. Insbesondere eine von dem Pharmariesen finanzierte Untersuchung kam allerdings zu anderen Ergebnissen, weshalb das Unternehmen bis heute beteuert, das Medikament wäre eine gute Alternative zu anderen Blutzuckersenkern. Diese sogenannte Record-Studie aber gilt vielen Fachleuten als fehlerhaft. Ein FDA-Experte erklärte sogar, so sei versucht worden, Risiken des Mittels zu verschleiern.

Auch die europäische Arzneimittelbehörde EMA nimmt die Sicherheit von Avandia erneut unter die Lupe. In Deutschland hatte der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA das Mittel kürzlich zusammen mit ähnlichen Wirkstoffen aus der Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen genommen.

Der Streit um das Medikament hat sich deutlich auf den Umsatz des Unternehmens ausgewirkt. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz mit 771 britischen Pfund (923 Millionen Euro) nicht einmal mehr bei der Hälfte dessen, was das Medikament vor dem Bekanntwerden der Risiken 2007 in die Kassen gespült hatte. Tendenz weiter fallend.

Schwerer als der Umsatzverlust wiegt zurzeit noch die Furcht vor Schadenersatzklagen. Einem Bericht der Finanz-Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge konnte der Pharmakonzern mit der Zahlung von 460 Millionen Dollar rund 10.000 Klagen auf einen Schlag beilegen. Insgesamt, so schätzen Analysten, sind 13.000 Klagen von Menschen anhängig, die dem Konzern vorwerfen, unter Gesundheitsschäden durch das Medikament zu leiden.

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